Eigenschaften von isomorphen Graphen

 Die Isomorphie zwischen Graphen besitzt, wie zum Beispiel die Kongruenzrelation modulo m der Zahlentheorie, die drei charakteristischen Eigenschaften der Gleichheit:

Satz (elementare Eigenschaften der Isomorphie)

Seien G1, G2, G3 Graphen. Dann gilt:

(1)

G1 ≅ G1(Reflexivität)

(2)

G1 ≅ G2impliziert  G2 ≅ G1 (Symmetrie)

(3)

G1 ≅ G2 und G2  ≅  G3impliziert  G1 ≅ G3 (Transitivität)

Beweis

zu (1) : Die Identität id : E1  E1 ist bijektiv. Für alle a, b  ∈  E1 gilt wegen id(a) = a und id(b) = b:

ab  ∈  K1genau dann, wenn  id(a)id(b)  ∈  K1.

Also gilt id : G1 ≅ G1.

zu (2) : Sei f : G1 ≅ G2. Da f bijektiv ist, ist die Umkehrabbildung g = f −1 eine Bijektion von E2 nach E1. Seien c, d  ∈  E2 beliebig. Da f bijektiv ist, gibt es a, b  ∈  E1 mit f (a) = c und f (b) = d. Mit g(c) = a und g(d) = b erhalten wir die Äquivalenzenkette

cd  ∈  K2 genau dann, wenn f (a)f (b)  ∈  K2
genau dann, wenn ab  ∈  K1
genau dann, wenn g(c)g(d)  ∈  K1

Also gilt g : G2 ≅ G1.

zu (3) : Seien f : G1 ≅ G2 und g : G2 ≅ G3. Dann ist die Verknüpfung h = g ∘ f eine Bijektion von E1 nach E3. Für alle a, b  ∈  E1 gilt:

ab  ∈  K1 genau dann, wenn f (a)f (b)  ∈  K2
genau dann, wenn g(f (a))g(f (b))  ∈  K3
genau dann, wenn h(a)h(b)  ∈  K3

Also gilt h : G1 ≅ G3.

 Nach unserer Motivation ist zu erwarten, dass zwei isomorphe Graphen in allen graphentheoretischen Eigenschaften übereinstimmen. Dass dies so ist, kann schrittweise aus der Definition der Isomorphie gefolgert werden, denn diese Eigenschaften lassen sich auf Ecken und Kanten zurückführen. So bedeutet etwa

„Die Ecke a ist Ecke eines Dreiecks in G1.“

dass es zwei Ecken b ≠ c in E1 gibt mit ab, bc, ca  ∈  K1. Dann sind f (a), f (b) und f (c) drei verschiedene Ecken von E2 mit f (a)f (b), f (b)f (c), f (c)f (a)  ∈  K2. Folglich gilt:

„Die Ecke f (a) ist die Ecke eines Dreiecks in G2.“

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Ein Isomorphismus übersetzt Dreiecke (in beiden Richtungen)

Ebenso gilt zum Beispiel für alle a, b1, …, bn  ∈  E1 (Übung):

(+)  N(a) = { b1, …, bn }  genau dann, wenn  N(f (a)) = { f (b1), …, f (bn) }.

Damit haben für alle a  ∈  E1 die Ecken a und f (a) den gleichen Grad, d. h. es gilt d(a) = d(f (a)).

ema21-AbbID2-3-9

Ein Isomorphismus übersetzt Nachbarn (in beiden Richtungen)

 Aus (+) ergibt sich:

Satz (Gradfolgenbedingung)

Zwei isomorphe Graphen haben die gleiche Gradfolge.

 So haben obige Graphen zum Beispiel die gemeinsame Gradfolge

2, 3, 3, 3, 4, 4, 4, 4, 4, 5.

 Die Bedingung ist des Satzes ist nicht hinreichend: Zwei Graphen können die gleiche Gradfolge besitzen ohne isomorph zu sein (Übung).

 Zahlreiche andere Eigenschaften bleiben unter Isomorphie erhalten. Einige davon sind:

Beispiele

(1)

Ein Isomorphismus zwischen zwei Graphen übersetzt Kantenzüge in Kantenzüge, Wege in Wege, Kreise in Kreise. Offenheit und Einfachheit bleiben dabei wechselseitig erhalten.

(2)

Sind G1 und G2 isomorph, so ist G1 genau dann zusammenhängend, wenn G2 dies ist. Allgemeiner entspricht die Anzahl der Zusammenhangskomponenten von G1 denen von G2.

(3)

Ist f : G1 ≅ G2 ein Isomorphismus von G1 nach G2, so ist eine Kante ab von G1 genau dann eine Brücke in G1, wenn die Kante f (a)f (b) von G2 eine Brücke in G2 ist. Damit haben G1 und G2 die gleiche Anzahl an Brücken.

(4)

Ein Isomorphismus f : G1 ≅ G2 erhält den Abstand, d. h. es gilt

dG1(a, b)  =  dG2(f (a), f (b))  für alle Ecken a, b von G1.

Weiter gilt: Gibt es in G1 genau einen Weg der Länge 3 von a nach b, so gibt es in G2 genau einen Weg der Länge 3 von f (a) nach f (b), usw.

(5)

Sind G1 = (E1, K1) und G2 = (E2, K2) isomorph, so ist G1 genau dann bipartit, wenn G2 dies ist. Denn ein Isomorphismus übersetzt eine bipartite Zerlegung von E1 in eine bipartite Zerlegung von E2. Allgemeiner ist G1 für jedes k ≥ 2 genau dann k-partit, wenn G2 dies ist.

(6)

Isomorphe Graphen enthalten die gleiche Anzahl an Dreiecken und allgemeiner Kreisen der Länge 4, 5, 6, …

 Eine allgemeine Definition, was genau eine „graphentheoretische Eigenschaft“ ist, ist möglich, und mit ihrer Hilfe lässt sich beweisen, dass zwei isomorphe Graphen die gleichen graphentheoretischen Eigenschaften besitzen. Wir begnügen uns an dieser Stelle mit den gegebenen Beispielen. Die Intuition ist hier in der Regel sehr zuverlässig. Im Zweifel lässt sich immer nachweisen, dass eine bestimmte Eigenschaft unter Isomorphie erhalten bleibt.