4.4Der Homomorphiesatz

Satz (Homomorphiesatz)

Sei φ : G  G′ ein Gruppenhomomorphismus.

Homomorphiesatz für Epimorphismen oder Isomorphiesatz

Ist φ ein Epimorphismus, so sind G/Kern(φ) und G′ isomorph. Genauer ist

ψ : G/Kern(φ)  G′,  ψ(a Kern(φ))  =  φ(a)  für alle a  ∈  G

ein Isomorphismus.

Allgemeiner Homomorphiesatz

Sei N ⊆ Kern(φ) ein Normalteiler von G und π : G  G/N die natürliche Projektion, d. h.

π(a)  =  aN  für alle a  ∈  G.

Dann existiert genau ein Homomorphismus ψ : G/N  G′ mit

φ  =  ψ  ∘  π.

ela1-AbbID168

Es gilt φ = ψ ∘ π. Sind in einem Diagramm alle Wege, die von einer Menge in eine andere durch Anwendung von Funktionen und ihrer Komposition führen, gleich, so heißt das Diagramm kommutativ. Für den Homomorphiesatz liegt ein kommutatives Diagramm vor.

 Zur Illustration der Sätze sind kommutative Diagramme nützlich. Zwei Abbildungswege führen von G zu G′, und die Kommutativität des Diagramms bedeutet, dass diese Wege gleich sind.

 Um uns den Sätzen zu nähern, betrachten wir eine Surjektion

f  :  A  A′

zwischen beliebigen Mengen A und A′. Wir stellen uns f als eine Färbung vor, die jedes Element a von A mit einer Farbe f (a) in A′ einfärbt. Die Surjektivität bedeutet, dass jede Farbe in A′ tatsächlich als Farbe eines Elements in A vorkommt. Der Farbkasten A′ wird also voll ausgenutzt. Wir definieren nun eine Äquivalenzrelation auf A durch

a ∼ b,  falls  f (a)  =  f (b)   für alle a, b  ∈  A.

Sie entspricht der Identifizierung von Elementen mit der gleichen Farbe. Für jedes a  ∈  A ist a/∼ die Menge aller b  ∈  A, die die Farbe f (a) haben. Da f surjektiv ist, ist die Anzahl der Farbklassen a/∼ gleich der Anzahl der Farben: Es gilt |A/∼| = |A′|. Genauer ist die Abbildung g : A/∼  A′ mit

g(a/∼)  =  f (a)  für alle a  ∈  A

die sich aufdrängende oder, wie Mathematiker gerne sagen, „kanonische“ Bijektion zwischen den beiden Mengen. Färben wir also die Bücher einer Bibliothek mit fünf Farben, so haben wir genau fünf Farbklassen (Mengen von Büchern gleicher Farbe) vorliegen. Der Vorgang, die Menge der blauen Bücher auf die Farbe „blau“ abzubilden, ist so natürlich, dass er eigentlich kaum der Rede wert ist. Damit sind wir der abstrakten, aber letztendlich auch einfachen Aussage des Epimorphiesatzes bereits sehr nahe. Im Unterschied zu reinen Surjektionen bleibt nun zusätzlich die algebraische Struktur erhalten, wir betrachten also strukturerhaltende Färbungen. Die Operation ∘′ auf G′ können wir als algebraische „Farbmischung“ ansehen: Erhält a die Farbe φ(a) und b die Farbe φ(b), so erhält a ∘ b die „Mischfarbe“ φ(a) ∘′ φ(b).

Beispiele

(1)

Sei φ : (2, +)  (, +) die Projektion auf die erste Koordinate. Für alle x  ∈   sei Sx = { x } ×  = { (x, y) | y  ∈   } die Senkrechte durch (x, 0). Dann ist φ ein Epimorphismus mit Kern(φ) = S0 (y-Achse). Es gilt

G/Kern(φ)  =  { (x, y) + S0 | (x, y)  ∈  2 }  =  { Sx | x  ∈   },

ψ(Sx)  =  x  für alle x  ∈  .

Die Faktorgruppe 2/Kern(φ) besteht also aus allen zur x-Achse senkrechten Geraden. Der Isomorphismus ψ : 2/Kern(φ)   gibt den Schnittpunkt dieser Geraden mit der x-Achse an.

(2)

Sei φ : (, +)  (10, +) der Vervielfachungs-Homomorphismus mit

φ(a)  =  a [ 3 ]10  für alle a  ∈  .

Dann gilt Kern(φ) = 10 und Bild(φ) = 10. Damit ist

/Kern(φ)  =  /10  =  10.

Es gilt also G/Kern(φ) = G′. Für ψ : 10  10 gilt

ψ([ a ]10)  =  φ(a)  =  a [ 3 ]10  für alle a  ∈  .

Der konstruierte Isomorphismus ψ : 10  10 ist nicht die Identität.

 Im allgemeinen Homomorphiesatz identifizieren wir für N ≠ Kern(φ) weniger Objekte miteinander als möglich. In Analogie zu den Farben: Wir teilen die gleichfarbigen Bücher zusätzlich in „Taschenbücher“ und „fester Einband“ oder in verschiedene Sprachen ein. Wir halten damit einige Merkmale fest, die φ ignoriert.

Beispiel

Sei φ : (, +)  (8, +) definiert durch φ(a) = a [ 2 ]8 für alle a, sodass Kern(φ) = 4. Für den Normalteiler N = 16 ⊆ Kern(φ) von  gilt /N = 16. Für die Abbildungen π :   16, ψ : 16  8 wie im Homomorphiesatz ist

π(a)  =  [ a ]16,  ψ([ a ]16)  =  φ(a)  =  a [ 2 ]8  für alle a  ∈  .