Überführung in reinquadratische Form
Wir betrachten eine zentrische algebraische Gleichung
(#) a x2 + b x y + c y2 = d (d. h. 〈 (x, y), A (x, y) 〉 = d in Matrix-Form)
Wir zeigen mit Hilfe des Spektralsatzes, dass es eine Substitution
(x′, y′) = rot−φ (x, y)
gibt, die (#) in die reinquadratische Form
(#)0 a′ x′ 2 + c′ y′ 2 = d
überführt. Die folgenden Überlegungen sind auch im Fall det(A) = 0 gültig.
Analogie zur quadratischen Ergänzung
Die Vereinfachung entspricht dem Schritt von x2 + b x + c = 0 zur reinquadratischen Form (x − x0)2 + c′ = 0 beim Lösen quadratischer Gleichungen. An die Stelle der quadratischen Ergänzung tritt der Spektralsatz.
Da A symmetrisch ist, gibt es nach dem Spektralsatz eine orthogonale Diagonalisierung der Form
A = rotφ D rot−φ, D = diag(λ1, λ2)
Die Spalten von rotφ sind (positiv orientierte) Eigenvektoren von A, die Diagonaleinträge λ1, λ2 von D zugehörige Eigenwerte. Wir zeigen, dass φ wie gewünscht ist: Für alle (x, y) gilt mit (x′, y′) = rot−φ (x, y):
〈 (x, y), A (x, y) 〉 | = 〈 (x, y), rotφ D rot−φ (x, y) 〉 |
= 〈 rot−φ (x, y), D rot−φ (x, y) 〉 | |
= 〈 (x′, y′), D (x′, y′) 〉 |
Durch die Substitution erhalten wir also die reinquadratische Gleichung
(#)0 λ1 x′ 2 + λ2 y′ 2 = d
Die Koeffizienten der quadratischen Terme sind die Eigenwerte von A.
Allgmeine Substitutionen
Für eine Substitution der Form v = B v′ mit v = (x, y), v′ = (x′, y′) gilt:
〈 v, A v 〉 = 〈 B v′, A B v′ 〉 = 〈 v′, Bt A B v′ 〉 für alle v′ = (x′, y′)
Die darstellende Matrix der Gleichung in x′, y′ ist also Bt A B, wenn A die darstellende Matrix in x, y ist. (Die Invertierbarkeit von B wird erst für die Rücksubstitution v′ = B−1 v benötigt.)
Wir fassen zusammen:
Satz (Rotation zu einer reinquadratischen Gleichung)
Sei a x2 + b x y + c y2 = d eine zentrische algebraische Gleichung zweiten Grades mit Lösungsmenge L. Dann gilt mit A = ((a, b/2), (b/2, c)):
Rotation
Die Gleichung wird durch (x′, y′) = rot−φ (x, y) in die reinquadratische Form λ1 x′2 + λ2 y′2 = d übergeführt, wobei gilt:
(1) | rotφ = (v1; v2) mit Eigenvektoren v1, v2 von A (und v2 = rotπ/2(v1)) |
(2) | λ1, λ2 sind die zu v1 und v2 gehörigen Eigenwerte von A |
Klassifikation
Für d ≠ 0 gilt: Gilt det(A) < 0, so ist L eine Hyperbel. Gilt det(A) > 0, so ist L eine Ellipse (falls sgn(d) = sgn(λ1) = sgn(λ2)) oder die leere Menge (falls sgn(d) ≠ sgn(λ1) = sgn(λ2)).
Gilt d = 0 oder det(A) = 0, so ist L ein Sonderfall wie im reinquadratischen Fall.
Beweis
Der Zusatz ergibt sich aus det(A) = λ1 λ2. Es gilt det(A) = 0 genau dann, wenn ein Eigenwert Null ist. Andernfalls gilt det(A) > 0 genau dann, wenn die Eigenwerte die gleiche Parität besitzen. Damit folgen die Aussagen aus der reinquadratischen Klassifikation.
Insgesamt erhalten wir:
Satz (Zentrierung und Rotation)
Sei a x2 + b xy + cy2 + d x + e y + f = 0 eine algebraische Gleichung mit Zentrum v0. Weiter sei A = rot−φ diag(λ1, λ2) rotφ. Dann wird die Gleichung durch
(x″, y″) = rot−φ(x′, y′) = rot−φ((x, y) − v0)
übergeführt in
λ1 x″2 + λ2y″2 + f ′ = 0 mit f ′ = f + 1/2 〈 (d, e), v0 〉
Im Fall det(A) ≠ 0 ist v0 eindeutig und es gilt
f ′ = f − (4 det(A))−1 (c d2 − b d e + a e2)
Beweis
Die Zentrierung ändert die Koeffizienten a, b, c (und damit A) nicht, während der konstante Term f in der angegebenen Form verändert wird. Die anschließende Rotation lässt f ′ invariant und erzeugt die Eigenwerte.
