Polarkoordinaten für fokusierte Kegelschnitte

Seien ε ≥ 0 und ρ > 0. Wir haben gesehen, dass die Gleichung

(+)  x2  +  y2  =  (ρ − ε x)2

eine fokusierte Ellipse, Hyperbel oder Parabel definiert, nämlich:

EF1a, b mit  a  =  ρ/(1 − ε2),  b  =  ρa falls  ε < 1
HF2a, b mit  a  =  ρ/2 − 1),  b  =  ρa falls  ε < 1
PFamit  a  =  1/(2ρ) falls  ε = 1

Dabei ist ε die Exzentrizität der Objekte und ρ ihr Halbachsenparameter, also ρ = b2/a für Ellipsen und Hyperbeln und ρ = 1/(2a) für Parabeln.

 Die Gleichung (+) können wir nun leicht in Polarkoordinaten (r, φ) umwandeln. Mit den Umrechnungsformeln r2 = x2 + y2 und x = r cos φ wird (+) zu

r2  =  (ρ − ε r cos φ)2

Folglich gilt

r = ± (ρ  −  ε r cos φ)

Mit ρ > 0 erhalten wir:

(1)

  r  =  ρ1 + ε cos φ  für ein positives Vorzeichen

(2)

  r  =  ρε cos φ − 1  für ein negatives Vorzeichen

Wahl und Bedeutung des Vorzeichens

Es gilt r > 0. Für ε ≤ 1 ist ε cos φ − 1 ≤ 0 für alle φ  ∈  , sodass wir das negative Vorzeichen für Ellipsen und Parabeln ausschließen können. Für Hyperbeln sind dagegen beide Vorzeichen relevant. Mit

δ  =  arccos(1/ε)  =  arctan(b/a)

gilt φ  ∈  ] − π + δ, π − δ [ für den linken und φ  ∈  ] −δ, δ [ für den rechten Ast der Hyperbel HF2a, b. Auf dem ersten Intervall ist ε cos φ > −1, auf dem zweiten Intervall gilt ε cos φ > 1. Damit erhalten wir den linken Ast für ein positives Vorzeichen und den rechten für die negative Wahl.

 Wir stellen die Ergebnisse (für eine positive Vorzeichenwahl) noch einmal zusammen.

Zusammenfassung

Seien ε ≥ 0 und ρ > 0. Dann definiert

(+)  r  =  ρ1  +  ε cos φ(„Polargleichung“)

eine fokusierte Ellipse, Parabel oder einen Hyperbelast. Genauer gilt:

Ellipse

Ist ε < 1, so definiert (+) die Ellipse EF1a, b. Es gilt a ≥ b und

ε  =  a2b2a,  ρ  =  b2a,

sodass

a  =  ρ1 − ε2,  b  =  ρ1ε2

Die Radien durchlaufen [ a(1 − ε), a (1 + ε) ], die Winkel ]−π, π ].

Parabel

Ist ε = 1, so definiert (+) die Parabel PFa mit

ρ  =  12a,  sodass  a  =  1

Die Radien durchlaufen [ 1/(4a), ∞ [ , die Winkel ] − π, π [.

Hyperbel-Ast

Ist ε > 1, so definiert (+) den linken Ast der Hyperbel HF2a, b. Es gilt

ε  =  a2+b2a,  ρ  =  b2a,

sodass

a  =  ρε2 − 1,  b  =  ρε21

Die Radien durchlaufen [ a (ε − 1), ∞ [ , die Winkel ] − π + δ, π − δ [ mit

δ  =  arccos(1/ε)  =  arctan(b/a)

Den rechten Ast erhalten wir durch die Gleichung r = ρ/(ε cos φ − 1) mit Radien in [ a (1 + ε), ∞ [ und Winkeln in ] −δ, δ [.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_ellipses_1

Der Punkt P auf der fokusierten Ellipse E = EF1a, b, a = 5/4, b = 1, mit den Polarkoordinaten r, φ. Der rechte Fokus F1 übernimmt die Rolle des Ursprungs.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_ellipses_2

Der Radius der fokusierten Ellipse als Funktion des Arguments φ für die Halbachsen a = 1, 11/10, 2, 3 und b = 1. Dargestellt sind zwei Perioden mit

r(φ)  =  b2/a1 + ε cos φ  für alle φ  ∈  ] − 2π, 2π ]

Modulo 2π werden die Maxima bei π und die Minima bei 0 erreicht. Das Minimum ist a − e > 0, das Maximum ist a + e < 2a. Im Vergleich zu den zentrischen Polarkoordinaten gibt es nur noch ein (kleineres) Minimum und ein (größeres) Maximum.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_hyperbola_1

