Ellipsen im Phasenraum

Im Folgenden seien stets m, k > 0 und (x0, v0) ≠ 0. Wir setzen zudem

ω  =  k/m,  T  =  2π/ω

Wir schreiben die Differentialgleichung m q″(t) = − k q(t) in der eleganten Form

q″(t)  =  − ω2 q(t)

In die Lösung q :    geht neben den Anfangswerten x0 und v0 nur die Kreisfrequenz ω ein. Das Quadrat bei ω erklärt sich durch zweimaliges Nachdifferenzieren der Funktionen cos(ωt) und sin(ωt). Verwendet wird oft auch die Variante

q″(t)  +  ω2 q(t)  =  0,

in der die Lösung als Nullstelle einer Funktionalgleichung erscheint.

 Wir betrachten nun Ort und Impuls und formulieren neu:

Lösung des harmonischen Oszillators in Ort und Impuls

Das AWP „q″(t) = − ω2 q(t), q(0) = x0, q′(0) = v0“ wird durch die Schwingung q :    mit

q(t)  =  c cos(ωt − φ),  c  =  x02+(v0/ω)2,  φ  =  arg(x0, v0/ω)

mit der Periode T gelöst. Für die Impulsfunktion p :    gilt

p(t)  =  m q′(t)  =  − m ω c sin(ωt − φ)

 Wir definieren für die Lösung q die Kurve g : [ 0, T ]  2 im zweidimensionalen Phasenraum 2 =  ×  (interpretiert als Ort × Impuls) durch

g(t)  =  (q(t), p(t))  =  (c cos(ωt − φ),  − m ω c sin(ωt − φ))  für alle t  ∈  [ 0, T ]

Wir lesen ab, dass g eine Parametrisierung der achsenparallelen Ellipse Eσ1, σ2 mit den Halbachsen

σ1  =  c  =  x02+(v0/ω)2 (Amplitude)

σ2  =  m ω c  =  m ω σ1(maximaler Impulsbetrag)

ist. Mit diesen Werten gilt

g(t)  =  1 cos(ωt − φ),  − σ2 sin(ωt − φ))  für alle t  ∈  [ 0, T ]

Die Parametrisierung g hat folgende Eigenschaften:

(a)

Der Start- und Endpunkt ist g(0) = g(T) = (q(0), p(0)) = (x0, m v0)).

(b)

Die Ellipse wird im Uhrzeigersinn durchlaufen.

(c)

Die Durchlaufgeschwindigkeit ist ω.

Bemerkung

Wir können die Kurve g mit der Bijektion h : [ − φ, − φ + 2π ]  [ 0, T ] mit

h(t)  =  (t + φ)/ω  für alle t  ∈  [ −φ, −φ + 2π ]

reparametrisieren. Es gilt

g(h(t))  =  1 cos(t), − σ2 sin(t))  für alle t  ∈  [ − φ, − φ + 2π ]

Damit ist g ∘ h : [ − φ, − φ + 2π ]  2 (und folglich g) eine Parametrisierung von Eσ12. Aufgrund des negativen Vorzeichens in der zweiten Komponente wird die Ellipse Eσ1, σ2 im Uhrzeigersinn durchlaufen.

 Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen:

Satz (Lösung als Ellipse im Phasenraum)

Sei q :    die Lösung des AWP

q″(t)  =  − ω2 q(t),  q(0)  =  x0,  q′(0)  =  v0

Weiter sei p = m q die zur Lösung gehörige Impulsfunktion. Mit

σ1  =  c  =  x02+(v0/ω)2,  σ2  =  m ω σ1

gilt:

(q(t), p(t))  ∈  2 | t  ∈  [ 0, T ] }  =  Eσ1, σ2

Sei φ = arg(x0, v0/ω). Dann wird die Ellipse Eσ1, σ2 parametrisiert durch die Kurve g : [ 0, T ]  2 mit

g(t)  =  (q(t), p(t))  =  1 cos(ωt − φ),  − σ2 sin(ωt − φ))  für alle t  ∈  [ 0, T ]

Es gilt g(0) = (q(0), p(0)) = (x0, m v0).

 Visualisierungen dieses Ergebnisses reichen wir bei der Diskussion von Richtungsfeldern nach.

 Der Zusammenhang

σ2  =  m ω σ1  =  m k/m σ1  =  mk σ1

zwischen den Halbachsen ist bemerkenswert. In der Form m ω ist der Skalar bei σ1 das Produkt der Masse und der Kreisfrequenz der Schwingung. In der Form mk wird die erste Halbachse skaliert mit dem geometrischen Mittel der Masse m und der Konstanten k der Kraft F. Es gilt λ2 = m k λ1 für die Quadrate λ1,2 der Halbachsen. Die Exzentrizität der Ellipse berechnet sich damit zu

elin  =  λ1λ2  =  σ1 1mk,  εnum  =  1mk,  falls σ1 ≥ σ2

elin  =  λ2λ1  =  σ1 mk1,  εnum  =  1m ω mk1,  falls σ2 ≥ σ1