Ausblick
Berechnung des Gauß-Integrals
Wir zeigen so elementar wie möglich:
Satz (Gauß-Integral oder Euler-Poisson-Integral)
∫∞−∞e−x2 dx = , ∫∞−∞e−x2/2 dx = .
Der folgende trickreiche Beweis folgt einer Darstellung von Robert Weinstock aus dem Jahr 1990.
Beweis
Es genügt, das erste Integral zu berechnen (das zweite ergibt sich durch Skalierung von x2/2 = (x/)2, vgl. 1. 5). Wir definieren F, H : ℝ → ℝ durch
F(x) = ∫x0 e−t2 dt, H(x) = − ∫10 dt für alle x ∈ ℝ.
Die sog. Fehlerfunktion F ist bis auf einen Faktor 1/2 die Integralfunktion der Gauß-Funktion zum Startwert s = 0. Die Funktion H ist eine Hilfsfunktion. Der Wert H(0) kann kann durch den Arkustangens bestimmt werden, wodurch π ins Spiel kommen wird. Weiter ist limx → ∞ H(x) = 0.
Die Funktion H ist differenzierbar und die Ableitung von H ergibt sich durch Ableiten des Integranden in der Definition von H nach x (wir gehen unten hierauf gleich noch ein). Damit gilt:
H′(x) = ∫10e−x (1 + t2) dt = e−t2 dt = F().
Folglich gilt für alle b > 0 nach dem Hauptsatz I und II:
H(b) − H(0) | = ∫b0H′(x) dx = ∫b0 F() dx |
= 2 e−t2 F(t) dt = 2 F′(t) F(t) dt | |
= F(t)2′ dt = F()2 − F(0)2 = F()2. |
Wegen
H(0) = − ∫1011 + t2 dt = − = − π4
gilt also
limb → ∞ F()2 = π4 + limb → ∞ H(b) = π4 ,
sodass
∫∞−∞e−x2 dx = 2 limb → ∞ e−x2 dx = 2 limb → ∞ F() = .
Im Beweis haben wir H „unter dem Integral“ differenziert. Um diese Vertauschung von Limesbildung und Integration zu rechtfertigen, betrachten wir ein beliebiges x ∈ ℝ und eine Nullfolge (hn)n ∈ ℕ. Dann gilt
limn H(x + hn) − H(x)hn = limn ∫10 e− x (1 + t2) dt .
Die durch den Integranden rechts in der Variablen t bei festem x definierte Funktionenfolge (fn)n ∈ ℕ auf [ 0, 1 ] konvergiert gleichmäßig (da der Bruch gleichmäßig gegen 1 konvergiert). Nach dem Vertauschungssatz in 1. 3 kann also der Limes in das Integral hineingezogen werden, woraus die Behauptung folgt. Diese Vertauschbarkeit gilt auch in ähnlichen Fällen. Wir werden einen allgemeinen Satz hierzu in 3. 4 beweisen.