Elementare Bestimmung von unendlichen Summen

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 Reihen lassen sich nur selten einfach berechnen. Wir stellen verschiedene elementare Methoden vor und zeigen mit jeder Methode:

Satz (n ≥ 1 1/(n (n + 1)))

n ≥ 1 1n(n + 1)  =  11 · 2  +  12 · 3  +  13 · 4  +  …  =  1.

Methode 1:  Raten der Partialsummen und vollständige Induktion

 Völlig legitim ist es, einige Partialsummen experimentell zu berechnen und dann die allgemeine Form für die Partialsummen sn zu raten. Mit Hilfe von Induktion lässt sich die Vermutung dann oft leicht verifizieren. Für die Reihe des Satzes berechnen wir

s1  =  12,  s2  =  12  +  16  =  23,  s3  =  23  +  112  =  34,

s4  =  34  +  120  =  45,  s5  =  45  +  130  =  56. 

Wir vermuten nun, dass sn = n/(n + 1) für alle n ≥ 1 und beweisen dies durch vollständige Induktion. Damit gilt also:

n ≥ 1 1n(n + 1)  =  limn ≥ 1 nn + 1  =  1.

Methode 2:  Algebraische Bestimmung der Partialsummen

 Manchmal lassen sich die Partialsummen durch algebraische Umformung bestimmen. Für die Reihe des Satzes zeigt die Partialbruchzerlegung

1n (n + 1)  =  1n  −  1n + 1  für alle n ≥ 1, dass

sn  =  1 ≤ k ≤ n 1k (k + 1)  =  1 ≤ k ≤ n (1k − 1k + 1)  =  1 − 1n + 1  =  nn + 1.

Wie bei der ersten Methode folgt, dass die Reihe gegen 1 konvergiert.

 Mit ähnlichen Überlegungen kann man die Partialsummen für die Summanden xn = 1/(n (n + 1) (n + 2)), n ≥ 1, berechnen und damit zeigen, dass

n ≥ 1 1n (n + 1) (n + 2)  =  11 · 2 · 3  +  12 · 3 · 4  +  13 · 4 · 5  +  …  =  14.

Methode 3:  Reverse Engineering

 Für eine beliebige Folge (sn)n  ∈   reeller Zahlen können wir durch Differenzenbildung immer eine Folge (xn)n  ∈   finden, die (sn)n  ∈   als Folge der Partialsummen besitzt. Wir setzen hierzu

x0  =  s0,  xn  =  sn − sn − 1  für alle n ≥ 1.

Dann gilt für alle n:

k ≤ n xk  =  x0  +  1 ≤ k ≤ n xk  =  s0  +  1 ≤ k ≤ n (sk − sk − 1)  =  s0  +  (sn − s0)  =  sn,

sodass (sn)n  ∈   = ∑n ∈  xn. Ist nun der Limes s von (sn)n  ∈   bekannt, so gilt für die konstruierten Summanden xn, dass

n xn  =  limn sn  =  s.

Beispiel

Wir betrachten die Folge

(sn)n  ∈    =  (nn + 1)n  ∈  ,

deren Grenzwert 1 wir kennen. Für die Differenzen gilt

sn  −  sn − 1  =  nn + 1  −  n − 1n  =  1n (n + 1)  für alle n ≥ 1.

Setzen wir also

x0  =  s0  =  0,  xn  =  1n (n + 1)  für alle n ≥ 1, so gilt

n xn  =  limn sn  =  1.

 Nach Definition ist jede Reihe eine Folge. Die Konstruktion der dritten Methode zeigt, dass auch die Umkehrung gilt:

Jede Folge ist eine Reihe.

Der Leser betrachte hierzu nochmal obige xn-sn-Diagramme. Gegeben die Summanden xn lassen sich die Partialsummen sn berechnen. Genauso lassen sich aber die xn berechnen, wenn die sn gegeben sind.