Das zweite Keplersche Gesetz für Zentralkräfte
Aus der Drehimpulserhaltung ergibt sich überraschend einfach:
Satz (zweites Keplersches Gesetz)
Sei q : I → U eine Lösung von (#). Dann überstreicht der Bahnvektor q in gleichen Zeiten gleiche Flächen. Genauer überstreicht q in einem Zeitintervall [ a, b ] ⊆ I die Fläche
L02m (b − a),
wobei L0 = ∥ L(0) ∥ die Länge des konstanten Drehimpulses ist.
Beweis
Die von der Kurve q|[ a, b ] : [ a, b ] → U überstrichene Fläche berechnet sich zu (vgl. das Kapitel über „Flächeninhalte und Bogenlängen):
A(a, b) = 12 ∫ba |det(q(t), q′(t))| dt = 12 ∫ba ∥ q(t) × q′(t) ∥ dt
Damit gilt unter Verwendung der Drehimpulserhaltung:
A(a, b) | = 12 ∫ba ∥ q(t) × q′(t) ∥ dt = 12m ∫ba ∥ q(t) × p(t) ∥ dt |
= 12m ∫ba ∥ L(t) ∥ dt = 12m ∫ba L0 dt | |
= L02m (b − a) |
Der verwendeten Flächenformel sind wir im ersten Abschnitt bereits begegnet. Die Beweisskizze zur Veranschaulichung der Formel lautet im vorliegenden Kontext:
Zur Integralformel der überstrichenen Fläche
Die Länge des Kreuzprodukts v × w zweier Vektoren v, w ∈ ℝ3 ist die Fläche des von v und w aufgespannten Parallelogramms, sodass
Δ(v, w) = 1/2 ∥ v × w ∥
die Fläche des von v und w aufgespannten Dreiecks ist. Für eine Partition des Intervalls [ a, b ] mit den Zerlegungspunkten a = t0 ≤ … ≤ tn = b ist
∑0 ≤ k < n Δ(q(tk), q(tk + 1)) | = 1/2 ∑0 ≤ k < n ∥ q(tk) × q(tk + 1) ∥ |
∼ 1/2 ∑0 ≤ k < n ∥ q(tk) × (q(tk) + (tk + 1 − tk) q′(tk)) ∥ | |
= 1/2 ∑0 ≤ k < n (tk + 1 − tk) ∥ q(tk) × q′(tk) ∥ |
eine Approximation an A(a, b). Strebt nun die Feinheit der Partition gegen 0, so ergibt sich die Integralformel für A(a, b).
Ein instruktives Beispiel liefert der harmonische Oszillator:
Das zweite Keplersche Gesetz für den harmonischen Oszillator
Der dreidimensionale isotrope harmonische Oszillator wird beschrieben durch die Differentialgleichung
m q″(t) = − k q̂(t)
Aufgrund der Zentralkraft F(q) = − k q̂ gelten die Drehimpulserhaltung und das zweite Keplersche Gesetz für alle Lösungen der Gleichung. Wir dürfen erneut annehmen, dass die Lösungen in der Ebene ℝ2 ⊆ ℝ3 liegen, sodass ein zweidimensionaler Oszillator vorliegt. Eine maximale Lösung q : ℝ → ℝ2 ⊆ ℝ3 hat (vgl. das vorangehende Kapitel) die Form
q(t) = A mit A = , ω =
Es gilt L0 = m ω |det(A) | (da q(0) = (a1, a2, 0), q′(0) = ω (b1, b2, 0)).
Wir nehmen L0 ≠ 0 an, sodass q[ ℝ ] = A[ K ] = Eσ1, σ2, φ für gewisse σ1, σ2, φ. Die Lösung überstreicht im Zeitintervall [ t0, t1 ] die Sektorfläche
L02m (t1 − t0) = |det(A)| ω2 (t1 − t0)
Für t0 = 0, t1 = 2π/ω erhalten wir die Fläche σ1 σ2 π der Bahnellipse, sodass
L0 = m ω σ1 σ2 oder äquivalent |det(A)| = σ1 σ2
Für ω = 1 und den Halbachsenstart q(0) = (a1, 0), q′(0) = (0, b2) mit a1, b2 > 0 ergibt sich im Intervall [ t0, t1 ] die Fläche a1 b2/2 von Ea1, b2, in Übereinstimmung mit unserem Ergebnis in „Flächeninhalte und Bahnlängen“.