21. Vorlesung (2 × 2)-Matrizen

1. (2 × 2)-Matrizen

Definition (2×2-Matrizen)

Eine doppelt indizierte Folge reeller Zahlen der Form (a1,1, a1,2, a2,1, a2,2) heißt eine reelle 2 × 2-Matrix. Wir notieren eine Matrix A in den Formen

A  =  a1,1a1,2a2,1a2,2  =  a11a12a21a22 =  (aij)1 ≤ i,j ≤ 2  =  (aij)i, j.

Die Elemente a11, a12, a21, a22 heißen die Einträge der Matrix A. Weiter heißen a11 und a22 die Diagonaleinträge, (a11, a22) die (Haupt-) Diagonale und a11 + a22 die Spur von A. Ist a12 = a21 = 0, so heißt A eine Diagonalmatrix. Wir setzen

A(i, j)  =  aij  für alle 1 ≤ i, j ≤ 2.

Die Vektoren (a11, a12), (a21, a22)  ∈  2 heißen die Zeilenvektoren von A, die Vektoren (a11, a21), (a12, a22)  ∈  2 die Spaltenvektoren von A. Wir setzen

2 × 2  =  { A | A ist eine reelle 2 × 2-Matrix }.

Konvention: Strichpunkt und Komma

Jedes Paar von Vektoren der Ebene lässt sich als 2 × 2-Matrix auffassen. Sind v, w  ∈  2, so ist A = (v, w) die 2 × 2 Matrix mit den Zeilenvektoren v und w und B = (v; w) die 2 × 2-Matrix mit den Spaltenvektoren v und w.

Definition (Transposition, symmetrisch)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann ist die zu A transponierte Matrix At definiert durch

At(i, j)  =  A(j, i)  für alle 1 ≤ i, j ≤ 2.

Gilt A = At, so heißt A symmetrisch.

Definition (Nullmatrix, Einheitsmatrix)

Die Nullmatrix 0  ∈  2 × 2 und die Einheitsmatrix E2  ∈  2 × 2 sind definiert durch

0  =  ((0, 0); (0, 0))  =  0000,  E2  =  ((1, 0); (0, 1))  =  1001.

Notation: Kronecker-Delta

Für zwei Indizes i, j ist das Kronecker-Delta δij definiert durch

δij=1falls i=j0falls ij.

 Die Einheitsmatrix E2  ∈  2 × 2 lässt sich mit Hilfe des Kronecker-Deltas nun definieren durch E2(i, j) = δij für alle 1 ≤ i, j ≤ 2.

Notation

Für alle d1, d2  ∈   setzen wir diag(d1, d2)  =  d100d2.

2. Addition und Skalierung von Matrizen

Definition (Addition von Matrizen)

Seien A, B  ∈  2 × 2. Dann setzen wir

A + B  =  a11a12a21a22  +  b11b12b21b22  =  a11+b11a12+b12a21+b21a22+b22.

Die Matrix A + B  ∈  2 × 2 heißt die Summe der Matrizen A und B.

Definition (Subtraktion von Matrizen)

Seien A, B  ∈  2 × 2. Dann setzen wir

− A  =  a11a12a21a22,

A  −  B  =  A  +  (−B).

Die Matrix A − B  ∈  2 × 2 heißt die Differenz der Matrizen A und B.

Definition (Skalierung von Matrizen)

Seien A  ∈  2 × 2 und λ  ∈  . Dann setzen wir

λ A  =  λ a11a12a21a22  =  λa11λa12λa21λa22.

Die Matrix λ A  ∈  2 × 2 heißt das Produkt der Matrix A mit dem Skalar λ.

Satz (Rechenregeln für Matrizen)

Für alle A, B, C  ∈  2 × 2 und λ, μ  ∈   gilt:

(a)

A + (B + C)  =  (A + B) + C,

(b)

A + 0  =  0 + A  =  A,

(c)

A + (− A)  =  (− A) + A  =  0,

(d)

A + B  =  B + A,

(e)

1 A  = A,  − A  =  (− 1) A,

(f)

λ (A + B)  =  λ A + λ B,

(g)

λ (μ A)  =  (λ μ) A  =  μ (λ A).

