Konvergente Funktionenfolgen

 Seien fn : P   komplexe Funktionen für n  ∈  , und sei f : P  . Dann konvergiert (fn)n  ∈   punktweise gegen f, falls gilt:

limn fn(z)  =  f (z)  für alle z  ∈  P.

Die Folge konvergiert gleichmäßig oder in Supremumsnorm gegen f, falls gilt

(+)  limn ∥ f − fn ∥  =  0.

Dabei ist die Supremumsnorm von g : P   definiert durch

∥ g ∥  =  supz  ∈  P |g(z)|  ∈  [ 0, ∞ ].

Die Bedingung (+) ist äquivalent zu

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 ∀z  ∈  P | f (z) − fn(z) | < ε.(ε-Schlauch-Formulierung)

Damit ist die gleichmäßige Konvergenz eine Verstärkung der punktweisen Konvergenz (aufgrund einer ∀ ∃ zu ∃ ∀ Vertauschung).

Notation und Einschränkung

Wir schreiben „f = limn fn punktweise“ und „f = limn fn gleichmäßig“, um die beiden Konvergenzarten zu unterscheiden. Ohne Ergänzung ist immer die punktweise Konvergenz gemeint. Weiter meint ein Zusatz „auf Q“, dass die Konvergenz auf der Teilmenge Q von P erfolgt, d. h. für die Einschränkungen der Funktionen auf Q gilt.

 Eine Funktionenreihe n fn ist nach Definition eine Funktionenfolge (die Folge der Partialsummen). Damit sind die Konvergenzbegriffe auch für Funktionenreihen definiert.

 Wie für  gilt:

Satz (Erhalt der Stetigkeit bei gleichmäßiger Konvergenz)

Es gelte f = limn fn (gleichmäßig) mit komplexen Funktionen. Dann gilt: Sind alle fn stetig, so ist auch f stetig.

 Unverzichtbar in der Funktionentheorie ist (mit Beweis wie in ):

Satz (Konvergenzsatz von Weierstraß, Weierstraß-Konvergenztest)

Es gelte n ∥ fn ∥ < ∞ mit komplexen Funktionen fn : P  . Dann konvergiert n fn absolut und gleichmäßig gegen ein f : P  . Sind alle fn stetig, so gilt dies auch für f.

 In der Funktionentheorie sind „lokale Versionen“ der gleichmäßigen Konvergenz nützlich:

Definition (lokal gleichmäßige und kompakte Konvergenz)

Es gelte limn fn = f für komplexe Funktionen fn : P  .

(a)

Die Folge (fn)n  ∈   konvergiert lokal gleichmäßig, falls für alle z  ∈  P eine Umgebung U von z in P existiert, sodass

f  =  limn fn  gleichmäßig auf U.

(b)

Die Folge (fn)n  ∈   konvergiert kompakt, falls für alle kompakten Mengen C ⊆ P gilt:

f  =  limn fn  gleichmäßig auf C.

 Ein Kompaktheitsargument zeigt:

Lokal gleichmäßige Konvergenz impliziert kompakte Konvergenz.

Ist P lokal kompakt (d. h. für jedes z  ∈  P gibt es eine kompakte Umgebung C von z in P), so gilt trivialerweise auch die Umkehrung. Die lokale Kompaktheit ist beispielsweise für P =  verletzt, aber sie ist erfüllt, wenn P offen ist. Denn dann ist cl(Uε(z)) ⊆ P, ε hinreichend klein, eine kompakte Umgebung von z. Wir erhalten also:

Für offene Definitionsbereiche gilt:

Lokal gleichmäßige und kompakte Konvergenz sind äquivalent.

Das folgende klassische Beispiel illustriert die Begriffsbildung.

Beispiel

Sei U = U1(0) die offene Einheitskreisscheibe in . Wir definieren Funktionen fn : U   für alle n  ∈   durch

f (z)  =  zn  für alle z  ∈  U.

Es gilt limn fn = 0 punktweise, aber nicht gleichmäßig. Die Konvergenz ist jedoch lokal gleichmäßig. Da U offen ist, ist die kompakte Konvergenz äquivalent zur lokal gleichmäßigen Konvergenz.

