Berechnung der Ableitung

 Unsere Abbildungen legen es nahe, die Ableitung von hA zu berechnen, um den Verlauf von hA besser zu verstehen. Sei also A = ((a, b), (c, d))  ∈  2 × 2 invertierbar. Für alle φ  ∈  ]− π, π ] gilt mit (x, y) = v(φ) = (cos φ, sin φ):

hA(φ)  =  〈 v(φ), A v(φ) 〉∥ A v(φ) ∥  =  a x2 + (b + c) x y + d y2(a2 + c2) x2 + (b2 + d2) y2 + 2(ab + cd) xy

Zur Berechnung der Ableitung von hA brauchen wir die Normableitung

∥ v ∥′  =  〈 v, v′ 〉∥ v ∥,  ∥ A v ∥′  =  〈 A v, A v′ 〉∥ A v ∥

Dabei fassen wir v als Funktion v : ] −π, π ]  2 mit Werten v(φ) = (cos φ, sin φ)) auf. Weiter verwenden wir:

det(v, A v)  =  〈 v′, A v 〉  mit  v′(φ)  =  rotπ/2 v(φ)  =  (− sin φ, cos φ)

Stark vereinfacht wird die Berechnung der Ableitung zudem durch:

Satz (Vierfaktorensatz)

Seien v1, v2, w1, w2  ∈  2. Dann gilt

〈 v1, w1 〉 〈 v2, w2 〉  −  〈 v1, w2 〉 〈 v2, w1 〉  =  det(v1, v2) det(w1, w2)

Beweis

Die linke Seite der Identität ist die Determinante des Matrizenprodukts

(v1, v2) (w1; w2) (mit v1, v2 in den Zeilen und w1, w2 in den Spalten)

Daher folgt die Behauptung aus dem Determinantenmultiplikationssatz und det((w1; w2)) = det(w1, w2).

 Für eine Matrix erhalten wir:

Korollar (Vierfaktorensatz, Spezialfall)

Seien A  ∈  2 × 2 und v, w  ∈  2. Dann gilt

〈 v, A v 〉 〈 A v, A w 〉  −  〈 v, A w 〉 〈 A v, A v 〉  =  det(v, A v) det(A) det(v, w)

Beweis

Es gilt det(A) det(v, w) = det(A (v; w)) = det(A v, A w). Die Behauptung folgt daher durch Anwendung des Satzes auf v1 = v, v2 = w1 = A v, w2 = A w.

 Nach diesen technischen Vorbereitungen können wir nun vergleichsweise einfach zeigen:

Satz (Ableitung der hA-Funktion)

Sei A = ((a, b), (c, d)) invertierbar. Dann gilt:

hA′  =  1∥ A v ∥3 det(v, A v) (〈 A v, A v 〉 − det(A)) (mit v(φ) = (cos φ, sin φ))

Weiter gilt:

(1)

det(v(φ), A v(φ)) = 0  genau dann, wenn  v(φ) ist ein Eigenvektor von A

(2)

Ist det(A) < 0, so hat hA keine weiteren Nullstellen.

(3)

Ist det(A) > 0 und A[ K ] ein Kreis, so ist h′ = 0.

(4)

Ist det(A) > 0 und E = A[ K ] kein Kreis, so gibt es im Intervall ] −π, π ] genau vier Stellen φ mit 〈 A v, A v 〉 − det(A) = 0. Ein φ ist genau dann eine derartige Nullstelle von hA, wenn ∥ A v(φ) ∥ das geometrische Mittel der Halbachsen σ1, σ2 von E ist.

Beweis

Mit hA = 〈 v, A v 〉 ∥ A v ∥−1 gilt nach den Ableitungsregeln:

hA′ =  ∥ A v ∥−2 (∥ A v ∥ (〈 v′, A v 〉 + 〈 v, A v′ 〉)  −  〈 v, A v 〉 〈 A v, Av′ 〉 ∥ A v ∥−1)
=  ∥ A v ∥−3 (〈  A v, A v  〉 (〈 v′, A v 〉 + 〈 v, A v′ 〉)  −  〈 v, A v 〉 〈 A v, A v′ 〉)
=  ∥ A v ∥−3 (〈 v′, A v 〉 〈 A v, A v 〉  +  〈 v, A v′ 〉 〈 A v, A v 〉  −  〈 v, A v 〉 〈 A v, A v′ 〉)
=  ∥ A v ∥−3 (det(v, A v) 〈 A v, A v 〉  −  det(v, A v) det(A))
=  ∥ A v ∥−3 det(v, A v) (〈 A v, A v 〉  −  det(A))

Im vorletzten Schritt haben wir den Spezialfall des Korollars (mit w = v′) und det(v, v′) = 1 verwendet.

zum Zusatz:  Die Nullstellen von det(v, A v) entsprechen nach obigen Ergebnissen genau den Eigenvektoren von A.

