8.5Die Trigonalisierung

Satz (Trigonalisierungssatz, Schur-Zerlegung)

Seien V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, n ≥ 1, und f : V  V ein Endomorphismus. Dann sind äquivalent:

(a)

V besitzt eine Basis 𝒜 derart, dass die darstellende Matrix A von f bzgl. 𝒜 eine obere Dreiecksmatrix ist. (Schur-Zerlegung)

(b)

Das charakteristische Polynom pf zerfällt in Linearfaktoren.

A  =  λ1a12a13a14a15a160λ1a23a24a25a2600λ1a34a35a36000λ2a45a460000λ2a5600000λ3

pA  =  (−1)6 (X − λ1)3 (X − λ2)2 (X − λ3)

λ1, λ2, λ3 paarweise verschieden

Ist A wie in (a), so stehen auf der Diagonale von A die Eigenwerte von f. Genauer gilt: a11, …, ann ist eine Aufzählung der Eigenwerte von f, in der jeder Eigenwert λ genau μf(λ) mal erscheint. Insbesondere ist

det(f)  =  det(A)  =  a11 … ann.

 Wir wissen, dass f genau dann diagonalisierbar ist, wenn pf in Linearfaktoren zerfällt und die algebraischen und geometrischen Vielfachheiten übereinstimmen (vgl. 8. 4). Lassen wir die Vielfachheitsforderung fallen, so erhalten wir Trigonalisierbarkeit (Darstellbarkeit durch eine Dreiecksmatrix).

 Im Fall K =  ist (b) immer erfüllt. Damit kann also jeder Endomorphismus V eines endlich-dimensionalen -Vektorraums durch eine obere Dreiecksmatrix dargestellt werden. Allgemeiner gilt dies für jeden algebraisch abgeschlossenen Körper, etwa den Körper K = 𝔸 der algebraischen Zahlen.

 Für Matrizen lautet das Ergebnis:

Ist K ein Körper, n ≥ 1 und A  ∈  Kn × n beliebig, so sind äquivalent:

(a)

Es gibt ein S  ∈  GL(n, K), sodass S A S−1 eine obere Dreiecksmatrix ist.

(b)

pA zerfällt in Linearfaktoren.

 Ist A wie (a), so können wir A zur Berechnung von pf verwenden. Da die Determinante einer Dreiecksmatrix das Produkt ihrer Diagonaleinträge ist, gilt

pf  =  det(A − XEn)  =  (a11 − X) … (ann − X),

sodass pf in Linearfaktoren zerfällt. Diese Überlegung zeigt auch die Behauptung über die Diagonaleinträge von A. Die Implikation von (b) nach (a) lässt sich durch Induktion über die Dimension von V konstruktiv beweisen:

Konstruktion der Basis 𝒜 und der Dreiecksmatrix A

Im Fall n = 1 ist die 1 × 1-Matrix A mit a11 = λ1 wie gewünscht, wobei pf = λ1 − X.

Im Induktionsschritt von n − 1 nach n sei λ1 ein Eigenwert und v1 ein zugehöriger Eigenvektor von f. Weiter sei  = (v1, u2, …, un) eine Basis von V. Die f bzgl.  darstellende Matrix hat in der ersten Spalte die gewünschte Form

B  =  λ1b12b1n0B′ mit  B′  ∈  K(n − 1) × (n − 1).

Wir setzen U = span(u2, …, un) ⊆ V und definieren g : U  U durch

g(uj)  =  f (uj)  −  b1j v1  =  b2j u2  +  …  +  bnj un  für alle 2 ≤ j ≤ n.

Es gilt pf = 1 − X) pg, sodass pg in Linearfaktoren zerfällt. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine Basis 𝒜′ = (v2, …, vn) von U derart, dass die darstellende Matrix A′  ∈  K(n − 1) × (n − 1) von g bzgl. 𝒜′ eine obere Dreiecksmatrix ist. Nun ist 𝒜 = (v1, …, vn) wie gewünscht, denn die darstellende Matrix von f bzgl. 𝒜 hat die Form

A  =  λ1a12a1n0A′.

Beispiel

Wir betrachten den nicht diagonalisierbaren Endomorphismus fC : 3  3 mit

C  =  010120011,  pC  =  −(X − 1)3,  σ(f)  =  { 1 },  μpC(1)  =  3,  dim(Eig(C, 1))  =  1.

Den Eigenvektor v1 = e3 zum Eigenwert λ1 = 1 ergänzen wir durch u2 = e1, u3 = e2 zur Basis  = (v1, u2, u3) = (e3, e1, e2) des 3. Dann ist

B  =  λ1b12b130B′  =  101001012,  B′  =  0112

die darstellende Matrix von fC bzgl. . Seien U = span(e1, e2) und g : U  U mit g(e1) = e2, g(e2) = − e1 + 2e2. Dann hat g den Eigenvektor w1 = (1, −1, 0) zum Eigenwert 1 und wird bzgl. der Basis 𝒜′ = (w1, e1) von U ⊆ 3 durch die Dreiecksmatrix

A′  =  1101

dargestellt. Die darstellende Matrix von fC bzgl. 𝒜 = (v1, w1, e1) ist

A  =  110011001 =  S C S−1  mit  S−1  = v1w1e1 =  011010100.