2.10 Angeordnete Körper
Definition (angeordnete Körper, Betrag, positiv, negativ, anordenbar)
Angeordneter Körper
Sei (K, +, ·) ein Körper und ≤ eine lineare Ordnung auf K. Dann heißt (K, +, ·, <) oder kurz K ein angeordneter Körper, falls für alle a, b, c ∈ K gilt:
(a) | a < b impliziert a + c < b + c, (Translationsinvarianz) |
(b) | 0 < a, b impliziert 0 < ab. (Positivitätsregel) |
Für alle a ∈ K heißt dann
der Betrag von a. Gilt a > 0, a < 0, a ≥ 0, so heißt a positiv, negativ bzw. nichtnegativ. Das Vorzeichen sgn(a) ∈ { 1, 0, −1 } von a ist definiert als sgn(a) = 1, falls a > 0, sgn(0) = 0 und sgn(a) = −1, falls a < 0. Weiter seien
K+ = { a ∈ K | a > 0 }, K+0 = { a ∈ K | a ≥ 0 }.
Anordenbarer Körper
Ein Körper (K, +, ·) heißt anordenbar, falls es eine lineare Ordnung auf K gibt, sodass (K, +, ·, <) ein angeordneter Körper ist.
In einem angeordneten Körper gelten die von den rationalen und reellen Zahlen vertrauten Regeln für Ungleichungen, etwa das Umdrehen des Vorzeichens bei Multiplikation mit einer negativen Zahl.
Zu den algebraischen Operationen eines Körpers tritt nun also noch eine lineare Ordnung. So wie die Distributivgesetze die Addition und die Multiplikation miteinander verbinden, so verbinden die beiden Anordnungsaxiome (a) und (b) die Ordnung mit der Arithmetik.
Für alle a, b ∈ K gelten:
Eigenschaften des Betrags
|a| ≥ 0, |a| = 0 genau dann, wenn a = 0
|a b| = |a| |b| (Produktregel)
|a + b| ≤ |a| + |b| (Dreiecksungleichung)
||a| − |b|| ≤ |a ± b| (umgekehrte Dreiecksungleichung)
Die beiden Anordnungsaxiome genügen, um alle vertrauten Eigenschaften für Ungleichungen herleiten zu können:
Rechenregeln in angeordneten Körpern
Für alle a, b, c ∈ K gilt:
0 < 1, −1 < 0,
0 < a, b impliziert 0 < a + b,
a, b < 0 impliziert a + b < 0 und 0 < ab,
a ≤ 0 und b ≥ 0 impliziert a b ≤ 0,
a < b impliziert c a < c b, falls c > 0,
a < b impliziert c b < c a, falls c < 0,
0 < a und b > 1 impliziert a < a b,
0 < a und b < 1 impliziert ab < a.
Exemplarisch beweisen wir hier:
Multiplikation einer Ungleichung a < b mit c < 0
Aus c < 0 folgt 0 = c − c < −c und aus a < b folgt 0 = a − a < b − a aus der Translationsinvarianz. Damit gilt nach der Positivitätsregel, dass
0 < (−c)(b − a) = ca − cb.
Wieder nach Translationsinvarianz gilt also cb < ca − cb + cb = ca.
Beispiele
(1) | ℚ und ℝ sind unter den üblichen Ordnungen angeordnete Körper. |
(2) | Die Restklassenkörper ℤp sind nicht anordenbar. Denn aus 0 < 1 und der Translationsinvarianz folgt induktiv, dass 0 < n1. In ℤp gilt aber p1 = 0 für das p-Fache der 1. Allgemeiner zeigt das Argument, dass char(K) = 0 gilt, wenn K anordenbar ist. |
(3) | ℂ ist nicht anordenbar. Denn in jedem angeordneten Körper gilt −1 < 0 und a2 > 0 für alle a. Da i2 = −1 in ℂ gilt, kann ℂ nicht anordenbar sein. |
Das Zahlsystem ℕ ⊆ ℤ ⊆ ℚ ⊆ ℝ ist durch Verbesserungen gekennzeichnet: In ℤ können wir subtrahieren, in ℚ dividieren, in ℝ Suprema und Infima bilden. Beim Übergang von ℝ nach ℂ gewinnen wir die Lösbarkeit von Gleichungen (vgl. 2. 12), aber es geht zum ersten Mal auch etwas verloren: die Ordnung der Zahlen, ein Größer und Kleiner.
Bemerkung
Es gibt durchaus lineare Ordnungen auf ℂ = ℝ2. Die lexikographische Ordnung <lex ist ein Beispiel (vgl. 1. 3). Sie erfüllt die Translationsinvarianz. Es gilt i >lex 0, aber i2 = −1 <lex 0, sodass die Positivitätsregel verletzt ist.