Offene Überdeckungen kompakter Intervalle
Ein instruktives Beispiel zur Reduzierbarkeit einer offenen Überdeckung liefert, gegeben ein ε > 0, die offene Überdeckung
𝒰 = { Uε(q) | q ∈ [ 0, 1 ] ∩ ℚ }
von [ 0, 1 ]. Diese Überdeckung ist endlich reduzierbar. Denn sei r ∈ ] 0, ε ] ∩ ℚ und n derart, dass nr ≤ 1 und (n + 1)r > 1. Dann gilt
[ 0, 1 ] ⊆ Uε(0) ∪ Uε(r) ∪ Uε(2r) ∪ … ∪ Uε(nr).
Also ist { Uε(0), …, Uε(nr) } ⊆ 𝒰 eine endliche Teilüberdeckung von 𝒰. Liegt die Reduzierbarkeit von 𝒰 in diesem Beispiel an der Wahl der Überdeckung 𝒰 oder an der Natur des abgeschlossenen Intervalls [ 0, 1 ] ? Überdecken wir das offene Intervall ] 0, 1 [ wie im folgenden Diagramm dargestellt durch
𝒱 = { Vn | n ≥ 1 } mit Vn = ] 0, n/(n + 1) [ für alle n ≥ 1,
so ist 𝒱 nicht endlich reduzierbar.
𝒱 = { V1, V2, V3, … } ist eine nicht endlich reduzierbare offene Überdeckung von ] 0, 1 [
Der Leser möge nun versuchen, eine offene Überdeckung von [ 0, 1 ] zu konstruieren, die nicht endlich reduzierbar ist. Er wird sehen, dass die beiden Randpunkte 0 und 1 des Intervalls bei dieser Aufgabe eine große Rolle spielen. Wir müssen diese beiden Punkte in unserer Konstruktion durch offene Mengen überdecken, wodurch Limesannäherungen wie in 𝒱 endlich reduzierbar werden. Und so sehr wir uns winden und Limespunkte verlagern und die Komplexität der Überdeckung erhöhen: Es klappt nicht. Immer erhalten wir eine offene Überdeckung von [ 0, 1 ], die endlich reduzierbar ist. Warum es nicht klappen kann, zeigt der folgende Beweis.
Satz (offene Überdeckungen kompakter Intervalle)
Seien a, b ∈ ℝ mit a ≤ b, und sei 𝒰 eine offene Überdeckung von [ a, b ]. Dann ist 𝒰 endlich reduzierbar.
Beweis
Wir setzen:
S = { x ∈ [ a, b ] | 𝒰 ist eine endlich reduzierbare Überdeckung von [ a, x ] }.
Wir zeigen, dass b ∈ S gilt. Offenbar gilt a ∈ S. Damit ist S eine nichtleere Teilmenge der beschränkten Menge [ a, b ]. Also existiert
s = sup(S) ∈ [ a, b ].
Sei nun U ∈ 𝒰 mit s ∈ U. Da s das Supremum von S und U offen ist, gibt es ein x ∈ S mit [ x, s ] ⊆ U. Wegen x ∈ S existieren U1, …, Un ∈ 𝒰 mit
[ a, x ] ⊆ U1 ∪ … ∪ Un.
Wegen [ x, s ] ⊆ U ist dann aber
[ a, s ] ⊆ U1 ∪ … ∪ Un ∪ U,
und damit ist s ∈ S nach Definition von S. Weiter gilt s = b, da sonst [ a, s + ε ] ⊆ U1 ∪ … ∪ Un ∪ U für ein ε > 0 mit s + ε < b gelten würde, im Widerspruch zu s = sup(S). Also ist b ∈ S.