Eine Charakterisierung der konvergenten Folgen

 Welche Folgen konvergieren und welche nicht? Für monotone Folgen und Pendelfolgen haben wir bereits Konvergenzbedingungen angegeben. Wir können sie nun mit Hilfe der Epsilontik beweisen.

Satz (Konvergenzkriterium für monotone Folgen)

Eine monotone Folge (xn)n ∈  konvergiert genau dann, wenn sie beschränkt ist. In diesem Fall gilt je nach Monotonietyp

limn xn  =  supn xn  bzw.(bei monotoner Zunahme)

limn xn  =  infn xn.(bei monotoner Abnahme)

Beweis

Sei (xn)n ∈  monoton steigend. Ist die Folge unbeschränkt, so ist sie divergent. Sei also die Folge beschränkt, und sei x = supn xn. Wir zeigen die Konvergenzbedingung für x, d. h. wir zeigen

∀ε > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 |x − xn| < ε.

Sei hierzu ε > 0 beliebig. Dann gibt es ein n0 derart, dass x − ε < xn0 (denn andernfalls wäre x − ε < x eine obere Schranke der Folgenglieder, im Widerspruch zur Definition von x). Da die Folge monoton steigend ist, gilt x − ε < xn für alle n ≥ n0. Nach Definition von x gilt xn ≤ x für alle n. Damit erhalten wir

x − ε  <  xn  ≤  x  für alle n ≥ n0.

Für jedes n ≥ n0 gilt also xn  ∈  ] x − ε, x ]. Dies zeigt, dass |x − xn| < ε für alle n ≥ n0. Damit ist die Konvergenzbedingung für x bewiesen.

Der Beweis für monoton fallende Folgen wird analog geführt.

Satz (Konvergenzkriterium für Pendelfolgen)

Eine Pendelfolge (xn)n ∈  konvergiert genau dann, wenn die Folge der Abstände gerader und ungerader Folgenglieder eine Nullfolge ist, d. h. wenn limn |x2n + 1 − x2n| = 0. In diesem Fall gilt je nach Typ

limn xn  =  supn x2n  =  infn x2n + 1  bzw.(bei Linksstart)

limn xn  =  supn x2n + 1  =  infn x2n.(bei Rechtsstart)

 Der Beweis sei dem Leser zur Übung überlassen.

 Was kann man über die Konvergenz allgemeiner Folgen sagen, die nicht notwendig diesen beiden Grundtypen angehören? Erstaunlicherweise gibt es eine Bedingung, die für alle Folgen geeignet ist. Sie besagt anschaulich, dass sich die Folgenglieder beliebig verdichten:

Definition (Cauchy-Folge, Cauchy-Bedingung)

Eine Folge (xn)n ∈  in  heißt Cauchy-Folge, falls gilt

∀ε > 0 ∃n0 ∀n, m ≥ n0 |xn − xm| < ε.(Cauchy-Bedingung)

 Diese Bedingung fängt genau die konvergenten Folgen ein:

Satz (Charakterisierung der konvergenten Folgen)

Sei (xn)n ∈  eine Folge in . Dann konvergiert die Folge genau dann, wenn sie eine Cauchy-Folge ist. In diesem Fall ist

(+)  limn xn  =  supn infk ≥ n xk  =  infn supk ≥ n xk.

Beweisskizze

Ist die Folge konvergent und x = limn xn, so gibt es für alle ε > 0 ein n0 mit |x − xn| < ε/2 für alle n ≥ n0. Dann gilt aufgrund der Dreiecksungleichung

|xn − xm|  =  |xn − x + x − xm| ≤ |xn − x| + |x − xm| < ε  für alle n, m ≥ n0.

Damit ist die Folge eine Cauchy-Folge. Sei also umgekehrt (xn)n ∈  eine Cauchy-Folge. Dann ist die Folge beschränkt. Wir setzen

yn  =  infk ≥ n xk  für alle n.

Für alle n gilt { xk | k ≥ n } ⊇ { xk | k ≥ n + 1 }, sodass yn ≤ yn + 1. Damit ist (yn)n ∈  monoton steigend und beschränkt, sodass y = supn yn < ∞ existiert. Analog existiert z = infn zn für die Folge (zn)n ∈  mit zn = supk ≥ n xk für alle n. Diese Konstruktion ist für alle beschränkten reellen Folgen (xn)n ∈  möglich und es gilt stets y ≤ z. Aus der Cauchy-Bedingung folgt, dass y = z und weiter y = limn xn.

 Die Formeln (+) zeigen, dass der Grenzwert auch im allgemeinen Fall durch eine Supremums- und Infimums-Bildung beschrieben werden kann. Die Formeln sind deutlich komplizierter als die Formeln für monotone Folgen und Pendelfolgen, dafür aber für alle konvergenten Folgen anwendbar.

Konvergenz von Cauchy-Folgen als Axiom

Die Aussage „Jede Cauchy-Folge in  konvergiert.“ wird auch oft als Axiom für die reellen Zahlen verwendet und als (metrisches) Vollständigkeitsaxiom bezeichnet. Zusammen mit dem Archimedischen Axiom ist das metrische Vollständigkeitsaxiom äquivalent zu unserem linearen Vollständigkeitsaxiom, das die Existenz eines Supremums für nichtleere und beschränkte Teilmengen von  fordert. Welchen Zugang man für die reellen Zahlen bevorzugt, ist letztendlich Geschmackssache. Die Existenz eines Supremums einer nichtleeren beschränkten Teilmenge von  ist vielleicht etwas anschaulicher als die Existenz des Grenzwerts einer Cauchy-Folge. Ganz unabhängig davon ist der Begriff der Cauchy-Folge unverzichtbar zur Beschreibung der Vollständigkeit von Räumen, die eine Abstandsmessung zulassen, aber keine lineare Struktur mehr aufweisen.