Geometrische Reihen als Majoranten
Das Majorantenkriterium und die geometrische Reihe liefern:
Satz (Majorisierung durch eine geometrische Reihe)
Sei ∑n xn eine Reihe in ℝ. Weiter seien x ∈ [ 0, 1 [, a ≥ 0 und n0 ∈ ℕ mit
|xn| ≤ a xn für alle n ≥ n0.
Dann konvergiert ∑n xn absolut, und es gilt
∑n ≥ n0 |xn| ≤ a .
Im Fall n0 = 0 gilt speziell
∑n |xn| ≤ a1 − x.
Beweis
Die Konvergenz folgt aus dem Majorantenkriterium. Weiter gilt
∑n ≥ n0 |xn| | ≤ a ∑n ≥ n0 xn = a (∑n xn − ∑k < n0 xn) |
= a (11 − x − ) = a . |
Hieraus erhalten wir:
Korollar (Wurzelkriterium)
Sei ∑n xn eine Reihe in ℝ. Dann gilt:
(a) | Gibt es ein x ∈ [ 0, 1 [ und ein n0 mit n ≤ x für alle n ≥ n0, (Wurzelbedingung für x) so konvergiert ∑n xn absolut. Genauer gilt dann ∑n ≥ n0 |xn| ≤ (und ∑n |xn| ≤ (1 − x)−1 im Fall n0 = 0) |
(b) | Gilt n ≥ 1 für unendlich viele n, so divergiert ∑n xn. |
Beweis
zu (a): Aufgrund der Wurzelbedingung gilt |xn| ≤ xn für alle n ≥ n0. Damit folgt die Aussage aus dem Satz (mit a = 1).
zu (b): Gilt (b), so ist |xn| ≥ 1 unendlich oft und damit (xn)n ∈ ℕ keine Nullfolge. Also ist ∑n xn divergent.
Der ungünstige Fall
Durch das Wurzelkriterium wird der Fall
n < 1 für alle n ≥ n0, supn ≥ n0 n = 1
nicht abgedeckt. Die Reihen ∑n ≥ 1 1/n und ∑n ≥ 1 1/n2 zeigen, dass in diesem Fall sowohl Divergenz als auch Konvergenz vorliegen kann. Das Wurzelkriterium ist nicht anwendbar (vgl. auch die Diagramme unten).
Auch das folgende schwächere, aber oft einfacher zu überprüfende Kriterium nutzt die Majorisierung durch eine geometrische Reihe:
Satz (Quotientenkriterium)
Seien ∑n xn eine Reihe in ℝ, n0 ∈ ℕ und xn ≠ 0 für alle n ≥ n0. Dann gilt:
(a) | Gibt es ein x ∈ [ 0, 1 [ mit | xn + 1xn | ≤ x für alle n ≥ n0, (Quotientenbedingung für x) so konvergiert ∑n xn absolut. Genauer gilt dann ∑n ≥ n0 |xn| ≤ . |
(b) | Existiert ein n0 mit |xn + 1/xn| ≥ 1 für alle n ≥ n0, so divergiert ∑n xn. |
Beweis
Wir zeigen (a) für den Fall n0 = 0. Der Rest sei dem Leser überlassen. Es gelte also die Quotientenbedingung für x für alle n. Dann gilt
|x1| ≤ |x0| x, |x2| ≤ |x1| x ≤ |x0| x2, …
Induktiv folgt
(+) |xn| ≤ |x0| xn für alle n.
Also ist die Reihe |x0| ∑n xn eine Majorante von ∑n xn, sodass
∑n |xn| ≤ |x0| ∑n xn = |x0|1 − x.
Die Bedingung „|xn + 1/xn| ≤ x“ führt also zur Majorisierung der Reihe ∑n xn durch eine um |x0| skalierte geometrische Reihe. Diese Majorisierung ist aber nicht äquivalent zu „|xn + 1/xn| ≤ x“, da sie ja zum Beispiel für Reihen erfüllt sein kann, für die xn = xn + 1 für unendlich viele n gilt. Damit nutzt das Quotientenkriterium das Potential der geometrischen Majorisierung nicht voll aus.
Der ungünstige Fall
Durch das Quotientenkriterium wird der Fall
| xn + 1xn | < 1 für alle n ≥ n0, supn ≥ n0 | xn + 1xn | = 1
nicht abgedeckt. Die Reihen ∑n ≥ 1 1/n und ∑n ≥ 1 1/n2 liefern erneut Beispiele. Das Quotientenkriterium ist nicht anwendbar.
Dem Leser wird vielleicht aufgefallen sein, dass die Divergenzaussage (b) im Quotientenkriterium anders ist als im Wurzelkriterium. In der Tat ist die Bedingung „|xn + 1/xn| ≥ 1 für unendlich viele n“ nicht hinreichend für die Divergenz der Reihe.
Beispiel
Wir betrachten die gegen 2 konvergente Reihe
121 + 120 + 123 + 122 + 125 + 124 + …,
die aus der geometrischen Reihe für 1/2 durch paarweises Vertauschen der Summanden hervorgeht. Für diese Reihe gilt
limn n = 1/2.
Die Wurzelbedingung gilt also zum Beispiel für x = 3/4. Das Quotientenkriterium ist nicht anwendbar, da |xn + 1/xn| = 2 für unendlich viele n.
WK: | Konvergenz |
QK: | Konvergenz |
WK: | Divergenz |
QK: | Divergenz |
WK: | Divergenz |
QK: | nicht anwendbar |
WK: | nicht anwendbar |
QK: | nicht anwendbar |
In den Diagrammen ist yn = n oder yn = |xn + 1/xn|, je nachdem, ob das Wurzelkriterium (WK) oder das Quotientenkriterium (QK) für die Reihe ∑n xn verwendet wird. Zudem ist angegeben, welche Aussage die Kriterien liefern.