Unendliche Produkte

 In der Funktionentheorie spielen neben den unendlichen Reihen auch die unendlichen Produkte eine wichtige Rolle. Wir verwenden hier durchgehend die Konvergenz im strengeren Sinn, die die Sonderrolle der Null berücksichtigt (vgl. 2. 4 in Analysis 1). Wir führen die Definition in zwei Schritten.

Definition (unendliches Produkt in *, Konvergenz, Wert)

Sei (zn)n  ∈   eine Folge in *. Dann ist das unendliche Produkt n zn definiert als die Folge (pn)n  ∈   der Partialprodukte pn mit

pn  =  k ≤ n zk für alle n.

Das Produkt heißt konvergent (im strengeren Sinn), falls es ein z  ∈  * gibt mit

limn pn  =  z.

Wir schreiben dann n zn = z und nennen z den Wert des Produkts.

Diese Definition verläuft (in den Faktoren und im Grenzwert) ganz in *. Wir tun so, als gäbe es die Null nicht. Das Produkt 1/2 · 1/4 · 1/8 · … ist divergent, da die Partialprodukte gegen 0 konvergieren.

 In einem zweiten Schritt öffnen wir die Definition:

Definition (unendliches Produkt in , Konvergenz, Wert)

Sei (zn)n  ∈   eine Folge in . Dann ist das unendliche Produkt n zn erneut definiert als die Folge (pn)n  ∈   der Partialprodukte pn. Das Produkt heißt konvergent, falls es ein n0 gibt mit zn ≠ 0 für alle n ≥ n0 und n ≥ n0 zn im Sinne der obigen Definition gegen ein z  ∈  * konvergiert. Wir setzen dann

n zn  =  (n < n0 zn) n ≥ n0 zn  =  pn0 − 1 z.

und nennen pn0 − 1 z den Wert des Produkts.

 Damit ist ein unendliches Produkt genau dann 0, wenn es einen größten Index k gibt mit zk = 0 und der nullfreie Hauptteil des Produkts ab n0 = k + 1 konvergiert (gegen einen von Null verschiedenen Wert). Ein konvergentes Produkt ist genau gleich Null, wenn es einen Nullfaktor enthält.

Beispiele

(1)

Die folgenden Produkte divergieren:

1/2 · 1/2 · 1/2 · …,  0 · 2 · 2 · 2 · …,  0 · 1 · 0 · 1 · 0 · 1 · …

(2)

Das Produkt 0 · 1 · 1 · 1 · … konvergiert mit Wert 0.

(3)

Konvergiert n zn, so konvergiert 0 · z0 · z1 · … gegen 0.

 Im Vergleich zu den unendlichen Reihen werden die Partialsummen durch Partialprodukte pn = k ≤ n zn ersetzt. Für die Konvergenz einer Reihe n zn ist es notwendig, dass limn zn = 0. Analog ist es für die Konvergenz eines Produkts n zn notwendig, dass limn zn = 1 (dies würde nicht gelten, wenn wir die Null nicht berücksichtigen, der Limes der Partialprodukte von 0 · 2 · 2 · 2 · … ist 0, das Produkt ist divergent).

 Diese Kriterien sind nicht hinreichend. Für die Konvergenz einer Reihe ist die Geschwindigkeit, mit der die Summanden gegen 0 konvergieren, entscheidend, für die Konvergenz eines Produkts gilt das Gleiche mit 1 statt 0. Bei der Diskussion des komplexen Logarithmus werden wir sehen, dass die erforderlichen Konvergenzgeschwindigkeiten logarithmisch zusammenhängen. Wir geben ohne Beweis an dieser Stelle bereits an:

Satz (Charakterisierung der konvergenten Produkte)

Sei n zn ein unendliches Produkt mit Faktoren zn in  =  − ] −∞, 0 ]. Dann sind äquivalent:

(a)

n zn konvergiert.

(b)

n log(zn) konvergiert.

 Der Beweis der reellen Version des Satzes mit Faktoren xn in ] 0, ∞ [ sei dem Leser zur Übung überlassen.

Beispiele

(1)

Sei xn = exp(1/n) für alle n ≥ 1. Dann gilt log(xn) = 1/n, sodass n ≥ 1 log(xn) divergiert (harmonische Reihe). Damit gilt:

n ≥ 1 exp(1/n) divergiert.

(2)

Sei xn = exp(1/n2) für alle n ≥ 1. Dann gilt log(xn) = 1/n2, sodass n ≥ 1 log(xn) konvergiert. Damit gilt:

n ≥ 1 exp(1/n2) konvergiert.