2. Bezüge zur Schulmathematik
Wir betrachten, wie, wann und welche der in diesem Buch behandelten Themen am Gymnasium typischerweise unterrichtet werden. Exemplarisch wird hierzu der seit 2004 gültige Bayerische Lehrplan für das Fach Mathematik am achtjährigen Gymnasium herangezogen, aus dem im Folgenden zitiert wird. Die Anordnung der Themen entspricht dabei in etwa den ihnen entsprechenden Jahrgangsstufen.
Rationale Zahlen
Rationale Zahlen und das Rechnen mit ihnen bilden ein zentrales Thema der sechsten Klasse. Dabei werden auch Dezimalzahlen eingeführt:
„Die bereits aus Jahrgangsstufe 5 im Zusammenhang mit Größen vertraute Kommaschreibweise wird jetzt mithilfe von Brüchen erklärt und systematisch ausgebaut. Dabei finden die Schüler Zusammenhänge zwischen der Primfaktorzerlegung des Nenners und der Möglichkeit, den Bruch als endlichen Dezimalbruch darzustellen. Bereits hier können auch unendliche Dezimalbrüche zur Sprache kommen.“ (M 6. 1. 2)
Beim Erlernen der Rechenregeln der vier Grundrechenarten kommen auch periodische Dezimalbrüche zur Sprache:
„Die Schüler lernen, positive Brüche zu multiplizieren und zu dividieren. Davon ausgehend finden sie Regeln für die entsprechenden Rechenoperationen bei Dezimalzahlen … Die Kinder lernen periodische Dezimalbrüche kennen …“ (M 6. 2. 2)
Funktionsbegriff
Der Funktionsbegriff wird in der achten Klasse eingeführt:
„Mit der Funktion wird ein zentraler mathematischer Begriff erarbeitet, der als universelles Hilfsmittel für das Mathematisieren von Zusammenhängen dient. Die Schüler beschäftigen sich näher mit linearen und einfachen gebrochen-rationalen Funktionen und üben beim Umgang damit auch Kalküle ein, die für Anwendungen in naturwissenschaftlichen Fächern und für nachfolgende Jahrgangsstufen notwendig sind.“ (Vorspann zu M8)
In den Folgejahren wird der Funktionsbegriff vor allem durch die Analyse von Funktionsgraphen anschaulich ausgebaut. Hierunter fällt auch der Grenzwertbegriff für Funktionen und die Entwicklung der Differentialrechnung (s. u.).
Reelle Zahlen
In der neunten Klasse wird die Unvollständigkeit der rationalen Zahlen thematisiert:
„Die Schüler erkennen, dass die Menge der rationalen Zahlen sich zur Lösung bestimmter Problemstellungen als nicht ausreichend erweist. Beim Übergang zur Zahlenmenge der reellen Zahlen werden Probleme angesprochen, die bereits in der Mathematik und Philosophie der griechischen Antike … eine große Rolle spielten.“ (Vorspann M9)
Beim Kennenlernen der reellen Zahlen spielen dann die Quadratwurzeln eine Schlüsselrolle:
„… Über den Wurzelbegriff lernen sie reelle Zahlen kennen, mithilfe numerischer Verfahren bestimmen sie exemplarisch die Dezimalbruchentwicklung irrationaler Zahlen. Schließlich erarbeiten sie Rechenregeln für Wurzeln und üben den Umgang mit Wurzeltermen.“ (M 9. 1)
Die Lösungsformel für quadratische Gleichungen wird ebenfalls in der neunten Klasse behandelt:
