Die dritte Ableitung
Den Nullstellen der ersten und zweiten Ableitung einer Funktion f konnten wir eine geometrisch anschauliche Bedeutung zuweisen:
(a) | Lokale Extremalstellen von f sind Nullstellen von f ′. |
(b) | Wendepunkte von f sind Nullstellen von f ″. |
Es stellt sich die Frage, ob eine ähnliche Interpretation auch für die dritte Ableitung möglich ist. Krümmungskreise sind hierzu weniger geeignet, da in den Krümmungsradius die erste Ableitung eingeht. Für die Schmiegeparabel g : ℝ → ℝ von f an der Stelle p gilt
g(x) = f (x) + f ′(p) (x − p) + f ″(p)/2 (x − p)2 für alle x ∈ ℝ.
Die erste Ableitung geht ein, aber nicht in die Öffnung der Parabel, die gleich der Hälfte der zweiten Ableitung von f ist. An Extremalstellen von f ″ haben die Schmiegeparabeln von f also eine maximale oder minimale Öffnung, sodass sie dort besonders eng oder weit verlaufen. Diese Extremalstellen sind Nullstellen der dritten Ableitung von f. Damit haben wir:
(c) Stellen mit extremalen Schmiegeparabelöffnungen sind Nullstellen von f (3).
Analoge Überlegungen gelten für die Taylor-Polynome höherer Ordnung.
Auch eine dynamische Interpretation ist möglich. Aus zeitlicher Sicht geben f ′(t) und f ″(t) die Geschwindigkeit und die Beschleunigung eines sich eindimensional in der Zeit t bewegenden Punktes wieder. Die dritte Ableitung f (3)(t) kann als Ruck (engl. jerk oder surge) aufgefasst werden.
Schmiegeparabeln unseres Polynoms f an den Nullstellen der dritten Ableitung