Die Jordansche Normalform

 Sei A = ((a, b), (c, d))  ∈  2 × 2. Die Diagonalisierbarkeit von A bedeutet, dass es eine invertierbare Matrix P und eine Diagonalmatrix D gibt mit

A  =  P D P−1

Es stellt sich die Frage nach einer möglichst einfachen analogen Zerlegung für nicht diagonalisierbare Matrizen. Sei also A nicht diagonalisierbar. Nach unseren Überlegungen ist also

λ  =  spur(A)/2  =  (a + d)/2

ein algebraisch doppelter, aber geometrisch einfacher Eigenwert von A ist. Wir setzen:

N  =  A − λ E2,  s  =  (a − d)/2

Dann gilt:

(1)

 N  =  aλbcdλ =  a(a+d)/2bcd(a+d)/2 =  sbcs

(2)

 σ(N)  =  { 0 } (d. h. 0 ist der eindeutige Eigenwert von N)

(3)

 Kern(N)  =  Eig(A, λ) (sodass dim(Kern(N)) = 1)

(4)

 dim(Bild(N))  =  1

Wegen det(N) = 0 ist s2 + bc = − det(N) = 0. Damit gilt:

(5)

 N2  =  s2+bc00bc+s2  =  0

(6)

 A N  =  λ N (da (A − λ E2) N = N2 = 0)

Für alle v gilt also A (N v) = λ (N v), sodass Bild(N) ⊆ Eig(A, λ). Da beide Unterräume die Dimension 1 besitzen, ist

Bild(N)  =  Eig(A, λ)  =  Kern(N)

Die Spalten N e1, N e2 von N sind im Bild von N und damit Eigenvektoren von A zum Eigenwert λ, falls sie von Null verschieden sind. Wir setzen

v1  =  N e2,  v2  =  e2,  falls  N e2 ≠ 0

v1  =  N e1,  v2  =  e1,  falls  N e2 = 0 (und folglich N e1 ≠ 0, da N ≠ 0)

Dann ist (λ, v1) ein Eigenpaar von A und Nv2 = v1, sodass (A − λE2) v2 = v1 und

(+)  A v2  =  v1  +  λ v2

Wir setzen

P  =  (v1; v2),  D  =  ((λ, 0); (1, λ))

Dann gilt P e1 = v1, P−1 v1 = e1 und analog für e2 und v2. Damit erhalten wir:

P−1 A P e1  =  P−1 A v1  =  λ P−1 v1  =  λ e1  =  (λ, 0)

P−1 A P e2  =  P−1 A v2  =  P−1(v1 + λ v2)  =  e1 + λ e2  =  (1, λ)

Folglich ist

P−1 A P  =  D,  A  =  P D P−1

Wir haben gezeigt:

Satz (Jordansche Normalform)

Sei A  ∈  2 × 2 nicht diagonalisierbar. Dann gibt es eine invertierbare Matrix P und eine obere Dreiecksmatrix D = ((λ, 0); (1, λ)) mit

A  =  P D P−1  =  P λ10λ P−1

Der Diagonaleintrag λ ist der eindeutige Eigenwert von A. Für die Matrix N = A − λ E2 gilt

N2  =  0,  A N  =  λ N,  Bild(N)  =  Kern(N)  =  Eig(A, λ)

Als Matrix P ist jedes Paar (v1; v2) mit

(a)

v1 ist ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ

(b)

A v2  =  v1  +  λ v2

geeignet. Konkret sind die Matrizen (Ne2; e2) bzw. (Ne1; e1) als P geeignet, sofern Ne2 ≠ 0 bzw. Ne1 ≠ 0.

 Es gilt A v1 = λ v1, A v2 = v1 + λ v2. Der Vektor v2 ist ein „um v1 verschobener Eigenvektor“ und ein bestmöglicher Ersatz für die fehlende zweite Dimension des Eigenraumes.

 Die Dreiecksmatrizen der Jordanschen Normalform können wir in der Form

D  =  λ 11/λ01 für λ ≠ 0

schreiben. Die Matrix auf der rechten Seite ist eine Scherung um den Faktor 1/λ mit der x-Achse als Scherungsachse.