Monotone Teilfolgen
Als erste Anwendung des Satzes von Bolzano-Weierstraß zeigen wir:
Satz (Existenz monotoner Teilfolgen)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine Folge in ℝ. Dann existiert eine Teilfolge von (xn)n ∈ ℕ, die konstant, streng monoton fallend oder streng monoton steigend ist.
Beweis
Sei (xn)n ∈ ℕ nach oben unbeschränkt. Wir setzen i0 = 0 und definieren rekursiv
in + 1 = „das kleinste i > in mit xi > xin“ für alle n ∈ ℕ.
Nach Konstruktion ist (xin)n ∈ ℕ streng monoton steigend (und aufgrund der minimalen Wahl gilt limn xin = ∞). Analog finden wir eine streng monoton fallende Teilfolge, falls (xn)n ∈ ℕ nach unten unbeschränkt ist.
Wir nehmen also an, dass (xn)n ∈ ℕ beschränkt ist. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß existiert eine konvergente Teilfolge (yn)n ∈ ℕ der Folge. Wir zeigen, dass diese Folge eine konstante oder streng monotone Teilfolge besitzt. Dies genügt (denn eine Teilfolge einer Teilfolge einer Folge ist eine Teilfolge der Folge). Wir setzen hierzu
y = limn yn.
1. Fall: yn = y für unendlich viele n.
Dann gibt es eine Teilfolge (yin)n ∈ ℕ mit yin = y für alle n. Diese Folge ist konstant.
2. Fall: y < yn für unendlich viele n.
Sei i0 derart, dass y < yi0. Wir definieren rekursiv:
in + 1 = „das kleinste i > in mit y < yi < yin“.
Ein solches i existiert, da y < yn für unendlich viele n und limn yn = y. Nach Konstruktion ist (yin)n ∈ ℕ streng monoton fallend.
3. Fall: yn < y für unendlich viele n.
Analog zum zweiten Fall erhalten wir eine streng monoton steigende Teilfolge von (yn)n ∈ ℕ.
Aus dem Satz und der Konvergenz beschränkter monotoner Folgen ergibt sich:
Korollar (Satz von Bolzano-Weierstraß, starke Form)
Jede beschränkte Folge (xn)n ∈ ℕ in ℝ besitzt eine konvergente Teilfolge, die konstant, streng monoton fallend oder streng monoton steigend ist.
Wir geben noch einen zweiten (weniger konstruktiven) Beweis des Satzes, der den Satz von Bolzano-Weierstraß nicht verwendet.
Zweiter Beweis des Satzes über monotone Teilfolgen
Sei (xn)n ∈ ℕ gegeben. Wir nennen ein n für diesen Beweis einen Aufwärts-Index der Folge, falls gilt:
(+) xn ≤ xk für alle k > n.
(Anschaulich: xn ist ein Minimum der Folge mit Blick nach vorne.)
Wir unterscheiden zwei Fälle.
1. Fall: Es gibt unendlich viele Aufwärts-Indizes.
Sei (in)n ∈ ℕ eine streng monoton steigende Aufzählung der Aufwärts-Indizes. Dann gilt nach (+):
xin ≤ xin + 1 für alle n.
Damit ist (yn)n ∈ ℕ = (xin)n ∈ ℕ eine monoton steigende Teilfolge von (xn)n ∈ ℕ. Gibt es ein n0 mit yn = yn0 für alle n ≥ n0, so erhalten wir eine konstante Teilfolge durch Entfernung eines Anfangsstücks. Andernfalls erhalten wir eine streng monoton steigende Teilfolge durch erneute Ausdünnung (j0 = 0, jn + 1 = „das kleinste j > jn mit yjn < yj“).
2. Fall: Es gibt höchstens endlich viele Aufwärts-Indizes.
Sei i0 größer als alle Aufwärts-Indizes. Wir definieren rekursiv:
in + 1 = „das kleinste i > in mit xin + 1 < xin“.
Ein solches i existiert, da in kein Aufwärts-Index ist. Die Teilfolge (xin)n ∈ ℕ ist nach Konstruktion streng monoton fallend.
Wie oben ergibt sich das Korollar. Damit haben wir einen neuen Beweis des Satzes von Bolzano-Weierstraß (in der verstärkten Version) gefunden.
Beispiele
(1) | Wir betrachten die Folge 1, − 1/2, 1, − 1/4, 1, − 1/8, … Genau die ungeraden Stellen sind Aufwärtsindizes. Die konstruierte streng monoton steigende Teilfolge ist − 1/2, − 1/4, − 1/8, … |
(2) | Die Folge 1, 1/2, 1, 1/4, 1, 1/8, … hat keine Aufwärtsindizes. Mit i0 = 0 erhalten wir die streng monoton fallende Teilfolge 1, 1/2, 1/4, … |