3. Das Matrix-Vektor-Produkt

Definition (Matrix-Vektor-Produkt)

Seien A  ∈  2 × 2 und v = (x, y)  ∈  2. Dann setzen wir

A v  =  A (x, y)  =  abcdxy  =  ax+bycx+dy  ∈  2.

Der Vektor A v  ∈  2 heißt das Matrix-Vektor-Produkt von A mit v.

Matrizen als Abbildungen

Sei A  ∈  2 × 2. Dann können wir das Matrix-Vektor-Produkt als Abbildung von 2 nach 2 auffassen: Jedem v  ∈  2 wird der Vektor

fA(v)  =  Av  ∈  2

zugeordnet. Wir werden den Sichtweise „Matrizen als Abbildungen“ und die Abbildungen fA : 2  2 später genauer untersuchen. Für jetzt genügt es, den funktionalen Zusammenhang zwischen v und Av bei festgehaltener Matrix A wahrzunehmen. So können wir zum Beispiel sagen, dass v auf Av abgebildet wird, oder dass A gewisse Abbildungseigenschaften besitzt.

Satz (Linearität des Matrix-Vektor-Produkts)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann gilt für alle v, w  ∈  2 und λ, μ  ∈  :

A(λ v + μ w)  =  λ A v  +  μ A w.

 Das Matrix-Vektor-Produkt lässt sich durch lineare Gleichungssysteme illustrieren. Ein System

(+)  a x  +  b y  =  u1
c x  +  d y  =  u2

können wir mit Hilfe des Produkts notieren als

abcdxy  =  u1u2 =  u.

Ist A die Koeffizientenmatrix des Systems, so gilt

L  =  { v  ∈  2 | A v = u }.

Das System (+) selbst können wir damit sehr kompakt angeben als

A (x, y)  =  u.(Matrix-Form eines linearen Gleichungssystems)

4. Die Matrizen-Multiplikation

Definition (Produkt zweier Matrizen)

Seien A, B  ∈  2 × 2, und sei B = (b1; b2). Dann setzen wir

A · B  =  (A b1;  A b2).

Die Matrix A · B  ∈  2 × 2 heißt das Produkt der Matrizen A und B. Wir schreiben auch kurz A B statt A · B.

 In Langform notiert ergibt sich

A · B =  a11a12a21a22  ·  b11b12b21b22
=  a11b11+a12b21a11b12+a12b22a21b11+a22b21a21b12+a22b22.

Die Berechnung lässt sich kompakt als Zeile mal Spalte zusammenfassen.

Komposition von Gleichungssystemen

Seien A, B  ∈  2 × 2, u  ∈  2. Das kombinierte Gleichungssystem

B (x, y)  =  (x′, y′),  A (x′, y′)  =  u

wird von (x, y)  ∈  2 genau dann gelöst, wenn

(A B) (x, y)  =  u.

Satz (Eigenschaften der Matrizenmultiplikation)

Für alle A, B, C  ∈  2 × 2 und alle v = (x, y)  ∈  2 gilt:

(a)

A (B v)  =  (A B) v,

(b)

A (B C)  =  (A B) C,(Assoziativität)

(c)

A E2  =  E2 A  =  A,(Neutralität von E2)

(d)

A (B + C)  =  A B + A C,  (A + B) C  =  A C + B C.(Distributivität)

Satz (Multiplikationssatz für Determinanten)

Seien A, B  ∈  2 × 2. Dann gilt det(AB) = det(A) det(B).

Definition (Potenzen für Matrizen)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann setzen wir:

A0  =  E2,  A1  =  A,  A2  =  A A,  A3  =  A2 A,  …

5. Matrizen und lineare Abbildungen

Definition (zugeordnete Abbildung)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann ist die Abbildung fA : 2  2 definiert durch

fA(v)  =  A v  für alle v  ∈  2.

Die Abbildung fA heißt die der Matrix A zugeordnete Abbildung.

Satz (Matrizenmultiplikation als Komposition)

Für alle A, B  ∈  2 × 2 gilt fA B  =  fA ∘ fB.