„Die Jugendlichen machen sich mit Funktionen zweiten Grades und deren Graphen vertraut. Die Frage nach Nullstellen führt sie dabei unmittelbar zu quadratischen Gleichungen. Bei paralleler Betrachtung von Funktionsgraph und entsprechender Gleichung entwickeln sie Verständnis dafür, wie sich die Änderung von Koeffizienten eines quadratischen Funktionsterms auf Form und Lage der zugehörigen Parabel, auf deren Achsenpunkte und damit auf die Lösungen der entsprechenden Gleichungen auswirkt. Gleichzeitig lernen sie graphische und rechnerische Verfahren zum Lösen quadratischer Gleichungen kennen und erarbeiten sich die allgemeine Lösungsformel. Dabei lernen sie die binomischen Formeln als nützliches Hilfsmittel kennen.“ (M 9. 2. 1)
Schließlich werden auch allgemeine Wurzeln und die Exponentiation für rationale Exponenten eingeführt:
„Die Schüler verallgemeinern ihre Kenntnisse über Quadratwurzeln und übertragen die aus den vorherigen Jahrgangsstufen bekannten Rechenregeln auf Potenzen mit rationalen Exponenten, wobei sie auch Grundlagen für die Beschäftigung mit Exponentialfunktionen erwerben.“ (M 9. 3)
Die trigonometrischen Funktionen
Dem Sinus, Kosinus und Tangens begegnen die Schüler zum ersten Mal im Geometrieunterricht der neunten Klasse:
„Bei der Beschäftigung mit den Zusammenhängen zwischen Winkelmaßen und Seitenlängen in rechtwinkligen Dreiecken werden Sinus, Kosinus und Tangens für spitze Winkel definiert.“ (M 9. 5. 2)
In der zehnten Jahrgangsstufe werden Sinus und Kosinus dann schließlich als Funktionen auf den reellen Zahlen betrachtet, und erneut wird die Veranschaulichung durch Graphen betont:
„Beispielsweise bei Fragen der Landvermessung erkennen die Schüler, dass die bisherige Definition trigonometrischer Funktionen verallgemeinert werden muss. Mit Sinus- und Kosinussatz erwerben sie Hilfsmittel, die ihnen Berechnungen an beliebigen ebenen Dreiecken erlauben. Die Schüler ergänzen die Menge der ihnen bereits bekannten Funktionen durch die Sinus- und Kosinusfunktion. Sie lernen Periodizität als ein neues, charakteristisches Merkmal von Funktionen kennen und untersuchen den Einfluss von Parametern im Funktionsterm auf die Graphen der Sinus- und Kosinusfunktion. Dabei nutzen sie die Möglichkeit zur Veranschaulichung mithilfe von Funktionsplottern.“ (M 10. 2)
Die Kreiszahl π
Die Formeln für Umfang und Flächeninhalt von Kreisen werden bereits in der achten Klasse gelernt. In der zehnten Klasse wird das Thema dann im Rahmen von Approximationsprozessen vertieft:
„… Aufbauend [ auf Grundkenntnissen aus der 8. Klasse ] betrachten [ die Schüler ] nun leistungsstärkere Näherungsverfahren zur Bestimmung der Kreiszahl π und erkennen die Notwendigkeit, Grenzprozesse durchzuführen. Am Beispiel der Kugel wird veranschaulicht, dass ähnliche Grenzprozesse auch bei räumlichen Betrachtungen angewendet werden können … Die Schüler ermitteln mithilfe eines numerischen Verfahrens Näherungswerte für π. Dabei werden sie von elektronischen Hilfsmitteln wie einem Tabellenkalkulationsprogramm unterstützt. Sie erfahren, dass sich Gelehrte seit über zweitausend Jahren immer wieder mit der Kreiszahl π und der „Quadratur des Kreises“ beschäftigt haben.“ (M 10.1 und 10. 1. 1)
Zur Sprache kommt in diesem Zusammenhang auch das Bogenmaß.
