1.1Mengen

Definition (Menge)

M heißt eine Menge, falls …

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„Zusammenfassung zu einem Ganzen“

 Unser Text beginnt mit einer „Definitionslücke“. Mengen werden heute verwendet, um das Gebäude der Mathematik zu errichten − und bleiben undefiniert. Welche Mengen existieren, kann mit Hilfe eines Axiomensystems beschrieben werden. Man muss aber mit einer derartigen Axiomatik nicht in Berührung gekommen sein, um Mengen sicher anwenden zu können. Die Mengenlehre schenkt der modernen Mathematik ihre Sprache, und ein intuitives Grundverständnis reicht aus, um diese Sprache durch Nachahmung zu erlernen. Um die vorhandene Intuition zu schärfen, betrachten wir die Beschreibung des Mengenbegriffs von Georg Cantor aus dem Jahr 1895:

„Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die ‚Elemente‘ von M genannt werden) zu einem Ganzen.“

Cantor genügte seine Beschreibung zur Entwicklung einer Theorie, die sehr komplizierte unendliche Objekte untersuchen konnte.

Beispiele

(1)

 =  „die Menge aller natürlichen Zahlen (einschließlich der Null)“

*  =  „die Menge aller natürlichen Zahlen größer als Null“

 =  „die Menge aller ganzen Zahlen“

 =  „die Menge aller rationalen Zahlen“

 =  „die Menge aller reellen Zahlen“

(2)

[ a, b ]  =  „die Menge aller reellen Zahlen x mit a ≤ x und x ≤ b“

[ a, b [  =  „die Menge aller reellen Zahlen x mit a ≤ x und x < b“

] a, b [  =  „die Menge aller reellen Zahlen x mit a < x und x < b“

[ a, +∞ [  =  „die Menge aller reellen Zahlen x mit a ≤ x“

] −∞, b [  =  „die Menge aller reellen Zahlen x mit x < b“,  für reelle Zahlen a ≤ b

(3)

 =  „die Menge aller Intervalle ] a, b [ mit rationalen Endpunkten a, b“

 Das letzte Beispiel zeigt, dass Mengen wieder Mengen als Elemente enthalten können.

 Ist m ein Element der Menge M, so schreiben wir m  ∈  M. Ist m kein Element von M, so schreiben wir m  ∉  M. Das Zeichen „ ∈ “ ist ein stilisiertes griechisches Epsilon „ε“. Wir lesen „m  ∈  M“ als

„m ist ein Element von M“  oder  „die Menge M besitzt das Element m“.

Beispiele

0  ∈  ,  −1  ∉  ,  0  ∉  *,  2  ∈  ,  −1/2  ∈  ,  2  ∈  .

 Wie man sich Mengen und die Elementbeziehung vorstellt, bleibt jedem selbst überlassen − ob als Säcke, Punktwolken, Pfeildiagramme (vgl. 1. 3), umzäunte Bereiche usw.

 Prinzipiell können wir beliebige Zeichen links und rechts der Elementrelation verwenden. Oft bezeichnet man Grundobjekte wie Zahlen oder Punkte mit a, b, c, … und Mengen, die aus diesen Objekten gebildet werden, mit A, B, C, … Diese Mengen können wir wieder zu Mengen zusammenfassen. Die Menge aus Beispiel (3) ist z. B. eine in der Analysis häufig betrachtete Menge von Mengen. Für derartige Mengensysteme bieten sich Zeichen wie 𝒜, , 𝒞, … an, man darf hier aber auch A, B, C, … schreiben.

 Die wichtigste Beziehung zwischen Mengen ist die Teilmengenbeziehung oder Inklusion:

Definition (Teilmenge, Obermenge)

Seien M und N Mengen. Dann heißt N

(a)

Teilmenge von M, in Zeichen N ⊆ M, falls für alle x  ∈  N auch x  ∈  M gilt,

(b)

echte Teilmenge von M, in Zeichen N ⊂ M, falls N ⊆ M und N ≠ M,

(c)

Obermenge von M, in Zeichen N ⊇ M, falls M ⊆ N,

(d)

echte Obermenge von M, in Zeichen N ⊃ M, falls M ⊂ N.

 Die Zeichen sind so gewählt, dass sie an ≤, <, ≥ und > erinnern. Jedoch schreiben viele Mathematiker „⊂“ für „Teilmenge“ und „⊂“ für „echte Teilmenge“ und begründen dies halb scherzhaft damit, dass die echte Inklusion selten vorkommt und man sich den Strich unter ⊂ sparen kann. Wir verwenden durchweg die Bezeichnungen der Definition.

Beispiele

(1)

Seien a ≤ b und c ≤ d reelle Zahlen. Dann gilt [ a, b ] ⊆ [ c, d ] genau dann, wenn a ≥ c und b ≤ d.

(2)

*  ⊂    ⊂    ⊂    ⊂  .

 Häufig verwendet wird das folgende Prinzip, das in einer axiomatischen Formulierung der Mengenlehre ein Axiom ist:

Gilt M ⊆ N und N ⊆ M, so gilt N = M.  (Extensionalitätsprinzip)

Will man zeigen, dass zwei Mengen M und N gleich sind, so kann man also in zwei Schritten M ⊆ N und N ⊆ M zeigen. Dies ist oft einfacher als ein Nachweis von M = N in einem Schritt.