Zerlegungen einer Menge

 Äquivalenzrelationen führen zu Aufteilungen einer Menge in „Länder“, lassen sich aber umgekehrt auch über Aufteilungen einführen. Wir definieren hierzu:

Definition (Zerlegung einer Menge)

Sei A eine Menge, und sei Z eine Menge von Teilmengen von A. Dann heißt Z eine (ungeordnete) Zerlegung von A, falls gilt:

(i)

B ≠ ∅  für alle B  ∈  Z,

(ii)

B ∩ C  =  ∅  für alle B, C  ∈  Z mit B ≠ C,

(iii)

⋃ Z  =  A, d. h. für alle a  ∈  A gibt es ein B  ∈  Z mit a  ∈  B.

 Äquivalenzen führen zu Zerlegungen und umgekehrt. Der genaue Zusammenhang lautet:

Satz (Äquivalenzen und Zerlegungen)

(a)

Ist ≡  eine Äquivalenz auf A, so ist A/≡  eine Zerlegung von A.

(b)

Ist Z eine Zerlegung von A, so definiert

a ≡  b  falls  es gibt ein B  ∈  Z mit a, b  ∈  B

eine Äquivalenz auf A mit A/≡  = Z.

Der Beweis sei dem Leser zur Übung überlassen.

 Liegen zwei Zerlegungen einer Menge A vor, so bestehen zwischen den Teilen der Zerlegungen im Allgemeinen keine einfachen Inklusionsverhältnisse. Für den positiven Fall definieren wir:

Definition (Verfeinerung, Vergröberung)

Seien Z1, Z2 Zerlegungen einer Menge A. Dann heißt Z1 eine Verfeinerung von Z2 (und Z2 eine Vergröberung von Z1), falls gilt:

Für alle B  ∈  Z1 existiert ein C  ∈  Z2 mit B ⊆ C.

Entsprechend heißt eine Äquivalenz ≡ 1 auf A eine Verfeinerung einer Äquivalenz ≡ 2 auf A (und ≡ 2 eine Vergröberung von ≡ 1), falls die Zerlegung A/≡ 1 von A eine Verfeinerung der Zerlegung A/≡ 2 von A ist.

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Die beiden Diagramme visualisieren jeweils zwei Äquivalenzrelationen auf A mit waagrecht bzw. senkrecht dargestellten Äquivalenzklassen in zwei Farben. Links bestehen keine Inklusionsverhältnisse, rechts schon. Die „gelbe“ Relation rechts ist eine Verfeinerung der blauen.

 Eine feinere Äquivalenzrelation besitzt Äquivalenzklassen, die Teilmengen einer Äquivalenzklasse der gröberen Relation sind. Damit werden weniger Objekte als gleich oder äquivalent angesehen. Der Blick ist schärfer. Wir können dies auch so beschreiben: Bei einer Verfeinerung wird auf jeder Äquivalenzklasse eine neue Äquivalenzrelation eingeführt, bei einer Vergröberung werden dagegen gewisse Äquivalenzklassen miteinander identifiziert.

Beispiel

Für die beiden Kongruenzen modulo 5 und modulo 10 gilt für alle a  ∈  

[ a ]10 =  { …,  a −20,  a −10,  a,  a + 10,  a + 20,  … }
⊆  { …,  a −10,  a −5,  a,  a + 5,  a + 10,  … }  =  [ a ]5.
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Jede Äquivalenzklasse der Kongruenz modulo 5 zerfällt in zwei Äquivalenzklassen der Kongruenz modulo 10

Dies zeigt, dass ≡ 10 eine Verfeinerung von ≡ 5 ist. Allgemein ist eine Kongruenz ≡ m genau dann eine Verfeinerung einer Kongruenz ≡ d, wenn d ein Teiler von m ist (Übung).

 Äquivalenzrelationen tauchen in der Mathematik an vielen Stellen auf und die Definitionen und Konstruktionen in ihrem Umfeld gehören zu den unverzichtbaren Grundlagen der modernen Mathematik. Die reine mathematische Theorie der Äquivalenzstrukturen (A, ≡ ) ist vergleichsweise überschaubar. Relationen mit den drei Eigenschaften reflexiv, symmetrisch und transitiv sind aber in allen Teildisziplinen der Mathematik immer wieder zu finden, sodass die Äquivalenzen eher in der Mathematik wirken als ein eigenständiges Gebiet wie zum Beispiel die Graphen bilden. Der Grund ist, dass in der Mathematik naturgemäß sehr oft abstrahiert wird. Abstrahieren heißt etwas Wegnehmen, sich von etwas befreien, von etwas absehen, unwichtige Merkmale abstreifen, sich lösen von irrelevanten Kleinigkeiten. Was unwichtig, klein und störend ist, indem es den Blick verstellt, hängt vom Kontext und den verfolgten Zielen ab. Man denke nur an das Modulo-Rechnen, wo es nur auf den Rest ankommt, der ja umgangssprachlich in der Regel unbedeutender ist als der Hauptteil. Die Einführung einer Äquivalenzrelation entspricht in diesem Sinne der Durchführung einer Abstraktion. Die Begriffsbildung „Äquivalenzrelation“ lässt sich damit als Abstraktion der Abstraktion auffassen. Das mag ein Grund sein, warum sie vielen Anfängern als schwierig vorkommt. Um so wichtiger ist es, keine Geheimnisse zu suchen, wo keine sind. Erfahrungsgemäß kann vor allem die Entsprechung von Äquivalenzrelationen und den anschaulichen Zerlegungen von Mengen helfen, sich mit dem letztendlich einfachen Begriff anzufreunden.