Normal konvergente Funktionenreihen

 Eine weitere − sehr sympathische − von René Baire eingeführte Variante der Konvergenz von Funktionenfolgen ist speziell auf die Reihen zugeschnitten. Sie beruht auf dem Weierstraß-Konvergenztest und garantiert die lokal gleichmäßige Konvergenz plus freie Umordnung der Summanden. Zur Definition brauchen wir eine (fast selbsterklärende) Einschränkung der Supremumsnorm auf Teilmengen. Für f : P   und U ⊆ P setzen wir

∥ f ∥U  =  ∥ fU ∥  =  supz  ∈  U |f (z)|  ≤  ∞.

Damit können wir definieren:

Definition (normale Konvergenz)

Seien fn : P   komplexe Funktionen für n  ∈  . Dann konvergiert die Reihe n fn normal, falls für jedes z  ∈  P eine Umgebung U von z in P existiert mit

n ∥ fn ∥U  <  ∞.

 Salopp formuliert besagt die normale Konvergenz, dass der Weierstraß-Konvergenztest lokal anwendbar ist. Im Fall eines offenen Definitionsbereichs können wir zudem annehmen, dass U eine ε-Umgebung von z ist.

 Ist U wie in der Definition, so konvergiert die Reihe nach dem Konvergenztest absolut und gleichmäßig auf U. Damit ist eine normal konvergente Reihe lokal gleichmäßig konvergent. Durch die absolute Konvergenz sind beliebige Umordnungen möglich. Konvergiert n fn normal, so konvergiert jede durch eine Bijektion π :    beschriebene Umordnung n fπ(n) normal gegen dieselbe Grenzfunktion. Allgemeiner können wir Doppelsummen über 2-Gitter bilden (vgl. Analysis 1). Kurz: Für normal konvergente Reihen gilt ein allgemeines unendliches Assoziativ- und Kommutativgesetz. Solange jeder Summand genau einmal berücksichtigt wird kommt immer die gleiche Grenzfunktion heraus.

Normale Konvergenz von Potenzreihen

Wichtige Beispiele für normal konvergente Reihen sind die Potenzreihen. In der reellen Analysis hatten wir mit Hilfe der geometrischen Reihe gezeigt: Ist R der Konvergenzradius einer Potenzreihe n an (x − p)n, so ist der Weierstraß-Test auf allen Intervallen [ p − r, p + r ] mit 0 < r < R anwendbar. Damit haben wir die normale Konvergenz einer Potenzreihe gezeigt (ohne den Begriff zu kennen). Der Beweis bleibt für komplexe Potenzreihen gültig. Eine komplexe Potenzreihe n an (z − p)n konvergiert also in ihrem offenen Konvergenzkreis UR(p) normal (und damit lokal gleichmäßig und kompakt).

Reelle Vertauschungssätze

 Für reellwertige Funktionen gilt (vgl. Analysis 1 & 2):

Satz (Vertauschungssätze für reelle Funktionen)

(a)

Es gelte

limn fn  =  f  (punktweise),  limn fn′  =  g  (gleichmäßig).

mit stetig differenzierbaren Funktionen fn : I   auf einem reellen Intervall I. Dann ist f stetig differenzierbar und es gilt f ′ = g.

(b)

Es gelte

limn fn  =  f  (gleichmäßig)

mit Riemann-integrierbaren Funktionen fn : [ a, b ]  . Dann ist f Riemann-integrierbar und es gilt limn I(fn) = I(f).

 Es ist instruktiv, die Ergebnisse explizit für Reihen zu formulieren:

Vertauschungssätze für reelle Reihen

Unter den Voraussetzungen des obigen Satzes gilt:

ddx n fn(x)  =  n ddx fn(x)(gliedweise Differentiation)

n ba fn(x) dx  =  ba n fn(x) dx(gliedweise Integration)

Gliedweises Differenzieren von Potenzreihen

Wir betrachten eine reelle Potenzreihe

 fn(x)  =  n an (x − p)n

mit Konvergenzradius R > 0, sodass die Reihe auf UR(p) konvergiert. Mit Hilfe von Lipschitz-Abschätzungen erhalten wir (vgl. wieder den Beweis in Analysis 1), dass die gliedweise differenzierte Reihe

n ≥ 1 n an (x − p)n − 1

normal auf UR(z) konvergiert (sie hat den gleichen Konvergenzradius R). Damit ergibt sich nach dem Vertauschungssatz, dass

ddx n an (x − p)n  =  n ≥ 1 n an (x − p)n − 1  für alle x  ∈  UR(p).