Der Satz von Lagrange

 Wir betrachten nun Untergruppen aus einem speziellen Blickwinkel, indem wir die Elemente einer Untergruppe als „klein“, „unwesentlich“ oder „neutral“ ansehen. Zur Vereinfachung der Notation notieren wir die Gruppenoperation im Folgenden multiplikativ. Sei also (G, ·, e) eine Gruppe. Für alle a, b  ∈  G gilt

a  =  b  genau dann, wenn  ab− 1  =  e.

Das Gruppenelement ab− 1 können wir in diesem Sinne als Maß für die Verschiedenheit von a und b ansehen. Für die Untergruppe U = { e } gilt

a  =  b  genau dann, wenn  ab− 1  ∈  U.

Lassen wir nun statt der trivialen Untergruppe eine beliebige Untergruppe U zu, so erhalten wir durch „ab− 1  ∈  U“ eine Äquivalenzrelation. Analoge Überlegungen gelten mit a− 1b anstelle von ab− 1. Diese Überlegungen motivieren:

Definition (von einer Untergruppe induzierte Äquivalenzen)

Sei G eine Gruppe, und sei U eine Untergruppe von G. Wir setzen für alle a, b  ∈  G:

a ∼U b  falls  ab− 1  ∈  U,   a ∼U b  falls  a− 1b  ∈  U.

Die Relationen heißen die von U induzierten Äquivalenzen auf G.

 Die Relationen ∼U und ∼U sind in der Tat Äquivalenzrelationen auf G (Übung). Für alle a  ∈  G gilt:

a/∼U  =  Ua  =  { ba | b  ∈  U },  a/∼U =  aU  =  { ab  |  b  ∈  U }.

Für alle b  ∈  Ua ist Ua = Ub. In additiv notierten Gruppen gilt

a/∼U  =  a/∼U  =  a + U  =  U + a  =  { a + h | h  ∈  U }.

 Die Äquivalenzklassen aU und Ua der Äquivalenzen sind Translationen der Menge U. Etabliert sind die folgenden Sprechweisen:

Definition (Rechtsnebenklasse, Linksnebenklasse)

Sei U eine Untergruppe einer Gruppe G. Dann heißt eine Äquivalenzklasse Ua von ∼U und aU von ∼U eine Rechts- bzw. Linksnebenklasse von U in G.

Gilt aU = Ua, so sprechen wir kurz von einer Nebenklasse.

 Für Abelsche Gruppen sind die beiden Äquivalenzrelationen gleich. Diese Gleichheit kann aber, wie wir sehen werden, auch für nichtkommutative Gruppen bestehen.

 Instruktive Beispiele für Nebenklassen liefern Untergruppen der additiven Restklassengruppen:

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Die Nebenklassen von U = { [ 0 ], [ 4 ], [ 8 ], [ 12 ], [ 16 ] } in der Restklassengruppe 20

Dass in diesem Beispiel 4 · 5 = 20 gilt, ist kein Zufall:

Satz (Satz von Lagrange)

Sei G eine endliche Gruppe, und sei U eine Untergruppe von G. Dann gilt

|G|  =  |G/∼U| · |U|  =  |G/∼U| · |U|.

Insbesondere ist die Ordnung von U ein Teiler der Ordnung von G.

Beweis

Sei a  ∈  G. Dann ist die Linkstranslation a : G  G bijektiv und es gilt a[ U ] = aU. Damit ist aU  :  U  aU bijektiv, sodass |U| = |aU|. Dies zeigt, dass alle Linksnebenklassen die gleiche Mächtigkeit |U| besitzen. Da die Linksnebenklassen eine Zerlegung von G bilden (als die Äquivalenzklassen von ∼U), folgt |G| = |G/∼U| · |U|. Analoges gilt für ∼U.

 Hieraus erhalten wir das zauberhafte

Korollar (Gruppen mit Primzahlordnung)

Sei G eine endliche Gruppe, und sei |G| eine Primzahl. Dann gilt:

(a)

{ e } und G sind die einzigen Untergruppen von G.

(b)

Für alle a  ∈  G mit a ≠ e ist G = 〈  a  〉 = { an | n  ∈   }.

(c)

G ist Abelsch.

Beweis

Die Aussage (a) folgt direkt aus dem Satz von Lagrange. Ist a ≠ e, so ist U = 〈  a  〉 eine von { e } verschiedene Untergruppe von G. Damit gilt G = U nach (a). Da U Abelsch ist folgt (c).

 Für jede Primzahl p ist (p, +, [ 0 ]) ein Paradebeispiel für eine Gruppe der Ordnung p. Wir werden im später sehen, dass sich jede Gruppe der Ordnung p von p nur in den Namen ihrer Elemente unterscheidet.