Polarkoordinaten für die fokusierte Hyperbel H = HF21, 1. Der linke Fokuspunkt F2 befindet sich im Ursprung. Es gilt δ = π/4. Zu Winkel in ] −δ, δ [ gehören zwei Punkte von H. Das Intervall ] −δ, δ [ deckt den rechten Ast ab. Der linke Ast entspricht dem umfassenderen Intervall ] − π + δ, π − δ [.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_hyperbola_2

Die Radien der vier Hyperbeln HF2a, 1 für a = 1/2, 1, 2, 3 und b = 1 (als teilweise zweiwertige Funktion im Winkel φ). Die größeren Bögen entsprechen den linken Ästen, die kleineren den rechten.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_parabola_1

Der Punkt P mit den Polarkoordinaten (r, φ) für die fokusierte Parabel PF1. Der Brennpunkt F der Parabel befindet sich im Ursprung, die Winkel liegen im Intervall ] − π, π [. Dem Winkel 0 entspricht der Scheitelpunkt (1/4, 0) der Parabel.

ellipsen1-AbbIDpolar_foc_parabola_2

Der Parabelradius als Funktion in φ  ∈  ] −π, π [ für die vier Parabeln PFa mit den Öffnungen a = 1/2, 1, 2, 3

 Wir haben zur Herleitung der Polargleichung die universelle kartesische Gleichung für fokusierte Kegelschnitte verwendet, wodurch die Gleichung fast schon dasteht. Wer eine direkte Herleitung bevorzugt, kann so vorgehen:

Direkte Herleitung der Polargleichung

(1)

Seien a ≥ b > 0. Wir formen die Gleichung

b2(x + e)2  +  a2 y2  =  a2 b2(EF1a, b in kartesischen Koordinaten)

mit x = r cos φ, y = r sin φ äquivalent um:

b2(r cos φ + e)2  +  a2 r2 sin2 φ  =  a2 b2

b2 (r2 cos2 φ + 2 r e cos φ + e2)  +  a2 r2 (1 − cos2 φ)  =  a2 b2

a2 r2  =  (a2 − e2)  b2  −  2 b2 e r cos φ  +  (a2 − b2) r2 cos2 φ

a2 r2  =  b4  −  2 b2 e r cos φ r  +  e2 r2 cos2 φ

a2 r2  =  (b2 − e r cos φ)2

r  =  ρ  −  ε r cos φ  (mit ε = e/a und ρ = b2/a)

r  =  ρ1 + ε cos φ (EF1a, b in Polarkoordinaten)

Durch die Sammlung der Terme auf der rechten Seite vermeiden wir den Einsatz der Lösungsformel für quadratische Gleichungen. Im vorletzten Schritt ist nur das positive Vorzeichen möglich, da r > 0 und

b2 − e r cos φ  ≥  b2 − e (a − e)  =  a2 − e a  >  0

(2)

Analog lässt sich eine Hyperbelgleichung

b2(x − e)2  −  a2 y2  =  a2 b2(HF2a, b in kartesischen Koordinaten)

äquivalent umformen in

r  =  ± (ρ  −  ε r cos φ )(HF2a, b in Polarkoordinaten)

Wie oben liefert „+“ den linken und „−“ den rechten Ast der Hyperbel.

(3)

Eine Parabelgleichung

x − 1/(4a)  +  a y2  =  0(PFa in kartesischen Koordinaten)

wird mit ähnlichen Methoden übersetzt in die Gleichung

r  =  cos(φ) r  −  1/(2a),

wobei wie bei den Ellipsen nur das positive Vorzeichen möglich ist. Mit ε = 1 und ρ = 1/(2a) erhalten wir erneut die Polargleichung.

 Die fokusierte Form der Polarkoordinaten ist auch in der Physik von großem Interesse: Bei den Keplerschen Gesetzen befindet sich die Sonne in einem Brennpunkt der Ellipsenbahnen der Planeten. Wir werden fokusierten Kegelschnitten und der Polargleichung bei der Diskussion der Keplerschen Gesetze wieder begegnen.

 Wir können die Polargleichung auch in der Form

(1 + ε cos φ) r  =  ρ

angeben. In dieser Form erscheint 1 + ε cos φ als winkelabhängige Skalierung des Radius. Die Größe ε cos φ gibt die Abweichung vom Halbachsenparameter ρ an. Es gilt |ε cos φ| ≤ ε für alle φ. Für ε = 1/10 ergibt sich also eine maximale Abweichung von 10% zum Halbachsenparameter. Für Ellipsen mit kleiner Exzentrizität erscheint ρ als „Grundradius“, der winkelabhängig etwas über- und unterschritten wird. Er wird an den Nullstellen des Kosinus exakt angenommen.