Beispiel: Ellipse (und Anordnung der Eigenwerte)
Wir betrachten die obige zentrierte Gleichung
(#) 5 x2 − 6 x y + 5 y2 − 8 = 0
und ihre Matrix A = ((a, b), (b, c) = ((5, −3), (−3, 5)). Wegen det(A) = 16 > 0 definiert die Gleichung eine Ellipse. Die Eigenwerte von A berechnen sich nach unserer Formel für die Eigenwerte symmetrischer Matrizen zu
12(a + c ± ) = 12(10 ± ) = 5 ± 3
Wir setzen λ1 = 2, λ2 = 8 und erhalten die reinquadratische Form
(#)0 2 x2 + 8 y2 − 8 = 0,
die wir in der äquivalenten Form
x2 + 4 y2 = 4
schreiben können. Sie definiert die achsenparallele Ellipse E2, 1.
Alternativ ergibt sich 8x2 + 2y2 − 8 = 0, wenn wir λ1 = 8 und λ2 = 2 wählen. Dies entspricht einer Drehung der achsenparallelen Ellipse E2, 1 um π/2, durch die wir E1, 2 erhalten. Durch die Wahl von λ1 < λ2 erreichen wir, dass die große Halbachse auf der x-Achse liegt.
Die Berechnung der Eigenvektoren ist bei diesem Vorgehen nicht nötig. Es ist aber vielleicht instruktiv, sie explizit anzugeben. Wir lösen hierzu
(A − λ1E) (x, y) = 0 mit λ1 = 2, d. h. 3x − 3y = 0, −3x + 3y = 0
Eine nichttriviale Lösung ist (1, 1). Normierung liefert den Eigenvektor v1 = α (1, 1) mit α = 1/. Wir rotieren v1 um π/2 gegen den Uhrzeigersinn und erhalten den normierten Eigenvektor v2 = α (−1, 1) zum zweiten Eigenwert λ2 = 8. Damit erhalten wir:
B = (v1; v2) = α = rotπ/4
Bt A B = α2 = = diag(λ1, λ2)
Alternativ können wir auch die konkreten Formeln für die Eigenvektoren verwenden (vgl. das Kapitel über den Spektralsatz).
Insgesamt haben wir die Gleichung 5x2 − 6xy + 5y2 − 14x + 2y + 5 = 0 durch Zentrierung und Rotation in die Gleichung
x″2 + 4y″2 = 4
übergeführt.
Zentrierung durch −v0 = (−2, −1) und Rotation um −φ mit φ = π/4:
5x2 − 6xy + 5y2 + 14x + 2y + 5 = 0 (blau)
5x2 − 6xy + 5y2 − 8 = 0 (gelb), x2 + 4y2 = 4 (grün)
Beispiel: Hyperbel
Im Beispiel oben hatten wir die algebraische Gleichung
5x2 − 6xy − 5y2 + 14x + 2y + 5 = 0
durch v0 = 1/17 (19, −8) zentriert und so die Gleichung
5x2 − 6xy + 5y2 − 56/17 = 0
erhalten. Die darstellende Matrix ist A = ((5, −3), (−3, −5)) mit Spur 0. Sie hat die Eigenwerte und (nicht normierten) Eigenvektoren
λ1 = , λ2 = −,
v1 = (1, (5 − )/3), v2 = rotπ/2(v1)
Wir erhalten durch Rotation um −φ mit φ = arctan(5 − )/3 = −0,27… die Gleichung
x2 − y2 − 56/17 = 0
Sie definiert eine Hyperbel und ist äquivalent zu
x2 − y2 = 56/(17)
Zentrierung durch −v0 = 1/17 (−19, 8) und Rotation um −φ mit φ = arctan((5 + )/3):
5x2 − 6xy − 5y2 + 14x + 2y + 5 = 0 (blau),
5x2 − 6xy + 5y2 − 56/17 = 0 (gelb), x2 − y2 = 56/(17 ) (grün)
Schließlich betrachten wir noch einmal unsere Matrix-Ellipsen:
Beispiel: Die Determinante einer Matrix-Ellipse
Sei A = ((a, b), (c, d)) invertierbar, und sei E = A[ K ] die Matrix-Ellipse von A. Dann wird E durch die zentrische Gleichung
(c2 + d2) x2 − 2(ac + bd) x y + (a2 + b2) y2 = det(A)2
definiert. Die Determinante dieser Gleichung berechnet sich mit Hilfe der Lagrange-Identität zu
(c2 + d2) (a2 + b2) − (ac + bd)2 = (ad − bc)2 = det(A)2 > 0
Die Determinante der Gleichung ist also, wie es sein muss, positiv. Die Matrix A kann dabei eine negative Determinante besitzen.