Die Ordnungsaxiome

Für alle reellen Zahlen x, y, z gilt:

(O1)non (x < x), (Irreflexivität)
(O2)x < y  und  y < z  impliziert  x < z, (Transitivität)
(O3)x < y  oder  x = y  oder  y < x. (Vergleichbarkeit)

 Eine Struktur (M, <), die die Eigenschaften (O1) − (O3) erfüllt, nennt man eine totale oder lineare Ordnung (vom strikten Typ). Neben den reellen Zahlen bilden die mit den üblichen Kleiner-Relationen ausgestatteten Mengen  und  Beispiele für lineare Ordnungen. Für die echte Inklusion ⊂ auf { 1, 2 } gelten dagegen (O1) und (O2), nicht aber (O3).

Die nicht strikte Version der Ordnung

Wir schreiben x ≤ y, falls x < y oder x = y. Dann gilt für alle x, y, z  ∈  :

(O1)′x ≤ x, (Reflexivität)
(O2)′x ≤ y  und  y ≤ x  impliziert  x = y, (Antisymmetrie)
(O3)′x ≤ y  und  y ≤ z  impliziert  x ≤ z, (Transitivität)
(O4)′x ≤ y  oder  y ≤ x. (Vergleichbarkeit)

 Ob man die strikte Ordnung < oder die nicht strikte Version ≤ bevorzugt, ist Geschmackssache. Wir haben immer beide Version durch die Zusammenhänge

x ≤ y  genau dann, wenn  x < y oder x = y,

x < y  genau dann, wenn  x ≤ y und x ≠ y.

Die strikte Ordnung hat den Vorteil, sich mit drei (anstelle von vier) Ordnungsaxiomen einfangen zu lassen.

Maximum und Minimum

 Häufig im Einsatz sind:

Definition (Maximum und Minimum)

Für alle x, y  ∈   sind das Maximum max(x, y) und das Minimum min(x, y) von x und y definiert durch:

max(x, y)  =  x,  falls  x  ≥  y,  max(x, y)  =  y,  falls  x  <  y,

min(x, y)  =  x,  falls  x  ≤  y,  min(x, y)  =  y,  falls  x  >  y.

Analog sind das Maximum max(x1, …, xn) und das Minimum min(x1, …, xn) für endlich viele x1, …, xn definiert.

Die allgemeineren Maxima und Minima lassen sich (ordentlicher) rekursiv definieren durch

max(x1, …, xn + 1)  =  max(max(x1, …, xn), xn + 1),

min(x1, …, xn + 1)  =  min(min(x1, …, xn), xn + 1)  für alle n ≥ 2.

 Bei der Diskussion von Suprema und Infima werden wir auch Minima und Maxima für beliebige Mengen betrachten, die auch unendlich sein können. Diese Maxima und Minima existieren dann im Gegensatz zu den endlichen Versionen nicht mehr in allen Fällen.

Vorzeichen

 Die Null nimmt eine Sonderrolle in der Arithmetik ein, die sich auch in der Ordnung widerspiegelt. Wir definieren:

Definition (positiv, negativ)

Sei x  ∈  . Gilt x > 0 (x < 0), so heißt x positiv (negativ). Wir sagen auch, dass x ein positives (negatives) Vorzeichen besitzt.

Damit ist x ≥ 0 äquivalent zu nicht negativ und x ≤ 0 gleichwertig zu nicht positiv.

 Mit den Begriffen „positiv“ und „negativ“ können wir nicht rechnen. Es ist deswegen nützlich, das Vorzeichen mit Hilfe der reellen Zahlen −1, 0, 1 auszudrücken:

Definition (Signumsfunktionen)

Sei x  ∈  . Dann sind das dreiwertige Signum sgn(x) und das zweiwertige Signum sgn+(x) von x definiert durch:

sgn(x)  =  1,  falls  x  >  0,  sgn(0)  =  0,  sgn(x)  =  −1,  falls  x  <  0,

sgn+(x)  =  1,  falls  x  ≥  0,  sgn+(x)  =  −1,  falls  x  <  0.

 Die beiden Funktionen sgn, sgn+ :    werden auch als Vorzeichenfunktionen bezeichnet.

Das Vorzeichen der Null

Die Null spielt (wieder einmal) eine Sonderrolle, und sie wird in unterschiedlichen Kontexten anders behandelt. Nach obigen Definitionen gilt sgn(0) = 0 und sgn+(0) = 1. Oft wird der Null auch gar kein Vorzeichen zugeordnet. Dies entspricht einer dritten Vorzeichenfunktion

sgn* :  − { 0 }  ,

die an der Stelle 0 nicht definiert ist und ansonsten mit sgn und sgn+ übereinstimmt.