Definition (lineare Abbildung)

Eine Abbildung f : 2  2 heißt linear, falls für alle v, w  ∈  2 und alle λ, μ  ∈   gilt:

f(λ v + μ w)  =  λ f (v)  +  μ f (w).(Linearitätsbedingung)

 Alle Abbildungen der Form fA : 2  2 sind linear. Der folgende grundlegende Satz besagt, dass es keine weiteren Beispiele gibt:

Satz (Hauptsatz über lineare Abbildungen und Matrizen)

Sei f : 2  2 linear. Dann gibt es genau ein A  ∈  2 × 2 mit f = fA.

Beweis

zur Existenz:

Wir setzen A = (f (e1); f (e2)), d. h. die Spalten von A sind die Bilder der kanonischen Basisvektoren e1 und e2 unter f. Dann gilt A e1 = f (e1) und A e2 = f (e2). Folglich gilt für alle v = (x, y)  ∈  2:

fA(v) =  fA(x e1 + y e2)  =  x fA(e1)  +  y fA(e2)
=  x f (e1)  +  y f (e2)  =  f (x e1 + y e2)  =  f (v).

zur Eindeutigkeit:

Seien A, B  ∈  2 × 2 mit fA = f = fB. Dann gilt

A e1  =  fA(e1)  =  fB(e1)  =  B e1,

sodass die erste Spalte von A mit der ersten Spalte von B übereinstimmt. Anlog zeigt eine Multiplikation mit e2, dass die zweiten Spalten der Matrizen A und B übereinstimmen. Damit gilt A = B.

 Wir betrachten zwei wichtige Beispiele.

Projektionsmatrizen

Sei u  ∈  2 mit u ≠ 0. Dann ist die orthogonale Projektion pru : 2  2, die einen Vektor v auf pru(v) = 〈 û, v 〉 û abbildet, linear. Wir nehmen zur Vereinfachung der Notation an, dass u normiert ist. Dann gilt

pru(e1)  =  〈 u, e1 〉 u  =  u1 u  =  (u12, u1u2),

pru(e2)  =  〈 u, e2 〉 u  =  u2 u  =  (u1u2, u22).

Damit erhalten wir die symmetrische Matrix

Au  =  u12u1u2u1u2u22

als darstellende Matrix. Matrizen dieser Form heißen Projektionsmatrizen. Wir können diese Matrizen auch anders gewinnen, indem wir schreiben

pru(v)  =  〈 u, v 〉 u  =  (u1 v1 + u2 v2) u1u2 =  u12u1u2u1u2u22 v1v2.

Eine Projektionsmatrix Au besitzt die Determinante 0. Alle Vektoren der Ebene werden durch Au auf die von u erzeugte Gerade abgebildet.

Rotationsmatrizen

Sei φ  ∈  . Die Abbildung rotφ : 2  2, die einen Vektor v  ∈  2 um einen Winkel φ gegen den Uhrzeigersinn dreht, ist linear. Es gilt

f (e1)  =  (cos φ, sin φ),  f (e2)  =  rotπ/2(f (e1))  =  (−sin φ, cos φ).

Für die darstellende Matrix Aφ = Arotφ gilt also

Aφ  =  cosφsinφsinφcosφ.

 Durch den Übergang von A zu fA können wir die Determinante einer Matrix A anschaulich interpretieren: In den Spalten von A stehen die Bilder der kanonischen Basisvektoren. Die Basisvektoren e1 und e2 spannen ein Parallelogramm der Fläche 1 auf (ein Quadrat). Ihre Bilder fA(e1) und fA(e2) unter fA spannen ein Parallelogramm der signierten Fläche det(A) auf, wobei wir eine negative Fläche als negative Orientierung der Bildvektoren interpretieren. Damit gilt:

Die Determinante einer Matrix A ist ein Maß für die von der linearen Abbildung fA bewirkte Flächenverzerrung.

Diese Verzerrung kann durch die Skalierung der Basisvektoren, durch die Veränderung des eingeschlossenen rechten Winkels und durch die Umkehr der Orientierung entstehen.