Ist det(A) < 0, so ist 〈 A v, A v 〉 − det(A) > 0, sodass außer den Stellen φ mit det(v(φ), A v(φ)) = 0 keine weiteren Nullstellen existieren.

Sei also det(A) > 0. Ist A[ K ] ein Kreis mit Radius r, so A = r S mit einer Rotationsmatrix S, sodass 〈 A v, A v 〉 = r2 = det(A). Folglich ist hA′ = 0. Ist A[ K ] eine Ellipse mit den Halbachsen σ1 > σ2, so ist der Wertebereich von ∥ A v ∥ das Intervall [ σ2, σ1 ] und die Werte σ1 und σ2 werden im Intervall ] −π, π ] jeweils genau zweimal angenommen. Folglich gibt es in diesem Intervall genau vier Stellen φ mit

∥ A v(φ) ∥  =  det(A)  =  σ1σ2

Beispiele

(1)

Die obigen Abbildungen zeigen, dass hA im Intervall ] −π, π ] im Fall einer echten Ellipse und einer positiven Determinante vier oder acht Extremwerte besitzen kann: Vier Stellen des Typs 1 (Eigenvektoren) und vier Stellen des Typs 2 (〈 A v, A v 〉 = det(A) = σ1 σ2).

(2)

Die Typen können sich überschneiden, wie es etwa bei der Scherung A = ((1, 1), (0, 1)) der Fall ist. Hier gilt:

det(v(φ), A v(φ))  =  − sin2(φ)

〈 A v, A v 〉 − det(A)  =  sin(φ) (2 cos φ + sin φ)

Im Intervall ] −π, π ] sind 0 und π jeweils Nullstellen des Typs 1 und 2. Weiter sind

φ1  =  2 arctan((1 − 5)/2)  ∼  − 1,107

φ2  =  2 arctan((1 + 5)/2)  ∼  2,034

Nullstellen des Typs 2. Es gilt φ2 = φ1 + π.

ellipsen1-AbbIDspecth3_direction_5b

Die Funktion hA für die Scherung A = ((1, 1), (1, 0)) und ihre Ableitung hA′. Die Ableitung hat vier Nullstellen im Intervall ] −π, π ].

(3)

Für die Spiegelung A = ((1, 0), (0, −1)) ist A[ K ] ein Kreis. Es gilt

det(A)  =  −1  <  0,

sodass keine Nullstellen von hA′ des Typs 2 existieren. Die Funktion hA und ihre Ableitung berechnen sich zu

hA(φ)  =  cos(2φ),  hA′(φ)  =  − 2 sin(2φ)

Die Nullstellen 0, π/2, π, 3π/4 von hA′ im Intervall ] −π, π ] entsprechen den Eigenvektoren (1, 0) und (0, 1) von A.

 Wir versammeln noch einige Rechenregeln, die sich leicht nachweisen lassen.

Satz (Rechenregeln)

Seien A = ((a, b), (c, d))  ∈  2 × 2, φ  ∈  ] −π, π ], v = (x, y) = (cos φ, sin φ) und v′ = (−y, x) = (− sin φ, cos φ). Dann gilt:

(a)

〈 v′, A v 〉  =  det(v, A v)  =  〈 v, AL v 〉

(b)

〈 v, A v′ 〉  =  − det(v′, A v′)  =  − 〈 v′, ALv′ 〉  =  〈 v, AtL v 〉  =  det(v, At v)

(c)

AL − AtL  =  diag(c − b)

(d)

〈 v′, A v 〉 − 〈 v, A v′ 〉  =  c − b

(e)

〈 A v, A v 〉  =  〈 v′, A v 〉2  +  〈 v, A v 〉2

(f)

〈 A v, A v 〉  +  〈 A v′, A v′ 〉  =  a2 + b2 + c2 + d2

(g)

〈 v, A v 〉  +  det(A) 〈 v, A−1 v 〉  =  a + d

(h)

〈 v, A v′ 〉  =  − det(A) 〈 v, A−1 v′ 〉

 Mit Hilfe der Größen für Matrix-Ellipsen (hier für At) erhalten wir:

Satz (Rechenregeln, II)

Seien A, φ, v, v′ wie oben seien

p  =  qAt  =  ((a2 − b2 + c2 − d2)/2, ab + cd)

r  =  (a2 + b2 + c2 + d2)/2

Dann gilt:

(a)

〈 A v, A v 〉  =  r  +  〈 p, v(2φ) 〉

(b)

〈 A v, A v′ 〉  =  〈 p, v′(2φ) 〉  =  − det(p, v(2φ))

(c)

〈 v′, A v′ 〉  =  r  −  〈 p, v(2φ) 〉