Betrag und Abstand

 Das Abstrahieren von einem Vorzeichen führt zu:

Definition (Betrag)

Sei x  ∈  . Dann ist der Absolutbetrag oder Betrag |x| von x definiert durch:

|x|  =  x,  falls  x  ≥  0,  |x|  =  − x,  falls  x  <  0.

Wir schreiben auch abs(x) anstelle von |x|.

Funktional erhalten wir eine Funktion abs :   , die Betragsfunktion auf . Diese Funktion ist überall nicht negativ und mit Ausnahme der Null positiv.

 Leicht nachzuweisen sind:

Satz (Eigenschaften des Betrags)

Seien x, y  ∈  . Dann gilt:

(a)

|x|  =  |− x|,  |x| = 0 genau dann, wenn x = 0,(Nullbedingung)

(b)

|x − y|  =  |y − x|,(Symmetrie)

(c)

|x + y|  ≤  |x|  +  |y|,(Dreiecksungleichung)

(d)

|x| − |y|  ≤  |x|  +  |y|(umgekehrte Dreiecksungleichung)

(e)

||x| − |y||  ≤  |x ± y|  ≤  |x| + |y|.

Beispiel

Nach (d) gilt

− 3  =  |−2| − |5|  ≤  |− 2| + |5|  =  7.

Da die linke Seite negativ ist, ist diese Erkenntnis nicht besonders wertvoll. Das Setzen von Beträgen wie in (e) liefert die bessere Abschätzung

3  =  ||−2| − |5||  ≤  |− 2 ± 5|  ≤  |− 2| + |5|  =  7.

 Mit Hilfe des Betrags können wir eine Abstandsfunktion einführen:

Definition (Abstand)

Seien x, y  ∈  . Dann heißt d(x, y) = |x − y| der Abstand zwischen x und y.

 Hier steht „d“ für „Distanz“ oder engl. „distance“. Es gilt d(x, y) ≥ 0 für alle reellen Zahlen x, y. Funktional notiert gilt d : 2  [ 0, ∞ [.

Aus den Eigenschaften des Betrags folgt:

Satz (Eigenschaften des Abstands)

Seien x, y, z  ∈  . Dann gilt:

(a)

d(x, y)  =  0  genau dann, wenn  x = y,(Nullbedingung)

(b)

d(x, y)  =  d(y, x),(Symmetrie)

(c)

d(x, z)  ≤  d(x, y) + d(y, z).(Dreiecksungleichung)

Beweis

Die zwei ersten Eigenschaften sind klar. Für die Dreiecksungleichung argumentieren wir so:

d(x, z) =  |x − z|  =  |x + 0 − z|  =  |(x − y)  +  (y − z)|
≤  |x − y| + |y − z|  =  d(x, y)  +  d(y, z).

 Ein „Umweg über einen dritten Punkt“ wird in der Analysis durchgehend zur Abschätzung eines Abstands verwendet. Allgemeiner gilt:

Einfügen von Punkten, endlicher Umweg

Für alle n ≥ 2 und alle x1, …, xn  ∈   gilt:

|x1 − xn|  ≤  |x1 − x2|  +  |x2 − x3|  +  …  +  |xn − 1 − xn|.

 Wir versammeln noch:

Satz (Eigenschaften von Signum und Betrag)

Für alle x  ∈   gilt:

(a)

abs(abs(x))  =  abs(x),  sgn(sgn(x))  =  sgn(x),  sgn+(sgn+(x))  =  sgn+(x),

(b)

abs(− x)  =  abs(x),  sgn(− x)  =  − sgn(x),  sgn+(− x)  =  − sgn+(x) für x ≠ 0,

(c)

abs(x)2  =  x2,  sgn(x)2  =  1 für x ≠ 0,  sgn+(x)2  =  1,

(d)

abs(x)  =  max(x, −x)  =  sgn(x) x  =  sgn+(x) x,

(e)

1 − |sgn(x − y)|  =  δx,y,  mit δx,x = 1, δx,y = 0 für x ≠ y (Kronecker δ).

