3.6 Teilfolgen
Definition (Teilfolge einer Folge)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine Folge in ℝ, und sei (in)n ∈ ℕ eine streng monoton steigende Folge in ℕ. Dann heißt die Folge (yn)n ∈ ℕ mit
yn = xin für alle n
die durch die Indexfolge (in)n ∈ ℕ definierte Teilfolge von (xn)n ∈ ℕ.
Folge: | x0, x1, x2, x3, … |
Indexfolge: | 0, 2, 4, 6, … |
Teilfolge (yn)n ∈ ℕ : | x0, x2, x4, x6, … |
y0 = x0, y1 = x1, y2 = x4, y3 = x6, …
allgemein: yn = xin = x2n für alle n.
Anschaulich entsteht eine Teilfolge durch ein Aussieben der Folge, wobei unendlich viele Glieder den Siebeprozess überleben. Das Primzahlsieb des Eratosthenes ist ein klassisches Beispiel für einen solchen Prozess. Die formale Beherrschung dieses sehr anschaulichen Begriffs bereitet Anfängern erfahrungsgemäß große Schwierigkeiten. Fragt man Studienanfänger nach einer Definition, so erhält man oft einen Zeichensalat aus xn und in oder man erhält Beschreibungen wie „das erste Element der Teilfolge muss nicht das erste Element der Folge sein“ oder „es dürfen beliebig viele Elemente übersprungen werden“, die ja alle richtig sind, aber keine Definition des Begriffs darstellen.
Die Definition wird vielleicht bekömmlicher, wenn wir uns klarmachen, dass eine Verknüpfung von Funktionen am Werk ist:
Eine Folge (xn)n ∈ ℕ ist eine Funktion f auf ℕ.
Eine Indexfolge (in)n ∈ ℕ wie in der Definition ist eine streng
monoton steigende Funktion g : ℕ → ℕ.
Die durch (in)n ∈ ℕ definierte Teilfolge (yn)n ∈ ℕ von (xn)n ∈ ℕ
ist die Funktion h = f ∘ g auf ℕ, d. h., es gilt
h(n) = f (g(n)) = f (in) = xin für alle n ∈ ℕ.
In Folgennotation ist h also die Folge (xin)n ∈ ℕ.
Der Index in xin ist immer als x(in) zu lesen, nie als (xi)n. Neben der Notation (xin)n ∈ ℕ ist gleichwertig auch (xi(n))n ∈ ℕ gebräuchlich. Letztere Form vermeidet doppelte Indizes und betont den funktionalen Charakter der Indexfolge.
Beispiele
(1) | Die konstante Folge (c, c, c, …) besitzt nur eine Teilfolge, nämlich (c, c, c, …). Denn ist (in)n ∈ ℕ streng monoton steigend in ℕ, so gilt xin = c für alle n. Also ist die durch (in)n ∈ ℕ definierte Teilfolge von (c, c, c, …) konstant gleich c. |
(2) | Ist (xn)n ∈ ℕ monoton steigend, so ist auch jede Teilfolge (xin)n ∈ ℕ der Folge monoton steigend. Denn für alle n ∈ ℕ gilt in < in + 1, und damit ist auch xin ≤ xin + 1 aufgrund der Monotonie von (xn)n ∈ ℕ. Gleiches gilt für monoton fallende Folgen, und auch die strenge Monotonie vererbt sich auf Teilfolgen. |
(3) | Wir betrachten die Folge (n)n ∈ ℕ = (0, 1, 2, 3, …). Dann gilt: (1, 3, 5, …) ist eine Teilfolge, definiert durch (2 n + 1)n ∈ ℕ, (1, 0, 2, 3, 4, 5, …) und (0, 0, 1, 2, 3, …) sind keine Teilfolgen. Allgemein besitzt (0, 1, 2, 3, 4, …) genau die streng monotonen Folgen in ℕ als Teilfolgen. Denn ist (in)n ∈ ℕ streng monoton in ℕ, so gilt xin = in für alle n ∈ ℕ, da ja xk = k für alle k ∈ ℕ gilt. Folglich ist die durch (in)n ∈ ℕ definierte Teilfolge von (0, 1, 2, …) die Folge (in)n ∈ ℕ selbst. Umgekehrt erbt nach (2) jede Teilfolge von (n)n ∈ ℕ die strenge Monotonie dieser Folge. |
(4) | Wir betrachten die Pendelfolge (0, 1, 0, 1, 0, …). Die Indexfolgen (2 n)n ∈ ℕ und (2 n + 1)n ∈ ℕ definieren die Teilfolgen (0, 0, 0, …) und (1, 1, 1, …). Daneben sind beispielsweise aber auch (0, 0, 1, 1, 0, 0, 1, 1, …) und (0, 0, 0, 1, 0, 0, 0, 1, 0, 0, 0, 1, …) Teilfolgen. Allgemein gilt: Die Teilfolgen von (0, 1, 0, 1, 0, 1, …) sind genau die Folgen in { 0, 1 }. Der Wechsel zwischen 0 und 1 in einer Teilfolge muss nicht periodisch oder regelmäßig sein, auch „chaotische“ oder „zufällige“ 0-1-Folgen sind Teilfolgen. |
(5) | Die Folge (1/2n)n ∈ ℕ ist eine Teilfolge von (1/(n + 1))n ∈ ℕ. Sie wird durch die Indexfolge (2n − 1)n ∈ ℕ definiert. |
(6) | Sei (xn)n ∈ ℕ eine Pendelfolge mit x0 ≤ x2 ≤ … ≤ x2n ≤ … ≤ x2n + 1 ≤ … ≤ x3 ≤ x1. Beispiel (4) zeigt, dass der Übergang zu einer Teilfolge im Allgemeinen die Pendelbewegung zerstört. Ist aber (in)n ∈ ℕ streng monoton in ℕ derart, dass i2 n gerade und i2 n + 1 ungerade für alle n ist, so ist (xin)n ∈ ℕ wieder eine Pendelfolge. |