8.3 Das Darboux-Integral
Definition (Darboux-Summen, Ober- und Unterintegral, Darboux-Integral)
Sei f : [ a, b ] → ℝ beschränkt.
(a) | Für jede (stützstellenfreie) Partition p = (tk)k ≤ n von [ a, b ] heißen Sp f = ∑k ≤ n (tk + 1 − tk) · supx ∈ [ tk, tk + 1 ] f (x) und sp f = ∑k ≤ n (tk + 1 − tk) · infx ∈ [ tk, tk + 1 ] f (x) die obere bzw. untere Darboux-Summe von f bzgl. p. |
(b) | S f = infp Spf und s f = supp spf heißen das Ober- bzw. Unterintegral von f. Gilt S f = s f = c, so heißt f Darboux-integrierbar und c das Darboux-Integral von f. |
obere Darboux-Summe Sp f
untere Darboux-Summe sp f
Differenz Sp f − sp f zwischen oberer und unterer Darboux-Summe
Auch das Darboux-Integral (gesprochen darbú) verwendet Partitionen, aber f wird nicht an Stützstellen ausgewertet, sondern von oben und unten approximiert. Wie für das Riemann-Integral kann man sich auf äquidistante Partitionen beschränken. Der Begriff der Feinheit wird nicht benötigt. S f und s f sind immer definiert. Um zu zeigen, dass f Darboux-integrierbar ist, genügt es, für jedes ε > 0 Partitionen p1 und p2 anzugeben mit
Sp1 f − sp2 f < ε.
(Darbouxsche Integrierbarkeitsbedingung)
Denn aus sp2 f ≤ s f ≤ S f ≤ Sp1 f folgt S f − s f < ε für alle ε > 0, also S f = s f.
Eine Riemann-Summe liegt zwischen den beiden Darboux-Summen:
sp f ≤ ∑p f ≤ Sp f,
wobei wir in sp f und Sp f die Stützstellen von p ignorieren. Die Ungleichung lässt vermuten, dass die Darboux-Integrierbarkeit die Riemann-Integrierbarkeit impliziert. Dies ist richtig, und auch die Umkehrung gilt: Auch wenn f ihr Supremum und Infimum in einem Intervall von p nicht annimmt, so können wir diese beiden Zahlen doch durch Funktionswerte beliebig genau approximieren und damit eine Darboux-Summe beliebig genau durch eine Riemann-Summe approximieren. Das Ergebnis lautet:
Äquivalenz von Riemann-Integral und Darboux-Integral
Eine Funktion f : [ a, b ] → ℝ ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn sie Darboux-integrierbar ist. In diesem Fall gilt
∫baf = s f = S f.
Eine Riemann-integrierbare Funktion ist automatisch beschränkt. Beim Darboux-Integral müssen wir die Beschränktheit voraussetzen, um die Infima und Suprema in den Teilintervallen der Partition bilden zu können.
Die beiden Ansätze sind äquivalent, aber konzeptionell verschieden. Die konkrete Berechnung von Riemann-Summen ist einfacher als die von Darboux-Summen, und Riemann-Summen sind deswegen die Methode der Wahl in numerischen Betrachtungen. Das Darboux-Integral lässt sich dagegen in der Theorie oft sehr elegant handhaben. Die Darbouxsche Integrierbarkeitsbedingung ist ein Beispiel hierfür.
Beispiel
Sei g : [ 0, 1 ] → ℝ mit g(x) = x2 für alle x. Sei n ∈ ℕ, und sei p die äquidistante Partition von [ 0, 1 ] der Länge n + 1. Dann gilt:
sp g = ∑k ≤ n (tk + 1 − tk) · infx ∈ [ tk, tk + 1 ] x2 = ∑k ≤ n 1n + 1 · k2(n + 1)2 = n (2n + 1) 6 (n + 1)2.
Sp g = ∑k ≤ n (tk + 1 − tk) · supx ∈ [ tk, tk + 1 ] x2 = ∑k ≤ n 1n + 1 · (k + 1)2(n + 1)2 = (n + 2) (2n + 3) 6 (n + 1)2.
Da g monoton steigt, sind die Infima und Suprema die Funktionswerte an den Randpunkten der Teilintervalle. Weiter haben wir die Summenformel ∑k ≤ n k2 = n (n + 1) (2 n + 1)/6 benutzt. Nun berechnen wir
limn n (2n + 1)(n + 1)2 = 2, limn (n + 2) (2n + 3)(n + 1)2 = 2.
Folglich gilt
s g = S g = 1/6 · 2 = 1/3, also ∫10x2 dx = ∫10g = 1/3. |
Von den Mühen der Berechnung per Hand wird uns der Hauptsatz in 8. 8 befreien!