16. Vorlesung Komplexe Zahlen

1. Komplexe Zahlen und Zahlenebene

Definition (komplexe Zahlen, Gaußsche Zahlenebene)

Wir setzen

 =  2  =  { (x, y) | x, y  ∈   }.

Jedes Element z = (x, y) von  heißt eine komplexe Zahl. Für alle komplexen Zahlen z1 = (x1, y1), z2 = (x2, y2) setzen wir:

z1  +  z2  =  (x1 + x2,  y1 + y2), (komplexe Addition)

z1 · z2  =  (x1x2 − y1y2,  x1y2 + y1x2), (komplexe Multiplikation)

wobei auf der rechten Seite die reellen Operationen verwendet werden.

Die mit den Operationen + und · ausgestattete Menge 2 nennen wir die Gaußsche Zahlenebene oder den Körper der komplexen Zahlen. Weiter sei

*  =   − { 0 }.

 Wir identifizieren eine reelle Zahl x mit der komplexen Zahl (x, 0). Dadurch erreichen wir  ⊆ , sodass die komplexen Zahlen die reellen Zahlen erweitern. Für alle c  ∈   und z = (x, y)  ∈   gilt

c z  =  c (x, y)  =  (c, 0) (x, y)  =  (c x − 0 y, c y + 0 x)  =  (cx, c y),

sodass die Multiplikation mit einem reellen ersten Faktor der üblichen Skalarmultiplikation von Vektoren entspricht.

2. Eine geometrische Deutung der Multiplikation

Geometrische Multiplikationsregel

Zwei komplexe Zahlen werden multipliziert, indem ihre Längen multipliziert und ihre (mit der positiven x-Achse eingeschlossenen und gegen den Uhrzeigersinn gemessenen) Winkel addiert werden.

Multiplikation komplexer Zahlen in Polarkoordinaten

Für alle komplexen Zahlen (r1, φ1), (r2, φ2) in Polarkoordinaten gilt

(r1, φ1) · (r2, φ2)  =  (r1r2, φ1 + φ2).

3. Die imaginäre Einheit

Definition (imaginäre Einheit)

Wir setzen i = (0, 1)  ∈  . Die komplexe Zahl i heißt die imaginäre Einheit.

 Es gilt

i2  =  (0, 1) · (0, 1)  =  (0 · 0 − 1 · 1, 0 · 1 + 1 · 0)  =  (−1, 0)  =  −1.

Aus der Multiplikationsregel folgt:

Drehungen um π/2

Die Multiplikation einer komplexen Zahl z mit i dreht z um π/2 gegen den Uhrzeigersinn. Die Multiplikation von z mit (−i) dreht z um π/2 im Uhrzeigersinn.

Satz (Standarddarstellung komplexer Zahlen)

Für alle z = (x, y)  ∈   gilt z = x + i y.

Beweis

Sei z = (x, y)  ∈  . Dann gilt

z  =  (x, 0) + (0, y)  =  x + i (y, 0)  =  x  +  i y.

 Damit lässt sich die Formel für die komplexe Multiplikation reproduzieren:

(x1, y1) · (x2, y2) =  (x1 + i y1)  ·  (x2 + i y2)
=  x1x2  +  i x1 y2  +  i y1 x2  +  i2 y1 y2
=  (x1 x2 − y1 y2)  +  i (x1 y2 + x2 y1)
=  (x1 x2 − y1 y2,  x1 y2 + x2 y1).

4. Real- und Imaginärteil

Definition (Real- und Imaginärteil, rein imaginär)

Sei z = (x, y)  ∈  . Dann setzen wir:

Re(z)  =  x,  Im(z)  =  y.

Die reellen Zahlen Re(z) und Im(z) heißen der Realteil bzw. der Imaginärteil von z. Eine komplexe Zahl z heißt rein imaginär, falls Re(z) = 0.

 Die Standarddarstellung einer komplexen Zahl liest sich nun in der Form

z  =  Re(z)  +  i Im(z).

5. Der Betrag einer komplexen Zahl

Definition (Betrag einer komplexen Zahl)

Sei z  ∈  . Dann setzen wir

|z|  =  Re(z)2+Im(z)2.

Die reelle Zahl |z| heißt der Betrag von z.

 Der Betrag einer komplexen Zahl z = (x, y) ist die Euklidische Länge des Vektors (x, y).

Satz (Eigenschaften des Betrags)

Für alle z, w  ∈   gilt:

(a)

|z|  =  0  genau dann, wenn  z = 0,

(b)

|z + w|  ≤  |z| + |w|, (Dreiecksungleichung)

(c)

|z w|  =  |z| |w|. (Produktregel)

6. Die komplexe Konjugation

Definition (komplexe Konjugation)

Sei z  ∈  . Dann setzen wir:

z  =  z*  =  Re(z)  −  i Im(z).

Die komplexe Zahl z heißt die (komplex) Konjugierte von z.

 Für alle komplexen Zahlen gelten die Formeln

|z|2  =  z · z,  Re(z)  =  z+z¯2,  Im(z)  =  zz¯2i.

 Die komplexe Konjugation ist nützlich für die Inversenbildung. Dabei ist das Inverse z−1 von z  ∈   definiert als das eindeutige w  ∈   mit z · w = 1.

Satz (multiplikative Inverse)

Sei z  ∈   mit z ≠ 0. Dann gilt

z−1  =  z¯|z|2.