Exponentialfunktionen und Logarithmen
Die Exponentialfunktionen zu einer positiven Basis a lernen die Schüler in der zehnten Klasse kennen, basierend auf den in der neunten Klasse gesammelten Erfahrungen mit rationalen Exponenten:
„Vielfältige Beispiele aus Natur, Technik und Wirtschaft machen den Jugendlichen die große Bedeutung von Wachstums- und Zerfallsprozessen bewusst; beispielsweise beim Bevölkerungswachstum bzw. beim radioaktiven Zerfall erkennen sie, dass Wachstums- und Abklingprozesse häufig durch Exponentialfunktionen modelliert werden können. Aufbauend auf ihrem Wissen über Potenzen lernen sie die Exponentialfunktion sowie deren charakteristische Eigenschaften kennen und stellen insbesondere am Verlauf der zugehörigen Funktionsgraphen fest, wie sich exponentielles von linearem Wachstum unterscheidet.“ (M 10. 3)
Exponentialgleichungen führen zu Logarithmen und ihren Rechengesetzen:
„Bei unterschiedlichen Problemstellungen, z. B. bei Altersbestimmungen, stellen die Jugendlichen Exponentialgleichungen auf, deren Lösung zur Definition des Logarithmus führt. Die Jugendlichen lernen, mit Logarithmen umzugehen.“ (M 10. 3)
Die Eulersche Zahl e und die natürliche Exponential- und Logarithmusfunktion werden dagegen erst in der elften Klasse im Rahmen der Differentialrechnung eingeführt (s. u.).
Grenzwertbegriff und Limesnotation
Neben den betrachteten Grenzprozessen im Umfeld von π wird in der zehnten Klasse auch der uneigentliche Grenzwertbegriff für Funktionen anschaulich eingeführt:
„Anhand des unterschiedlichen Verhaltens von Funktionen an den Rändern ihres jeweiligen Definitionsbereichs gewinnen die Schüler aus der Anschauung heraus einen Grenzwertbegriff und verwenden erstmals systematisch die Grenzwertschreibweise [ für x → ± ∞ ].“ (M 10. 5. 2)
In der elften Klasse wird dann auch das Konvergenzverhalten einer Funktion an einem Punkt betrachtet:
„Seit Jahrgangsstufe 8 kennen die Schüler Beispiele für gebrochen rationale Funktionen. Sie vertiefen nun ihre Kenntnisse über diesen Funktionstyp und erweitern den aus der Anschauung gewonnenen Grenzwertbegriff für x → ± ∞ auf den Fall x → x0. Den Grobverlauf eines Graphen erschließen sie sich durch Analyse des Funktionsterms. Dabei berücksichtigen die Schüler auch schräge Asymptoten, wenn deren Gleichung unmittelbar aus dem jeweiligen Funktionsterm ersichtlich ist.“ (M 11. 1. 1)
Die Diskussion eines Grenzwertbegriffs für Folgen ist nicht verbindlich vorgesehen.
Stetigkeit
Eine Behandlung des Stetigkeitsbegriffs wird im aktuellen bayerischen Lehrplan nicht vorgeschrieben. Auf der Basis des in der zehnten und elften Klasse anschaulich gewonnenen Grenzwertbegriffs für Funktionen wird direkt zur Differential- und Integralrechnung übergegangen:
„Anhand von Funktionen, bei denen sich in der Regel die Frage nach der Stetigkeit nicht stellt, erarbeiten die Schüler nun Methoden der Differential- und Integralrechnung.“ (Vorspann M11/12)
Differentialquotienten und Ableitungsregeln
Die Differentialrechnung beginnt in der elften Klasse mit der Untersuchung von Differenzenquotienten und elementaren Grenzübergängen:
„Ausgehend von graphischen Betrachtungen und numerischen Untersuchungen des Differenzenquotienten lernen die Jugendlichen den Differentialquotienten als Grenzwert kennen. Sie verstehen ihn als geeignetes Maß zur Beschreibung lokaler Änderungsraten und deuten ihn geometrisch am Graphen. Die dabei benötigten Grenzwerte ermitteln sie mithilfe elementarer Termumformungen. Die Schüler lernen die Betragsfunktion als eine Funktion kennen, die an einer Stelle ihres Definitionsbereichs nicht differenzierbar ist, und interpretieren diese Eigenschaft auch graphisch.“ (M 11. 1. 2)
Nach diesen lokalen Erfahrungen werden Ableitungsfunktionen eingeführt und die Ableitungsregeln etabliert, mit deren Hilfe rationale Funktionen differenziert werden können. In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der Stammfunktion:
„Lokal ermittelte Werte für die Ableitung führen zum Begriff der Ableitungsfunktion. Die Schüler lernen, Potenzfunktionen mit ganzzahligen Exponenten zu differenzieren, und erarbeiten Regeln, die es ihnen erlauben, rationale Funktionen abzuleiten. Die Aufgabe, zu gegebener Ableitungsfunktion eine zugehörige Funktion zu finden, führt die Jugendlichen zum Begriff der Stammfunktion …“ (M 11. 1. 3)
Die Ableitung von Sinus und Kosinus wird untersucht, und die Kettenregel wird im Zusammenhang mit der Wurzelfunktion diskutiert:
„Die Jugendlichen treffen beispielsweise bei der Untersuchung naturwissenschaftlicher Fragestellungen erneut auf die Sinus- und Kosinusfunktion, deren Ableitungsfunktionen sie sich auf graphischem Weg plausibel machen.
