Mehrfache partielle Ableitungen

 Ist f : P   partiell differenzierbar, so ist jede partielle Ableitung ∂jf eine reellwertige Funktion auf P, die wir wieder auf partielle Differenzierbarkeit untersuchen können. Wir definieren:

Definition (zweifache partielle Differenzierbarkeit)

Eine partiell differenzierbare Funktion f : P   heißt zweimal partiell differenzierbar, falls für alle Koordinaten j die partielle Ableitung ∂j f : P   partiell differenzierbar ist, d. h., es existieren die partiellen Ableitungen

1 ∂j f,  ∂2 ∂j f,  …,  ∂n ∂j f.

Sind alle ∂j2 ∂j1 f stetig, so heißt f zweimal stetig (partiell) differenzierbar.

 Wir schreiben auch ∂i, jf für ∂i ∂j f.

Beispiel

Für f : 2   mit f(x, y) = x + xy für alle (x, y)  ∈  2 gilt

1f(x, y)  =  1 + y,  ∂2f(x, y)  =  x,  ∂1, 2f(x, y)  =  ∂2, 1f(x, y)  =  1,

1, 1f(x, y)  =  ∂2, 2f(x, y)  =  ∂1, 2, 1, 2f(x, y)  =  0.

 Unter unserer klassischen guten Voraussetzung gilt:

Satz (Vertauschungssatz von Schwarz)

Sei f : P   zweimal stetig differenzierbar. Dann gilt

j2j1 f  =  ∂j1j2 f  für alle j1, j2  ∈  { 1, …, n }.

 Wir beweisen den Satz der notationellen Übersichtlichkeit halber nur für den Fall n = 2 und j1 = 1 und j2 = 2. Hierzu ist eine mehrdimensionale Version des Mittelwertsatzes nützlich:

Satz (Mittelwertsatz für Rechtecke)

Sei f : P  , P ⊆ 2, zweimal differenzierbar und sei

R  =  [ a, b ]  ×  [ c, d ]  ⊆  P.

Sei w = (b − a)(d − c) der Flächeninhalt von R. Dann gibt es einen Punkt (p, q)  ∈  ] a, b [ × ] c, d [ mit

f(a, c)  +  f(b, d)  −  f(a, d)  −  f(b, c)  =  w · ∂21f (p, q).

Beweis

Sei g : [ a, b ]   definiert durch

g(t)  =  f(t, d)  −  f(t, c)  für alle t  ∈  [ a, b ].

Dann ist g differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz gibt es also ein p  ∈  ] a, b [ mit

g(b) − g(a)  =  g′(p) (b − a).

Dann gilt

f(a, c)  +  f(b, d)  −  f(a, d)  −  f(b, c)

 =  g(b)  −  g(a)  =  g′(p) (b − a)

 =  (1f (p, d) − ∂1f (p, c))(b − a)  =  ∂2 ∂1f (p, q) (d − c)(b − a)

für ein q  ∈  ] c, d [ nach dem Mittelwertsatz, angewendet auf die Funktion h : [ c, d ]   mit

h(t)  =  ∂1f(p, t)  für alle t.

 Damit können wir nun zeigen:

Beweis des Satzes von Schwarz (für n = 2)

Sei (a, c)  ∈  P. Dann gilt:

|21f(a, c)  −  ∂12f(a, c) |

 =  lim a |21f(a, c)  −  2f (b, c) − ∂2f (a, c)b − a|

 =  lim a lim c |21f(a, c)  −  f (b, d) − f (b, c) − (f (a, d) − f (a, c))(b − a) (d − c)|  =  0,

denn der zweite Term ist nach dem Mittelwertsatz für Rechtecke von der Form ∂21f(p, q) mit (p, q)  ∈  ] a, b [ × ] c, d [, und aufgrund der Stetigkeit von ∂21f in (a, b) streben diese Werte gegen ∂21f(a, b), wenn b gegen a und d gegen c strebt.

 Im Ausblick werden wir eine zweimal differenzierbare Funktion f : 2   mit ∂1 ∂2 f ≠ ∂2 ∂1 f kennenlernen.

k-fache partielle Differenzierbarkeit

 In der offensichtlichen Art und Weise wird für alle k ≥ 1 die k-fache (stetige) partielle Differenzierbarkeit einer Funktion f : P   definiert. Induktiv zeigt man mit Hilfe des Vertauschungssatzes von Schwarz, dass bei k-facher stetiger partieller Differenzierbarkeit die Reihenfolge der partiellen Differentiationen keine Rolle spielt. Ist

g  =  ∂jk … ∂j1 f

für Koordinaten j1, …, jk  ∈  { 1, …, n }, so hinterlässt auch die partielle Ableitung von f entlang einer beliebigen Permutation von (j1, …, jk) wieder die Funktion g. Die Zahl k kann dabei auch größer als n sein.

 Gebräuchliche Notationen für mehrfache partielle Ableitungen sind:

kfxjkxj1  =  kxjkxj1  f  =  ∂jk, …, j1f  =  ∂jk … ∂j1 f,

kfxjk  =  fxjk  =  kxjk f  =  (∂j)k f  =  ∂j … ∂j f   (k-mal).

 Durch Betrachtung der Komponenten f1, …, fm einer Funktion f : P  m kann wieder die k-fache (stetige) partielle Differenzierbarkeit für beliebige Dimensionen m definiert werden.