Starke Dämpfung
Es bleibt der Fall μ > 2 m ω zu behandeln. Wir betrachten hierzu noch einmal den Ansatz q(t) = c(t) e−λ t und die Ableitungen
q′(t) = − λ q(t) + c′(t) e−λ t, q″(t) = − λ2 q(t) − 2 λ q′(t) + c″(t) e−λt
Nach den Schwingungen mit c″(t) = − ω*2 c(t) und dem aperiodischen Grenzfall c″(t) = 0 streben wir nun
c″(t) = ω*2 c(t), q″(t) = − ω2 q(t) − 2 λ q′(t)
mit erneut λ = μ/(2m) an, wobei wir jetzt wegen μ > 2 m ω
ω* =
setzen, sodass λ2 = μ2/(4m2) > ω2. Dies können wir durch c : ℝ → ℝ mit
c(t) = a eω* t + b e− ω* t für alle t ∈ ℝ
erreichen. Diese Funktion entspricht der Funktion
a cos(ω* t) + b sin(ω* t) (= c cos(ω* t − φ))
des ersten Falls. Damit ist für alle a, b ∈ ℝ die Funktion q : ℝ → ℝ mit
(+) q(t) = c(t) e−λ t = (a eω*t + b e−ω* t) e− λ t, λ = μ/(2m), ω* =
eine Lösung der Differentialgleichung
(#) q″(t) = − ω2 q(t) − μ/m q′(t) mit μ > 2 m ω
Bemerkung
Die fallabhängigen Definitionen von ω* lassen sich durch
ω* = , λ = μ/(2m), ω =
zusammenfassen. Im aperiodischen Grenzfall ist λ = ω und ω* = 0. Für kleine Dämpfungen ist ω > λ, für große Dämpfungen gilt ω < λ.
Sind Anfangswerte x0 und v0 gegeben, so müssen wir a, b so wählen, dass
x0 = q(0) = c(0) = a + b
v0 = q′(0) = − λ q(0) + c′(0) = − λ x0 + ω* (a − b)
Auflösen nach a und b ergibt
a = (ω* + λ) x0 + v02 ω*, b = (ω* − λ) x0 − v02ω*
Beispiel (Kriechfall, starke Dämpfung)
Für m = 1, μ = 3, k = 1/2 und die Anfangswerte x0 = 1, v0 = 2 erhalten wir die Lösung q : ℝ → ℝ mit
q(t) = (a eω*t + b e−ω* t) e− λ t, wobei
λ = 3/2, ω* = /2, a = (1 + )/2, b = (1 − )/2
Im Phasenraum nähert sich die Lösung annähernd linear dem Nullpunkt: Der Körper „kriecht“ zum Ursprung (entlang der gestrichelten Geraden). Diese lineare Annäherung werden wir gleich nachweisen.
Die augenfällige fast lineare Annäherung an den Ursprung im Phasenraum lässt sich durch die Berechnung des Quotienten q′/q erklären. Es gilt
q′(t)q(t) | = −λ q(t) + c′(t) e−λtq(t) = −λ + ω* (a eω* t − b e−ω*ta eω*t + b e−ω* t) |
= −λ + ω* (1 − 2b e−ω*ta eω*t + b e−ω* t) für alle t ∈ ℝ mit q(t) ≠ 0 |
Folglich gilt
limt → ∞ q′(t)/q(t) = ω* − λ
Beispiel
In der Situation des obigen Beispiels ist der Grenzwert gleich
ω* − λ = ( − 3)/2 ∼ − 0,18
Die Halbgerade des Diagramms hat diese Steigung.
Verwendung der hyperbolischen Funktionen
Wir haben im stark gedämpften Fall die Funktionen eω* t und e−ω* t zur Darstellung der Lösung verwendet. Alternativ können wir die hyperbolischen Funktionen cosh und sinh einsetzen. Den gedämpften Schwingungen
(a cos(ω* t) + b sin(ω* t)) e−λ t
stehen dann die „bis auf ein h“ identischen Funktionen
(a cosh(ω* t) + b sinh(ω* t)) e−λ t
der starken Dämpfung gegenüber. Mit Hilfe der Additionstheoreme
cosh(x + y) = cosh(x) cosh(y) + sinh(x) sinh(y)
sinh(x + y) = cosh(x) sinh(y) + cosh(x) sinh(y)
können wir die Form
c cosh(ω* t + t0) e−λ t
erreichen, in Analogie zu c cos(ω* t + φ) e−λ t.
Verwendung der komplexen Exponentialfunktion
Umgekehrt lässt sich die Exponentialfunktion zur Lösung an die Spitze stellen. Durch imaginäre Exponenten kommen die trigonometrischen Funktionen durch die Eulersche Formel ei t = cos(t) + i sin(t) ins Spiel.
Wir verweisen auf die Literatur zur Analysis (Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten) für die allgemeine Lösungstheorie der hier betrachteten Differentialgleichungen.