Komposition und Produkt
Überraschenderweise sind die integrierbaren Funktionen nicht abgeschlossen unter Komposition (der Leser vergleiche dies mit den stetigen und den differenzierbaren Funktionen). Wir werden dies in den Übungen beweisen. Immerhin gilt aber:
Satz (Komposition einer stetigen und einer integrierbaren Funktion)
Sei f : [ a, b ] → [ c, d ] integrierbar, und sei g : [ c, d ] → ℝ stetig.
Dann ist h = g ∘ f integrierbar.
Wir begnügen uns hier mit dem Beweis einer etwas schwächeren Version, die aus didaktischer Sicht den Begriff der Lipschitz-Stetigkeit auffrischt. Der allgemeine Satz folgt unmittelbar aus dem Integrierbarkeitskriterium von Lebesgue, das wir im Ausblick vorstellen und im zweiten Abschnitt auch beweisen werden. Für viele Anwendungen genügt die schwächere Version.
Satz (Komposition einer Lipschitz-stetigen und einer integrierbaren Funktion)
Sei f : [ a, b ] → [ c, d ] integrierbar, und sei g : [ c, d ] → ℝ Lipschitz-stetig.
Dann ist h = g ∘ f integrierbar.
Beweis
Sei L > 0 eine Lipschitz-Konstante für g, sodass also
|g(y1) − g(y2)| ≤ L |y1 − y2| für alle y1, y2 ∈ [ c, d ].
Wir beweisen das Darbouxsche Integrierbarkeitskriterium. Sei also ε > 0. Da die Funktion f integrierbar ist, gibt es eine Partition p = (tk)k ≤ n von [ a, b ] mit
Spf − spf ≤ εL.
Dann gilt aber nach Wahl von L, dass
Sp(g ∘ f) − sp(g ∘ f)
= ∑k ≤ n supx1, x2 ∈ [ tk, tk + 1 ] |g(f (x1)) − g(f (x2))| (tk + 1 − tk)
≤ L ∑k ≤ n supx1, x2 ∈ [ tk, tk + 1 ] |f (x1) − f (x2)| (tk + 1 − tk)
= L (Spf − spf)
≤ L · ε/L = ε.
Mit einem algebraischen Trick können wir nun zeigen, dass das Produkt zweier integrierbarer Funktionen wieder integrierbar ist:
Satz (weitere Abgeschlossenheitseigenschaften)
Seien f, g : [ a, b ] → ℝ integrierbar. Dann sind auch die Funktionen
|f|, f 2, f g
integrierbar.
Beweis
Die Behauptungen über |f| und f 2 folgen aus der Lipschitz-Stetigkeit der Betrags- bzw. der Quadratfunktion auf dem aufgrund der Integrierbarkeit beschränkten Wertebereich von f. Die Integrierbarkeit des Produkts f g folgt nun aus der Integrierbarkeit von (f + g)2, (f − g)2 und der Polarisationsformel
f g = (f + g)2 − (f − g)24.