Komplexe Quadratwurzeln

 Wir definieren:

Definition (komplexe Quadratwurzel)

Sei u  ∈  . Eine komplexe Zahl w heißt eine komplexe Quadratwurzel von u, falls w2 = u gilt.

 Mit w ist immer auch −w eine komplexe Quadratwurzel von u.

Beispiele

(1)

−1 hat die komplexen Quadratwurzeln i und −i.

(2)

i hat die komplexen Quadratwurzeln

(cos π/4, sin π/4)  =  c (1, 1)  und  − c (1, 1), wobei c = 1/2.

 Die komplexen Wurzeln von u sind die Nullstellen des Polynoms f mit

f (z)  =  z2  −  u  für alle z  ∈  .

Diese Nullstellen können wir mit Hilfe der Multiplikationsregel sofort angeben:

Satz (komplexe Quadratwurzeln in Polarkoordinaten)

Sei u  ∈  , und sei u = (r, φ) in Polarkoordinaten. Dann sind

w  =  (r, φ/2)  und  −w  =  (r, φ/2 + π)

die in Polarkoordinaten dargestellten komplexen Quadratwurzeln von u.

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Die komplexen Quadratwurzeln von z

 Wir ziehen also die reelle Wurzel aus der Länge und halbieren den Winkel der Zahl u. Zusammen mit der am Nullpunkt gespiegelten komplexen Zahl haben wir dann die beiden komplexen Wurzeln von u vorliegen.

 Wir geben die Wurzeln noch in kartesischen Koordinaten an. Kartesisch ist

w  =  r (cos φ/2, sinφ/2).

Nach den Halbwinkelformeln für den Kosinus und Sinus ist

r cos2(φ/2)  =  r  +  r cos φ2,  r sin2(φ/2)  =  r  −  r cos φ2.

Wegen r cos φ = Re(u) erhalten wir

Re(w)2  =  r cos2(φ/2)  =  r  +  Re(u)2,  Im(w)2  =  r sin2(φ/2)  =  r  −  Re(u)2.

Die Werte cos(φ/2) und sin(φ/2) haben genau dann verschiedene Vorzeichen, wenn φ einem der Intervalle

…,  ] −π, 0 [ ,  ] π, 2π [ ,  ] 3π, 4π [ ,  …

angehört, d. h. wenn Im(u) < 0. Aus w = (Re(w), Im(w)) erhalten wir also:

Satz (komplexe Quadratwurzeln in kartesischen Koordinaten)

Sei u  ∈  . Weiter seien r = |u| und

σ=1falls Im(u)0,1falls Im(u)<0.

Dann sind

w1/2  =  ± (r+Re(u)2,  σ rRe(u)2)

die komplexen Quadratwurzeln von u.

 Die Mitternachtsformel bleibt (mit gleicher Herleitung zum Beispiel durch quadratische Ergänzung) auch für die komplexen Zahlen gültig. Damit hat eine Gleichung

a z2  +  b z  +  c  =  0,  mit a, b, c  ∈  , a ≠ 0

zweiten Grades in  genau die komplexen Lösungen

w1,2  =  b±b24ac2a,(Mitternachtsformel für )

wobei wir unter der Wurzel irgendeine der beiden komplexen Quadratwurzeln von u = b2 − 4ac verstehen (da ± vor der Wurzel steht, spielt die Wahl nur für die Nummerierung der Lösungen eine Rolle). Eine solche Wurzel können wir mit den obigen Sätzen berechnen. In den komplexen Zahlen entfällt die Beachtung des Vorzeichens der Diskriminante u. In  führt jede Diskriminante zu Lösungen.

Beispiel

Wir betrachten die Funktion f :    mit

f (z)  =  z2/2 − z − i.

Nach der Mitternachtsformel sind genau die komplexen Zahlen

w1,2  =  b±b24ac2a  =  1  ±  1+2i

die Nullstellen von f. Nach der Formel des Satzes ist

w  =  (5+12,  512)

eine der beiden komplexen Quadratwurzeln von u = 1 + 2i (mit σ = 1, Re(u) = 1, r = 5). In kartesischen Koordinaten lauten die Nullstellen also

w1,2  =  1  ±  w  =  (1 ± 5+12,  ± 512).

Auf drei Nachkommastellen gerundet ist

w1  =  (2,272;  0,786),  w2  =  (0,272;  − 0,786).

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Dreidimensionaler Plot der Funktion g :    mit g(z) = |f (z)|2 für alle z  ∈  . Die Nullstellen von g sind genau die Nullstellen von f.