Offenheitssatz und Gebietstreue

 Eine Funktion f : P   ist offen, wenn die Bilder offener Mengen unter f offen sind. Urbilder offener Mengen sind bei Stetigkeit immer offen. Bilder sind komplizierter. Allgemein gilt, dass kompakte Mengen unter stetigen Abbildungen kompakt bleiben. Die Offenheit geht im Allgemeinen verloren:

Beispiel

Sei sq :    die Quadratfunktion und sei U = ] −1, 1 [. Dann gilt sq[ U ] = [ 0, 1 [. Durch das Minimum im Nullpunkt entsteht ein halboffenes Bildintervall.

 Stetigkeit und strenge Monotonie genügt auf einem offenen reellen Intervall I für die Offenheit der Funktion. Denn eine stetige Funktion übersetzt I in ein Intervall J = f [ I ] und durch die Monotonie kann ein innerer Punkt von I nicht als Endpunkt in J auftauchen. Die strenge Monotonie wird bei einer differenzierbaren Funktion lokal durch eine Ableitung f ′(p) ≠ 0 garantiert, sodass dann f lokal offen und invertierbar ist. Dies hatten wir in der mehrdimensionalen Theorie im Hauptsatz für implizite Funktionen verallgemeinert. Dieser Satz gilt auch für , deckt aber den Fall f ′(p) = 0 nicht ab. Die folgende Argumentation greift nicht auf den Hauptsatz für implizite Funktionen zurück und erlaubt auch Nullstellen der Ableitung. Natürlich müssen wir konstante Funktion ausschließen, die ja jede nichtleere offene Menge auf eine abgeschlossene Einermenge { c } abbilden.

Satz (Offenheitssatz)

Sei f : P   holomorph und nicht lokal konstant. Dann ist f offen.

Beweis

Sei p  ∈  P, und sei q = f (p). Wir zeigen, dass es ein ε > 0 gibt mit Uε(q) ⊆ f [ P ]. Hieraus folgt die Offenheit von f. Durch Übergang zu f(z − p) − q können wir p = q = 0 annehmen, sodass f (0) = 0. Seien r > 0, U = Ur(0) ⊂ ⊂ P mit

(+)  f (z)  ≠  0  für alle z  ∈  cl(U) − { 0 }.

Ein solches r existiert nach dem Identitätssatz, da sonst f = 0 auf der Komponente von p wäre. Sei nun

ε  =  1/2 · infz  ∈  ∂U |f (z)|.

Dann gilt ε > 0 nach (+) und Kompaktheit von ∂U. Sei w  ∈  Uε(0) beliebig. Dann gilt mit f (0) = 0 und der umgekehrten Dreiecksungleichung:

|f (0) − w|  <  ε  =  2 ε − ε  ≤  infz  ∈  ∂U|f (z)| − |w|  ≤  infz  ∈  ∂U |f (z) − w|.

Nach dem Mittelwert-Nullstellensatz angewendet auf f − w existiert ein z  ∈  U mit f (z) − w = 0, sodass f (z) = w. Damit ist Uε(0) ⊆ f [ P ].

 Die Offenheit wird bei dieser Argumentation aus dem Identitätssatz und der Mittelwertungleichung gewonnen.

 Da stetige Funktionen den Zusammenhang bewahren, erhalten wir:

Korollar (Gebietstreue)

Sei f : G   holomorph und nicht konstant. Dann ist f [ G ] ein Gebiet.

 Wir ergänzen die Diskussion des Offenheitssatzes durch weitere Resultate und Beispiele.

Der Satz von Brouwer

Brouwer hat 1912 in seiner Arbeit „Beweis der Invarianz des n-dimensionalen Gebiets“ gezeigt: Ist U ⊆ n offen und f : U  n stetig und injektiv, so ist f offen (sodass f : U  f [ U ] ein Homöomorphismus ist). Dies erweitert das eindimensionale Ergebnis für monotone Funktionen und den aus dem Hauptsatz für implizite Funktionen gewonnenen Offenheitssatz. Im Satz von Brouwer wird nur die Stetigkeit von f gefordert, nicht die Differenzierbarkeit. Wichtig sind die Injektivität und die übereinstimmenden Dimensionen im Definitionsbereich und Wertevorrat.

Dimensionswechsel

Sei f :   2 definiert durch f (x) = (x, 0) für alle x. Dann ist f stetig und injektiv, aber nicht offen. Denn das Bild f [  ] =  × { 0 } ist nicht offen in der Ebene 2.

Kreisaufwicklung

Sei f : [ 0, 2π [  K1 ⊆ 2 definiert durch f (x) = eix = (cos x, sin x). Dann ist f stetig und bijektiv. Wir versehen I = [ 0, 2π [ und K1 mit den Relativtopologien von  bzw. 2. Sei α  ∈  ] 0, 2π [. Dann ist [ 0, α [ offen in I, aber f [ I ] ist nicht offen in K1. Weniger technisch: f : I  K1 ist eine stetige Bijektion, hat aber eine unstetige Umkehrabbildung, da der Kreis an der Nahtstelle (1, 0) aufgeschnitten werden muss, um ihn zum halboffenen Intervall I zu verformen. Der für die Stetigkeit erforderliche Erhalt von Nähe wird von f −1 verletzt. Die Abbildung f erhält Nähe, führt aber neue Nähebeziehungen ein, indem die Intervallenden zusammengeführt werden.

Verletzung der Stetigkeit

Sei f :    mit f (x) = x für x ≤ 0 und f (x) = x + 1 für x > 0. Dann ist f injektiv. Aber f ist nicht offen, wie Intervalle der Form ] a, b [ mit a < 0 und b > 0 zeigen.

 Im Offenheitssatz der Funktionentheorie ist f als holomorph und nicht lokal-konstant, aber nicht als injektiv vorausgesetzt. Die Holomorphie erzwingt, wie wir gesehen haben, die Diskretheit der Fasern und damit eine abgeschwächte Form der Injektivität.