Die Logarithmus- und Arkustangensreihe

 Das gliedweise Differenzieren erlaubt manchmal das Auffinden der Potenzreihendarstellung. Die beiden folgenden Sätze sind berühmte Beispiele hierfür. Ihre Beweise beruhen darauf, dass wir die vergleichsweise einfachen Ableitungen des Logarithmus und des Arkustangens mit Hilfe der geometrischen Reihe in Potenzreihen entwickeln können. Da sich zwei differenzierbare Funktionen auf einem Intervall mit identischer Ableitung lediglich um eine Konstante unterscheiden, können wir die Potenzreihen der Ableitungen leicht zu Potenzreihen „zurückrechnen“, die die Ausgangsfunktionen darstellen.

Satz (Logarithmus-Reihe oder Mercator-Reihe)

Für alle x  ∈  ] −1, 1 [ gilt

log (x + 1)  =  n ≥ 1 (−1)n − 1 xnn  =  x  −  x22  +  x33  −  …

Beweis

Die Potenzreihe

n ≥ 1 (−1)n − 1 xnn

konvergiert auf dem Intervall ] −1, 1 [ gegen eine differenzierbare Funktion f. Gliedweises Differenzieren zeigt, dass

f ′(x)  =  n (−1)n xn  für alle x  ∈  ] −1, 1 [.

Andererseits gilt für alle x  ∈  ]−1, 1 [ (geometrische Reihe):

ddx log(x + 1)  =  11  +  x  =  n (− x)n  =  n (−1)n xn.

Damit existiert ein c  ∈   mit

f (x)  −  log(x + 1)  =  c  für alle x  ∈  ] −1, 1 [.

Wegen f (0) = 0 = log(1 + 0) ist c = 0, und dies zeigt die Behauptung.

 Analog gewinnen wir:

Satz (Arkustangens-Reihe oder Gregory-Reihe)

Für alle x  ∈  ] −1, 1 [ gilt

arctan(x)  =  n (−1)n x2n + 12n + 1  =  x  −  x33  +  x55  −  …

Beweis

Die Potenzreihe

n (−1)n x2n + 12n + 1

konvergiert auf ] −1, 1 [ gegen eine differenzierbare Funktion f mit

f ′(x)  =  n (−1)n x2n  für alle x  ∈  ] −1, 1 [.

Aus f (0) = arctan(0) folgt die Behauptung, da für alle x  ∈  ] −1, 1 [ auch

ddx arctan x  =  11  +  x2  =  n (− x2)n  =  n (−1)n x2n.

 Wir werden gleich sehen, dass die Potenzreihenentwicklungen auch für den Punkt 1 gelten. (Für den Logarithmus wissen wir dies bereits, vgl. 4. 6.)

analysis1-AbbID185

f (x) = log(x + 1) und einige fn mit fn(x)  =  Tn0f (x)  =  1 ≤ k ≤ n (−1)k − 1 xkk

analysis1-AbbID186

g(x) = arctan(x) und einige gn mit gn(x)  =  Tn0g (x)  =  k ≤ n (−1)k x2k + 12k + 1

Ausblick in die komplexen Zahlen

Der Radius R = 1 für die Arkustangensreihe wird erst in  klar: Die komplexe Arkustangensfunktion hat Polstellen bei i und −i, was R ≤ 1 für p = 0 erzwingt. Analog gilt R ≤ 2 für p = 1 (Abstand von p und i bzw. −i):

analysis1-AbbID186a

hn  =  Tn1arctan (x)