Polygone am Einheitskreis

 Sei π die Fläche des Einheitskreises K1, mit einer für dieses Kapitel zunächst noch unbekannten Größe π. Für jedes n ≥ 3 seien An und Bn die Flächeninhalte eines regelmäßigen n-Ecks, das in K1 einbeschrieben ist bzw. ihn umschließt. Diese Polygone entstehen durch n gleichmäßig auf K1 verteilte Punkte. Verbinden wir die Punkte, so erhalten wir ein regelmäßiges einbeschriebenes n-Eck. Legen wir Tangenten an die Punkte an, so ergeben die Schnittpunkte dieser Tangenten ein regelmäßiges umschließendes n-Eck. Es gilt An < π < Bn, sodass der Fehler π − An der inneren und der Fehler Bn − π der äußeren Approximation jeweils durch Bn − An beschränkt sind. Aus limn Bn − An = 0 ergibt sich

π  =  limn An  (monoton steigend),  π  =  limn Bn  (monoton fallend)

Für n = 3 besteht die Approximation aus einem inneren und einem äußeren gleichseitigen Dreieck. Im Fall n = 6 erhalten wir Hexagone, die in gleichseitige Dreiecke zerfallen. Allgemein zerfallen die Polygone in gleichschenklige Dreiecke.

ellipsen1-AbbIDarealength_circlearchimedes_0a

Der Einheitskreis K1 und zwei regelmäßige Sechsecke. Die Ecken des inneren Sechsecks sind die Schnittpunkte des äußeren Sechsecks mit K1 (tangentiale Konstruktion).

ellipsen1-AbbIDarealength_circlearchimedes_0b

Alternativ können wir das zweite Sechseck durch Skalierung aus dem ersten erhalten (Skalierungskonstruktion). Die Skalierung von innen nach außen hat den Faktor 2/3. Von außen nach innen gelangen wir entsprechend mit dem Faktor 3/2.

ellipsen1-AbbIDarealength_circlearchimedes_0c

Der Fehler der Approximation konvergiert gegen 0, wenn n gegen unendlich strebt. Er ist für jedes n ≥ 3 beschränkt durch die Fläche eines Kreisrings um K1, der sich für n  ∞ auf K1 zusammenzieht (im Diagramm gestrichelt für n = 7). Genauer sind die Fehler π − An und Bn − π für jedes n kleiner als die Fläche Bn − An von n Trapezen, die durch die Differenz der äußeren und inneren Dreiecke gegeben sind.

Für ein gleichseitiges Dreieck mit der Seitenlänge a gilt:

Höhe h:  a 3/2  Fläche:  a2 3/4

Damit erhalten wir die folgenden Werte für n = 3 und n = 6:

A3  =  3 3/4  (h = 3/2, a = 3)A6  =  6 3/4  =  3 3/2  (h = 3/2, a = 1)
B3  =  3 3  (h = 3, a = 23)B6  =  6 3/3  =  2 3  (h = 1, a = 2/3)

Wir entwickeln nun Formeln zur Berechnung von A12, B12, A24, B24, … Hierzu betrachten wir allgemein den Übergang von einem n-Eck zu einem (2n)-Eck. Dabei tauchen zwei klassische Mittel für reelle Zahlen a, b > 0 auf:

G(a, b)  =  ab(geometrisches Mittel)

H(a, b)  =  21/a + 1/b  =  2 a ba + b(harmonisches Mittel)

Das geometrische Mittel ist die Seitenlänge eines Quadrats mit dem Flächeninhalt eines Rechtecks mit den Seiten a und b: G(a, b)2 = a b. Das harmonische Mittel ist das Inverse des arithmetischen Mittels der Inversen von a und b, d.h. es gilt H(a, b) = ((1/a + 1/b)/2)−1. Es gilt H(a, b) ≤ G(a, b) ≤ (a + b)/2 für alle a, b > 0.

 Nach diesen Vorbereitungen betrachten wir die folgende Figur:

ellipsen1-AbbIDarealength_circlearchimedes_1

Ausschnitt eines ein- und umschließenden regelmäßigen n-Ecks am Einheitskreis. Der Winkel φ ist ein n-tel des Kreisumfangs. Wir untersuchen zuerst den Übergang zum einbeschriebenen (2n)-Eck (rot, mit dem neuen Eckpunkt F).

Nach dem Strahlensatz (mit ME = ME/1 = ME/MF) gilt:

(+)  ME  =  ABCD

Wir berechnen Dreiecksflächen nach „1/2 Grundfläche mal Höhe“:

(1)

An  =  n MAB  =  n AB ME2  =(+)  n AB22 CD

(2)

Bn  =  n MCD  =  n CD2

(3)

AnBn  =  AB2CD2  =  ME2

(4)

An Bn  =  n2 AB24  =  (n AB/2)2

(5)

A2n  =  2n MAF  =  2n 1 · AB/22  =  n AB/2  =  AnBn

(6)

ABCD  =  ME  =  AnBn =  AnBnBn  =  A2nBn

Nach (5) ist A2n das geometrische Mittel von An und Bn. Eine analoge Überlegung liefert eine Formel für B2n. Hierzu verwenden wir:

ellipsen1-AbbIDarealength_circlearchimedes_2

Übergang zum umschließenden (2n)-Eck (grün), mit den neuen Tangentialpunkten A und B und neuen Eckpunkten G und G′. Die alten Eckpunkte C und D verschwinden.

Nach dem Strahlensatz (mit MC = MC/1 = MC/MA) und (6) gilt:

(+)  1 + AC  =  MC  =  CDAB  =  BnA2n

Das Drachenviereck MAGF hat den Inhalt AG (mit MA = 1). Wir erhalten:

(6)

B2n  =  2 n MAGF  =  2 n AG

(7)

Bn − B2n  =  2n ACG  =  n AG AC  =  B2n AC2

(8)

B2n  =  2 Bn2 + AC  =  2 Bn1 + AC + 1  = (+) 2 BnBn/A2n + 1  =  21/A2n + 1/Bn

Damit ist B2n das harmonische Mittel von A2n und Bn. Insgesamt erhalten wir:

Rekursionsformeln zur Flächenberechnung des Einheitskreises
A3  =  3 3/4 B3  =  3 3
A6  =  3/2 3 B6  =  2 3
A2n  =  G(An, Bn) B2n  =  H(A2n, Bn)  für alle n ≥ 3
Numerische Berechnung

Gerundet gilt A3 = 1,29904, B3 = 5,19615. Eine Computerberechnung liefert für A6, B6, A12, B12, A24, B24, … die gerundeten Werte:

n

1

2

3

4

5

A2n 3

2,59808

3

3,10583

3,13263

3,13935

B2n 3

3,4641

3,21539

3,15966

3,14609

3,14271

n

6

7

8

9

10

A2n 3

3,14103

3,14145

3,14156

3,14158

3,141590

B2n 3

3,14187

3,14166

3,14161

3,1416

3,141594

Die ersten fünf Stellen sind exakt. Genauer gilt

π  =  3,14159265358979323846264338327950288419716939937510…

mit 50 exakten Nachkommastellen.