Die Arkusfunktionen
Zur Bildung von Umkehrfunktionen betrachten wir die folgenden natürlichen Einschränkungen der trigonometrischen Funktionen:
sin0 = sin ↾ [ −π/2, π/2 ], | cos0 = cos ↾ [ 0, π ], |
tan0 = tan ↾ ] −π/2, π/2 [, | cot0 = cot ↾ ] 0, π [. |
Unsere Analyse hat gezeigt:
Satz (Wachstumsverhalten der eingeschränkten trigonometrischen Funktionen)
Die Funktionen sin0 und tan0 sind streng monoton steigend, und die Funktionen cos0 und cot0 sind streng monoton fallend. Der Wertebereich von sin0 und cos0 ist [ −1, 1 ], und der Wertebereich von tan0 und cot0 ist ℝ.
Damit können wir die Umkehrfunktionen bilden:
Definition (Arkusfunktionen)
Wir definieren den Arkussinus arcsin : [ −1, 1 ] → ℝ, den Arkuskosinus arccos : [ −1, 1 ] → ℝ, den Arkustangens arctan : ℝ → ℝ und den Arkuskotangens arccot : ℝ → ℝ durch:
arcsin = sin0−1, arccos = cos0−1, arctan = tan0−1, arccot = cot0−1.
Die Bezeichnung geht auf lateinisch „arcus“ = „Bogen“ zurück. In der Tat sind |arcsin x| und arccos x die Längen gewisser Bögen des Einheitskreises.
Gebräuchlich ist auch die Schreibweise sin−1x für arcsin x, wobei diese Notation aufgrund der möglichen Verwechslung mit sin(x)−1 = 1/sin x nicht ungefährlich ist. Analoges gilt für die anderen Arkusfunktionen.
Alle Arkusfunktionen sind stetig und erben das Monotonieverhalten ihrer definierenden Funktionen. Es ergeben sich die folgenden Bijektionen:
arcsin : [ −1, 1 ] → [ −π/2, π/2 ], | arccos : [ −1, 1 ] → [ 0, π ], |
arctan : ℝ → ] −π/2, π/2 [, | arccot : ℝ → ] 0, π [. |
Es gilt sin(arcsin x) = x für alle x in [ −1, 1 ], während arcsin(sin x) = x nur für x ∈ [ −π/2, π/2 ] erfüllt ist, also für einen kleinen, wenn auch repräsentativen Teil des Definitionsbereichs des Sinus. Analoges gilt für die Verknüpfung von Kosinus und Arkuskosinus.
Der Durchschnitt der Wertebereiche des Arkussinus und Arkuskosinus ist das Intervall [ 0, π/2 ]. Ist (x, y) ein Punkt des Einheitskreises im ersten Quadranten, so ist arccos(x) = arcsin(y), und der gemeinsame Wert ist der dem Punkt entsprechende Winkel. Denn dann gibt es ein t ∈ [ 0, π/2 ] mit (x, y) = (cost, sint), und es gilt
arccos x = arccos(cos t) = t, arcsin y = arcsin(sin t) = t.
Der Leser überlege sich, welche Beziehungen zwischen arccos x und arcsin y für die anderen Punkte (x, y) des Einheitskreises bestehen.
Bemerkenswerte Eigenschaften sind:
Satz (Verknüpfungseigenschaften der Arkusfunktionen)
Für alle x gilt unter der Voraussetzung der Definiertheit:
(a) | sin(arccos x) = cos(arcsin x) = , |
(b) | sin(arccot x) = cos(arctan x) = . |
Der Beweis kann dem Leser überlassen bleiben.
Der Arkustangens spielt eine prominente Rolle bei der Berechnung des Arguments einer komplexen Zahl. Ist (x, y) ∈ ℝ2 mit x > 0, so sind (r, φ) mit
r = |(x, y)| = , φ = arctan(y/x)
Polarkoordinaten von (x, y) mit φ ∈ ] −π/2, π/2 [. Für die anderen Quadranten sind Korrekturwinkel notwendig. Wir besprechen dies in den Übungen genauer.