Zur Integration rationaler Funktionen
Ist f : [ a, b ] → ℂ ein Polynom, so können wir eine Stammfunktion ohne Mühe bestimmen. Für eine rationale Funktion h : [ a, b ] → ℂ ist dagegen eine Stammfunktion oft nicht zu sehen. Bemerkenswerterweise gilt aber:
Satz (Integration rationaler Funktionen)
Seien f, g : [ a, b ] → ℂ Polynome mit g(x) ≠ 0 für alle x ∈ [ a, b ], und sei h : [ a, b ] → ℂ mit
h(x) = f (x)g(x) für alle x ∈ [ a, b ].
Dann besitzt h eine Stammfunktion innerhalb der elementaren Funktionen.
Zum Beweis schreiben wir h in Partialbruchzerlegung. Der polynomielle Anteil ist unproblematisch und die Brüche der Zerlegung können wir mit Hilfe des folgenden Satzes integrieren, der die zentrale Rolle des Logarithmus und des Arkustangens bei der Integration rationaler Funktionen deutlich werden lässt.
Satz (Integration von Partialbrüchen)
Seien w = c + id ∈ ℂ mit c, d ∈ ℝ. Dann gilt
∫1(x − w)m dx = − 1(m − 1) (x − w)m − 1, | falls m > 1, |
∫1x − w dx = log(|x − w|), | falls d = 0, |
∫1x − w dx = + i arctan(x − cd), | falls d ≠ 0. |
Beweis
Der interessante dritte Fall ergibt sich aus der Aufspaltung
1(x − w) = = x − c(x − c)2 + d2 + i d(x − c)2 + d2.
Für eine effektive Ermittlung einer Stammfunktion müssen die Nullstellen des Nenners bekannt sein. Für Nenner mit hohem Grad ist dies selten der Fall. Sind die Nullstellen unbekannt, so liefern unsere Überlegungen nur noch einen reinen Existenzsatz. Es müssen dann andere Verfahren als die Partialbruchzerlegung eingesetzt werden, um eine Stammfunktion zu finden.
Beispiele
(1) | Aufgrund der Partialbruchzerlegung h(x) = x3 + 6x2 + 9x + 4x4 + 2x3 − 7x2 − 8x + 12 = 2710(x − 2) − 53(x − 1) + 16(x + 2) − 15(x + 3) erhalten wir H(x) = log(|x − 2|27/10 |x + 2|1/6|x − 1|5/3 |x + 3|1/5) als Stammfunktion. Damit gilt ∫bah(x) dx = H(b) − H(a) für alle [ a, b ] mit 2, 1, −2, −3 ∉ [ a, b ]. |
(2) | Die Partialbruchzerlegung von 1/(1 + x2) ist 12 (ix + i − ix − i) = 12i (1x − i − 1x + i). Nach dem dritten Fall ist 2i ∫11 + x2 dx = ∫1x − i − 1x + i dx = log(x2 + 1)2 + i arctan(x) − log(x2 + 1)2 − i arctan(−x) = 2i arctan(x), sodass sich, wie es sein muss, arctan(x) als Stammfunktion ergibt. |
Ist f/g eine reelle rationale Funktion, so hat f/g natürlich eine reelle Stammfunktion. Beispiel (2) zeigt, wie der Imaginärteil verschwindet. Man kann die Verwendung komplexwertiger Integrale umgehen, indem man in der Partialbruchzerlegung reeller rationaler Funktionen die Brüche mit sich entsprechenden Nullstellen w und w paarweise zusammenfasst. Es entstehen so Terme der Form
ax + b(x2 + cx + d)m mit a, b, c, d ∈ ℝ.
Die Umgehung des Komplexen erscheint bei dem auf dem Fundamentalsatz der Algebra beruhenden Ergebnis aber eher künstlich.