Der Übergang von der lokalen Umkehroperation zur zugehörigen Umkehrfunktion führt die Schüler von der Quadratfunktion zur Wurzelfunktion, die häufig auch in Verkettung mit anderen Funktionen auftritt. Sie lernen, mit diesem Funktionstyp umzugehen sowie die Kettenregel anzuwenden …“ (M 11. 3)
Anwendungen der Differentiation
Ausführlich werden „Monotonie und lokale Extrema“ und Extremwertprobleme diskutiert. Mit dem Newton-Verfahren wird ein iteratives Verfahren zur Nullstellenbestimmung vorgestellt:
„Die Schüler erkennen, dass mithilfe der Ableitungsfunktion präzisere Aussagen über den Verlauf von Funktionsgraphen und das Änderungsverhalten von Funktionen gemacht werden können. Mit dem Newton-Verfahren lernen sie, ein effizientes iteratives Verfahren anzuwenden, das mithilfe der Ableitung Näherungswerte für Nullstellen liefert, die sich mit den bisherigen Kenntnissen nicht berechnen lassen.“ (M 11. 1. 4)
Dem Krümmungsbegriff begegnen die Schüler nicht im Zusammenhang mit der zweiten Ableitung, sondern innerhalb der Integrationstheorie:
„Auf der Grundlage ihrer Kenntnisse über Grenzwerte aus Jahrgangsstufe 11 gewinnen die Schüler mit der Integration ein tragfähiges Verfahren zur Messung von Flächeninhalten. Sie erarbeiten die wesentlichen Begriffe und Konzepte und wenden diese zielgerichtet an. Dabei lernen sie auch, durch Untersuchung des Krümmungsverhaltens von Funktionsgraphen deren Verlauf präziser zu beschreiben.
Beispielsweise beim Erschließen des Verlaufs des Graphen einer Integralfunktion aus dem der Integrandenfunktion und aus deren Ableitung lernen die Schüler neben der Monotonie nun auch die Krümmung als Eigenschaft von Graphen kennen. Sie untersuchen das Krümmungsverhalten an Beispielen bisher bekannter Funktionstypen.“ (M 12. 1)
Die Eulersche Zahl e
Die Eulersche Zahl e wird in der elften Klasse durch das Problem der Ableitung der Exponentialfunktionen motiviert, und die natürliche Exponential- und Logarithmusfunktion wird untersucht:
„Die Schüler erkennen, dass sie noch nicht alle ihnen bekannten Funktionen differenzieren können. Beispielsweise bei der Frage nach der Ableitung der allgemeinen Exponentialfunktion lernen sie die Euler’sche Zahl e kennen. Hierbei bietet sich zur Abrundung der im Lauf der Gymnasialzeit aufgebauten Zahlvorstellung ein Rückblick auf die Zahlenbereichserweiterungen an.
Mithilfe anschaulicher Überlegungen erfassen die Jugendlichen den Zusammenhang zwischen den Graphen von natürlicher Exponential- und natürlicher Logarithmusfunktion. Durch Untersuchung einfacher Verknüpfungen der bisher bekannten Funktionen mit der natürlichen Exponential- und Logarithmusfunktion vertiefen sie ihre Kenntnisse.“ (M 11. 4)