6.5Normen im Endlich-Dimensionalen

Satz (Äquivalenzsatz für Normen)

Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum mit K =  oder K = , und seien ∥ · ∥, ∥ · ∥′ : V  [ 0, ∞ [ Normen auf V. Dann sind die beiden Normen äquivalent, d. h., es gibt reelle Zahlen c, d > 0 mit

(+)  c ∥ v ∥  ≤  ∥ v ∥′,  d ∥ v ∥′  ≤  ∥ v ∥  für alle v  ∈  V.

 Zur Illustration betrachten wir die zu einer Norm auf V gehörige Einheitskugel

B  =  { v  ∈  V | ∥ v ∥  ≤  1 }.

(Die Namensgebung stammt von der euklidischen Norm auf dem 3. Im Allgemeinen ist B nur in einem abstrakten Sinn kugelförmig.) Der Äquivalenzsatz besagt, dass die Einheitskugeln B und B′ zweier Normen ∥ · ∥ bzw. ∥ · ∥′ auf V nach einer geeigneten Skalierung ineinander Platz haben. Definieren wir für c > 0 und A ⊆ V die Skalierung cA durch

c A  =  { cv | v  ∈  A },

so sind äquivalent:

(a)

c ∥ v ∥  ≤  ∥ v ∥′  für alle v  ∈  V.

(b)

cB′  ⊆  B.

Damit ist (+) äquivalent zu

cB′ ⊆ B  und  dB ⊆ B′.

Äquivalent zu (+) ist auch, dass c, C > 0 existieren mit

c ∥ v ∥  ≤  ∥ v ∥′  ≤  C ∥ v ∥  für alle v  ∈  V.

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Die Einheitskugeln der p-Normen für

p = 1, 4/3, 2, 5, ∞ (von innen nach außen)

Beispiele

(1)

Für die Normen ∥ · ∥p für p = 1, 2, ∞ auf dem Kn gelten die Abschätzungen:

∥ x ∥  ≤  ∥ x ∥2  ≤  ∥ x ∥1  ≤  n ∥ x ∥2  ≤  n ∥ x ∥.

(2)

Für den unendlich-dimensionalen -Vektorraum V = 𝒞([ 0, 1 ], ) ist der Satz nicht mehr richtig. Für alle n ≥ 1 sei fn : [ 0, 1 ]   mit

fn(x)  =  max( n  −  n2x, 0) für alle x.

Dann gilt ∥ fn ∥ = n, ∥ fn ∥1 = 1/2 (Integral von |f|) für alle n ≥ 1.

Folglich gibt es kein d > 0 mit d∥ f ∥ < ∥ f ∥1 für alle f  ∈  V.

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 Wir diskutieren zwei analytische Anwendungen des Satzes.

Komponentenweise Konvergenz

Ist V ein normierter Vektorraum, (xk)k ∈  eine Folge in V und x  ∈  V, so schreiben wir

lim ∞ xk  =  x  (bzgl. ∥ · ∥),

falls lim ∞ ∥ xk − x ∥ = 0 in  gilt. Wir sagen dann, dass die Folge (xk)k ∈  unter der Norm von V gegen x konvergiert. Mit Hilfe des Äquivalenzsatzes können wir den Konvergenzbegriff für endlich-dimensionale Vektorräume identifizieren und zeigen, dass er nicht von der Norm abhängt:

Ist V = Kn, so sind äquivalent:

(a)

x  =  lim ∞ xk,

(b)

lim ∞ (xk)j  =  xj  für alle 1 ≤ j ≤ n.

(komponentenweise Konvergenz in K =  bzw. K = )

Zum Beweis verwenden wir, dass ∥x − xk ∥ ≤ c∥ x − xk ∥ für ein geeignetes c gilt, und dass die Konvergenz bzgl. der Maximumsmetrik die komponentenweise Konvergenz ist. Allgemeiner gilt für Folgen in einem endlich-dimensionalen normierten Vektorraum V mit Basis 𝒜 = (v1, …, vn) und zugehöriger Koordinatenabbildung

Φ𝒜 : V  Kn:

lim ∞ xk  =  x  genau dann, wenn  lim ∞ Φ𝒜(xk)j  =  Φ𝒜(x)j  für alle 1 ≤ j ≤ n.

Statt komponentenweiser Konvergenz spricht man deswegen auch von koordinatenweiser Konvergenz. Ist zum Beispiel V ein -Vektorraum mit einer Basis (v1, v2, v3), so konvergiert eine Folge in V unter jeder Norm genau dann gegen einen Vektor

v = α1 v1 + α2 v2 + α3 v3, wenn die drei reellen Koordinatenfolgen der Folge in  gegen α1, α2 und α3 konvergieren.

Homomorphismen sind Lipschitz-stetig

Seien V = Kn, W = Km normiert durch ∥ · ∥V bzw. ∥ · ∥W, und sei f : V  W linear. Dann gilt für alle x, y  ∈  V aufgrund der Linearität von f und der Dreiecksungleichung:

∥ f (x)  −  f (y) ∥W  =  ∥ (x1 − y1) f (e1)  +  …  +  (xn − yn) f (en) ∥W  ≤ 

|x1 − y1| ∥ f (e1) ∥W  +  …  +  |xn − yn| ∥ f (en) ∥W  ≤  s ∥ (x − y) ∥  ≤  s c ∥ (x − y) ∥V,

wobei wir

s  =  ∥ f (e1) ∥W + … + ∥ f (en) ∥W

setzen und für die Konstante c den Äquivalenzsatz bemühen. Damit ist f Lipschitz-stetig mit der Lipschitz-Konstanten L = sc. Allgemeiner zeigt man in dieser Weise, dass jeder Homomorphismus f : V  W zwischen normierten endlich-dimensionalen Vektorräumen V und W Lipschitz-stetig ist. Die Lipschitz-Konstante hängt dabei von den gewählten Normen ab.