Intervalle

 Mit Hilfe der Ordnung können wir Intervalle einführen:

Intervallnotationen

Seien x, y  ∈   mit x ≤ y. Dann setzen wir:

[ x, y ]  =  { z | x ≤ z ≤ y } (abgeschlossenes Intervall)

] x, y [  =  { z | x < z < y } (offenes Intervall)

] x, y ]  =  { z | x < z ≤ y },  [ x, y [  =  { z | x ≤ z < y } (halboffene Intervalle)

[ x, ∞ [  =  { z | x ≤ z },  ] x, ∞ [  =  { z | x < z }

] −∞, x ]  =  { z | z ≤ x },  ] −∞, x [  =  { z | z < x }

] −∞, ∞ [  =   (uneigentliche Intervalle)

 Allgemein definieren wir:

Definition (Intervall)

Ein I ⊆  heißt ein Intervall, falls gilt

Für alle x < y in I und z  ∈   mit x < z < y gilt z  ∈  I. (Intervallbedingung)

 Die Intervallbedingung bringt alle Intervalltypen unter einen Hut. Sehr nützlich ist auch:

Definition (zwischen zwei Punkten)

Seien x, y, z  ∈  . Dann liegt z zwischen x und y (bzgl. <), falls gilt:

x < z < y  oder  y < z < x.(zwischen zwei Punkten)

Analog liegt z zwischen x und y bzgl. ≤, falls dies mit ≤ anstelle von < gilt.

 Da in Anwendungen die strikte Version häufiger vorkommt, bedeutet im Folgenden „z liegt zwischen x und y“ stets „x < z < y“, wenn nicht „bzgl. ≤“ explizit dabeisteht. Kurz: Wir lassen „bzgl. <“ oft weg. Allgemein:

Relationales Zwischen

Ist R eine zweistellige Relation auf einer Menge M, so können wir für alle a, b, c  ∈  M definieren: b liegt zwischen a und c (bzgl. R), falls a R b R c oder c R b R a. Für die Relationen < und ≤ auf  erhalten wir obige Begriffe.

Beispiele

(1)

Die 1 liegt zwischen 0 und 2. Die 1 liegt zwischen 2 und 0.

(2)

Die 2 liegt nicht zwischen 0 und 2. Die 2 liegt zwischen 0 und 2 bzgl. ≤.

 Eine Menge reeller Zahlen ist genau dann ein Intervall, wenn sie mit je zwei Punkten auch jeden Zwischenpunkt als Element enthält. Leicht zu sehen ist:

Satz (Charakterisierungen von zwischen)

Für alle x, y, z  ∈   sind äquivalent:

(a)

z liegt zwischen x und y.

(b)

z  ∈  ] min(x, y), max(x, y} [.

(c)

(x − z)(y − z)  <  0. (Produkt der Differenzen)

Monotonie für Funktionen

 Die Ordnung auf  führt zu Monotoniebegriffen für reelle Funktionen:

Definition (monoton steigend, monoton fallend)

Sei P ⊆ , und sei f : P  . Dann heißt f

(a)

monoton steigend, falls für alle x ≤ y in P gilt, dass f (x) ≤ f (y),

(b)

monoton fallend, falls für alle x ≤ y in P gilt, dass f (x) ≥ f (y),

(c)

streng monoton steigend, falls für alle x < y in P gilt, dass f (x) < f (y),

(d)

streng monoton fallend, falls für alle x < y in P gilt, dass f (x) > f (y),

(e)

(streng) monoton, falls f (streng) monoton steigend oder (streng) monoton fallend ist.

 „Monoton steigend“ bedeutet, dass f die Ordnung ≤ respektiert. „Monoton fallend“ entspricht einer Ordnungsumkehr. Analoges gilt für < und >.

 Anstelle von „monoton steigend“ ist auch die Sprechweise „monoton wachsend“ üblich. Das Gegenstück „monoton schrumpfend“ wird nicht verwendet.

Beispiele

(1)

Eine streng monotone Funktion ist injektiv und damit umkehrbar. Die Funktion f : [ 0, 2 ]   mit

f (x)  =  x  für x  ∈  [ 0, 1 ],  f (x)  =  3 − x  für x  ∈  ] 1, 2 ]

ist dagegen injektiv, aber nicht streng monoton. Im Abschnitt über Stetigkeit gehen wir diesen Zusammenhängen genauer nach.

(2)

Eine konstante Funktion ist monoton fallend und monoton steigend.

(3)

Sei sq :    die reelle Quadratfunktion mit sq(x) = x2 für alle x  ∈  . Dann ist die Einschränkung sq|[ 0, ∞ [ von sq auf [ 0, ∞ [ streng monoton steigend. Analog ist sq|] −∞, 0 ] streng monoton fallend. Äquivalent hierzu ist, dass für alle x, y  ∈  gilt:

0 ≤ x < y  impliziert  x2 < y2,  x < y ≤ 0  impliziert  x2 > y2.