Orthogonale Matrizen
Gilt A = (a1, a2) und B = (b1; b2), so können wir das durch „Zeile mal Spalte“ gebildete Matrizenprodukt AB schreiben als
A B = = (〈 ai, bj 〉)1 ≤ i, j ≤ 2.
Speziell gilt wegen At = (a1; a2), dass
A At = .
Hieraus lesen wir ab:
(1) | A At ist genau dann eine Diagonalmatrix, wenn die Spaltenvektoren von A senkrecht aufeinander stehen. |
(2) | A At ist genau dann die Einheitsmatrix E2, wenn die Spaltenvektoren von A senkrecht aufeinander stehen und zudem normiert sind. |
Im Fall (2) ist also A invertierbar und At invers zu A. Wir definieren:
Definition (orthogonal)
Eine Matrix A ∈ ℝ2 × 2 heißt orthogonal, wenn die Spaltenvektoren von A orthogonal zueinander und normiert sind.
Eine Matrix A = (v1, v2) ist also genau dann orthogonal, wenn 〈 vi, vj 〉 = δij für alle 1 ≤ i, j ≤ 2. Dabei ist δij wieder das Kronecker-Delta, also δij = 0 falls i ≠ j und δij = 1, falls i = j.
Der folgende Satz gibt eine Reihe von Charakterisierungen der Orthogonalität:
Satz (Charakterisierungen der Orthogonalität)
Sei A ∈ ℝ2 × 2. Dann sind äquivalent:
(a) | A ist orthogonal. |
(b) | A−1 = At, d. h. A und At sind invers zueinander. |
(c) | At ist orthogonal, d. h. die Zeilenvektoren von A sind orthogonal und normiert. |
(d) | Für alle v ∈ ℝ2 gilt ∥ A v ∥ = ∥v∥.(Erhalt der Länge) |
(e) | Für alle v, w ∈ ℝ2 gilt 〈 A v, A w 〉 = 〈 v, w 〉.(Erhalt des Skalarprodukts) |
Beweis
Die Äquivalenz von (a) und (b) haben wir oben schon gezeigt. Damit ist At genau dann orthogonal, wenn At und (At)t = A invers zueinander sind, d. h. wenn A orthogonal ist. Dies zeigt die Äquivalenz von (a) und (c).
(b) impliziert (d): Es gelte A−1 = At. Dann gilt für alle v ∈ ℝ2:
∥ Av ∥2 = 〈 Av, Av 〉 = 〈 v, At A v 〉 = 〈 v, E2 v 〉 = 〈 v, v 〉 = ∥v∥2.
(d) impliziert (e): Es gelte ∥ A v ∥ = ∥v∥ für alle v ∈ ℝ2. Dann gilt für alle v, w ∈ ℝ2 unter zweimaliger Verwendung der Polarisationsformel:
4 〈 v, w 〉 | = ∥ v + w ∥2 − ∥ v − w ∥2 = ∥ A(v + w) ∥2 − ∥ A(v − w) ∥2 |
= ∥ A v + A w ∥2 − ∥ A v − A w ∥2 = 4 〈 Av, Aw 〉. |
(e) impliziert (a): Gilt (e), so gilt 〈 A ei, A ej 〉 = 〈 ei, ej 〉 = δij für 1 ≤ i, j ≤ 2. Damit sind die Spalten A e1 und A e2 von A orthogonal und normiert.
Die Orthogonalität einer Matrix ist nach dem Satz äquivalent dazu, dass das Matrix-Vektor-Produkt das Skalarprodukt erhält. Daraus folgt, dass Längen und Winkel erhalten bleiben. Während der Erhalt der Länge äquivalent zur Orthogonalität ist, ist der Erhalt der Winkel nicht hinreichend für die Orthogonalität. Ist zum Beispiel A = 2E2, also A v die Streckung von v um den Faktor 2, so bleiben Winkel erhalten, aber A ist nicht orthogonal.
Ist A = (v; w) orthogonal, so ist v normiert und folglich gibt es ein eindetuig bestimmtes φ ∈ [ 0, 2π [ mit v = (cos φ, sin φ). Da w ebenfalls normiert ist und senkrecht auf v steht, gilt
w = rotπ/2(v) oder w = rot−π/2(v).
Damit ist
w = (−sin φ, cos φ) oder w = (sin φ, −cos φ).
Die Überlegung zeigt:
Satz (Klassifikation der orthogonalen Matrizen)
Sei A ∈ ℝ2 × 2 orthogonal. Dann gibt es ein eindeutiges φ ∈ [ 0, 2π [ mit
A = oder A = .
Im ersten Fall gilt det(A) = 1, im zweiten det(A) = −1.
Ist A orthogonal und det(A) = 1, so ist A v für alle v ∈ ℝ2 der um den Winkel φ gedrehte Vektor v. Im Fall det(A) = −1 ist A v für alle v ∈ ℝ2 der an der Geraden durch 0 mit Winkel φ/2 gespiegelte Vektor v (Übung). Wir nennen die Matrix A entsprechend eine Rotationsmatrix oder Spiegelungsmatrix. Spiegelungsmatrizen sind nicht nur orthogonal, sondern auch symmetrisch. Eine Rotationsmatrix ist nur dann symmetrisch, wenn φ = 0 oder φ = π.
A = bewirkt eine Spiegelung an der Geraden mit Winkel φ/2
Die Spiegelung an der Geraden mit Winkel φ/2 lässt sich auch auffassen als eine Spiegelung an der x-Achse gefolgt von der Rotation um den Winkel φ. Denn die Spiegelung an der x-Achse wird dargestellt durch die Matrix (e1; −e2) und es gilt
= .
Das Produkt C = A B zweier orthogonaler Matrizen A und B ist stets wieder eine orthogonale Matrix, da
Ct = (AB)t = BtAt = B−1 A−1 = (AB)−1 = C−1.
Nach dem Multiplikationssatz für Determinanten ist C eine Rotation, wenn sowohl A und B von gleichen Typ sind (beide Rotationen oder beide Spiegelungen). Sind die Typen von A und B gemischt, so ist C eine Spiegelung. Mit Hilfe der Additionstheoreme berechnet sich das Produkt zweier Spiegelungen zu
= mit χ = φ − ψ.