1.5Konstruktion von Abbildungen

Satz (Konstruktionsmöglichkeiten für Abbildungen)

Direkte Angabe

Seien a1, …, an paarweise verschiedene Objekte, und seien b1, …, bn beliebige Objekte. Dann gibt es genau eine Abbildung f auf { a1, …, an } mit

f (ak)  =  bk  für alle 1 ≤ k ≤ n.

Termdefinitionen

Ist t(x) ein Term, also ein aus der Variablen x, Konstanten, Funktionszeichen und Klammern aufgebauter formaler Ausdruck, so existiert für jede geeignete Menge A genau eine Abbildung f auf A mit

f (a)  =  t[ a ]  für alle a  ∈  A,

wobei t[ a ] der Wert ist, den man erhält, wenn man a für die Variable x in t einsetzt. „Geeignet“ heißt, dass diese Termauswertung für alle Elemente a der Menge A erklärt ist.

Eindeutige Eigenschaften

Sei A eine Menge und sei (a, b) eine Eigenschaft mit:

(+)  Für alle a  ∈  A gibt es genau ein b mit (a, b).

Dann gibt es genau eine Abbildung f auf A mit

f (a)  =  „das eindeutige b mit (a, b)“  für alle a  ∈  A.

 Die drei (letztendlich axiomatisch postulierten) Möglichkeiten versammeln die meisten in der Mathematik auftretenden Konstruktionen von Funktionen. Eine vierte Möglichkeit diskutieren wir in 1.11.

Möglichkeit 1:  Direkte Angabe

 Hier gilt einfach f = { (a1, b1), …, (an, bn) }. Die Rechtseindeutigkeit wird durch die Verschiedenheit der ak sichergestellt. Die vielleicht wichtigsten derartigen Funktionen sind Permutationen:

Definition (Permutation)

Eine Funktion f auf { 1, …, n } heißt Permutation, falls

Bild(f)  =  { 1, …, n }.

Eine Permutation heißt Transposition, wenn es i ≠ j gibt mit f (i) = j, f (j) = i und f (k) = k für alle k ≠ i, j.

ela1-AbbID35

Eine Permutation auf { 1, 2, 3, 4, 5 }

 Wir schreiben 1nb1bn oder kurz (b1, …, bn) für die Permutation f mit f (i) = bi für alle i  ∈  { 1, …, n }.

Beispiele

(1)

(1, 2, 3, 4), (1, 4, 3, 2), (4, 3, 2, 1) sind Permutationen auf { 1, 2, 3, 4 }.

(2)

(1, 3, 2), (2, 1, 3), (3, 2, 1) sind alle möglichen Transpositionen auf { 1, 2, 3 }.

Möglichkeit 2:  Termdefinitionen

 Dies ist aus der Schule bekannt: f (x) = „rechnerischer Ausdruck in x“. Wir verzichten auf eine Präzisierung von „Term“ und „Termauswertung“ und begnügen uns mit:

Beispiel

Sind sin(x) und cos(x) für alle x  ∈   bereits definiert, so können wir eine Funktion f mit Def (f) =  definieren durch

f (x)  =  sin2(x)  +  cos2(x)  für alle x  ∈  .

Es stellt sich heraus, dass f (x) = 1 für alle x  ∈   gilt, sodass f = const1.

Möglichkeit 3:  „das (eindeutige) y mit …“

 Dass Termdefinitionen nicht ausreichen, hat Leonhard Euler bereits im 18. Jahrhundert anhand von Fragestellungen wie in (1) bemerkt.

Beispiele
ela1-AbbID37

Die Punkte (x, y)  ∈  [ −3, 3 ]2 mit (x, y)

(1)

Wir betrachten für x, y  ∈   die Eigenschaft

(x, y)  =  „y5 − x4 + 2 x3 − 3 y + x = 0“

und definieren f mit Def (f) = [ 0, 2 ] durch

f (x)  =  „das y  ∈  [ −2, −1 ] mit (x, y)

für alle x  ∈  [ 0, 2 ]. Die Eindeutigkeit von y muss man natürlich erst beweisen (die Abbildung rechts deutet an, dass sie gilt). Eine Termdefinition ist dagegen nicht ersichtlich. Gleiches gilt für:

(2)

Sei g auf { n  ∈   | n ≥ 1 } definiert durch

g(n)  =  „das k ≥ 0 mit 2k|n und nicht(2k + 1|n)“  für alle n ≥ 1.

Die Abbildung g gibt für alle n ≥ 1 den Exponenten der 2 in der Primfaktorzerlegung von n an. Zum Beispiel gilt

g(8)  =  g(23)  =  3,  g(120)  =  g(23 31 51)  =  3,  g(1)  =  g(15)  =  0.