8.8 Die Singulärwertzerlegung
Satz (Singulärwertzerlegung)
Seien V, W endlich-dimensionale euklidische oder unitäre Vektorräume, n = dim(V), m = dim(W). Weiter sei f : V → W ein Homomorphismus. Dann gibt es Orthonormalbasen 𝒜 und ℬ von V bzw. W derart, dass die darstellende Matrix A ∈ Km × n von f bzgl. 𝒜, ℬ von der rechteckig diagonalen Form
A =
ist, mit r = dim(Bild(f)) und reellen bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmten Diagonaleinträgen σ1, …, σr > 0.
Die Diagonaleinträge
σ1 > 0, …, σr > 0, σr + 1 = ar + 1, r + 1 = 0, …, σn′ = an′, n′ = 0
mit n′ = min(m, n) heißen die Singulärwerte von f.
Im Unterschied zur in 5. 4 erreichten Normalformdarstellung (mit der Matrix Er oben links) verlangen wir hier Orthonormalbasen, was die Konstruktion erschwert. Im Gegensatz zum Normalformproblem für Endomorphismen sind in der Singulärwertzerlegung jedoch unterschiedliche Basen links und rechts zugelassen (auch im Fall V = W), was die Aufgabe erleichtert. Der folgende Beweis zeigt, wie sich die Singulärwertzerlegung aus einer durch den Spektralsatz gelieferten Orthonormalbasis von f* ∘ f ergibt.
Konstruktion der Singulärwertzerlegung
Der Endomorphismus f* ∘ f : V → V ist selbstadjungiert, sodass nach dem Spektralsatz eine Orthonormalbasis 𝒜 = (v1, …, vn) aus Eigenvektoren von f* ∘ f existiert. Für die zugehörigen Eigenwerte λ1, …, λn gilt
λj = 〈 vj, f*(f (vj)) 〉V = 〈 f (vj), f (vj) 〉W ≥ 0 für alle 1 ≤ j ≤ n.
Durch Umordnung erreichen wir, dass λ1, …, λr > 0, λr + 1 = … = λn = 0 für
r = dim(Bild(f* ∘ f)) = dim(Bild(f)) ≤ min(m, n).
Wir setzen nun
σj = , wj = f (vj)σj für 1 ≤ j ≤ r.
Für die Vektoren w1, …, wr gilt
〈 wj, wk 〉W = 〈 f (vj), f (vk) 〉Wσj σk = 〈 vj, f*(f (vk)) 〉Vσj σk = λkσj σk 〈 vj, vk 〉V = δjk.
Ergänzen wir sie zu einer Orthonormalbasis ℬ von W, so gilt 〈 wi, f (vj) 〉W = σj δij für alle 1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ n, sodass A = Af bzgl. 𝒜, ℬ die gewünschte Form hat.
Wir formulieren das Ergebnis noch explizit für Matrizen. Dabei notieren wir Matrizen A ∈ Km × n der Form des Satzes kurz als diag(σ1, …, σr, 0, …, 0).
Singulärwertzerlegung für Matrizen
Für alle A ∈ ℝm × n gibt es S ∈ O(m), T ∈ O(n) mit
S A Tt = S A T−1 = diag(σ1, …, σr, 0, …, 0) ∈ ℝm × n mit positiven σj.
Für alle A ∈ ℂm × n gibt es S ∈ O(m), T ∈ U(n) mit
S A T* = S A T−1 = diag(σ1, …, σr, 0, …, 0) ∈ ℂm × n mit positiven σj.
Die Determinante von f
Ist V = W, so ist det(f) definiert.
Ist S die orthogonale bzw. unitäre Transformationsmatrix des Basiswechsels von ℬ nach 𝒜, so ist A′ = SA die darstellende Matrix von f bzgl. 𝒜, 𝒜. Folglich ist
det(f) = det(SA) = det(S) det(A) = det(S) σ1 … σn = ± σ1 … σn.
Beispiel
Wir betrachten den ℝ2 mit dem kanonischen Skalarprodukt. Sei f = fA : ℝ2 → ℝ2 mit
A = , sodass At A = = 2 E2.
Dann hat die Matrix A keine Eigenwerte. Die Abbildung f* ∘ f : ℝ2 → ℝ2 erfüllt (f* ∘ f)(x) = At A x = 2x für alle x, hat also die Eigenwerte λ1, 2 = 2 und die orthonormale Eigenbasis 𝒜 = (e1, e2). Wir setzen
σ1, 2 = , α = 1/, w1 = α f (e1) = α (1, −1), w2 = α f (e2) = α (1, 1).
Die darstellende Matrix von f bzgl. der Orthonormalbasen 𝒜 und ℬ = (w1, w2) ist diag(σ1, σ2). Die zugehörige Matrizenversion lautet
S A Tt = = = diag(σ1, σ2),
wobei die Spalten von St, Tt ∈ O(2) aus den Vektoren in ℬ bzw. 𝒜 gebildet sind.