Wohlordnungen und Ordinalzahlen

 Wohlordnungen spielen in der Mengenlehre eine ausgezeichnete Rolle. Eine lineare Ordnung (P, <) ist eine Wohlordnung, falls jede nichtleere Teilmenge von P ein <-kleinstes Element besitzt. Wohlordnungen sind „Perlenketten“, wobei Schlingen und unendlich absteigende Teilketten („nach links“) nicht auftreten. Unendlich aufsteigende Teilketten („nach rechts“) können dagegen in großer Zahl vorhanden sein.

 Wohlordnungen sind durch ihre Länge bestimmt. Sind P1 und P2 Wohlordnungen, so ist P1 ordnungsisomorph zu einem Anfangsstück von P2 oder umgekehrt. Je zwei unserer Perlenketten können wir also nebeneinander legen und Perle für Perle einander zuordnen, bis wir das Ende einer der beiden Ketten erreicht haben. Diese Vergleichbarkeit ist das fundamentale Resultat über Wohlordnungen, und es ruft nach Repräsentanten für Wohlordnungen mit gleicher Länge. Hier kommen die Ordinalzahlen ins Spiel: Eine Menge α heißt Ordinalzahl (nach John von Neumann und Ernst Zermelo), falls gilt:

α ist transitiv und (α,  ∈ ) ist eine Wohlordnung.

Die  ∈ -Relation spielt also die Rolle der Ordnung <. Eine Menge M heißt hierbei transitiv, falls für alle x  ∈  M gilt, dass x ⊆ M. Das „Hab und Gut“ des Lesers ist ein naives Beispiel für eine transitive Menge: Mit einer Sache besitzen Sie auch alle Teile dieser Sache.

 Es lässt sich beweisen, dass jede Wohlordnung ordnungsisomorph zu einer eindeutigen Ordinalzahl ist. Die Ordinalzahlen bilden das Rückgrat der Wohlordnungen.

 Jede Ordinalzahl besteht ausschließlich aus Ordinalzahlen und für α, β definieren wir α < β durch α  ∈  β. Die Ordinalzahlen werden dadurch wohlgeordnet und es gilt stets α = { β | β < α }. Eine Ordinalzahl ist die Menge ihrer Vorgänger.

 Wie sieht diese Ordnung aus? Die ersten Ordinalzahlen sind die mengentheoretisch definierten natürlichen Zahlen:

0  =  ∅,  1  =  { 0 },  2  =  { 0, 1 },  3  =  { 0, 1, 2 },  …

n + 1  =  n ∪ { n }  =  { 0, …, n },  …

Die Menge { 0, 1, 2, 3, … } der natürlichen Zahlen bildet die nächstgrößere Ordinalzahl und wird mit , ω oder auch ω0 bezeichnet.

 Allgemein kommen wir von einer Ordinalzahl α zur nächstgrößeren durch die Operation

α + 1  =  α ∪ { α }(Nachfolgerbildung)

Und wenn Γ eine Menge von Ordinalzahlen ist, so ist

⋃ Γ  =  { β | β  ∈  α für ein α  ∈  Γ }(Supremumsbildung)

eine Ordinalzahl und das Supremum von Γ. Ist Γ leer, so erhalten wir ⋃ Γ = 0. Hat Γ ein größtes Element α, so ist ⋃ Γ = α. Ist Γ nichtleer und ohne ein größtes Element, so ist λ = ⋃ Γ eine Limesordinalzahl. Diese Ordinalzahlen haben keinen direkten Vorgänger. ω ist die erste Limesordinalzahl.

 Nach ω kommen

ω + 1,  ω + 2  =  (ω + 1) + 1,  …,  ω + n,  …

Das Supremum dieser Zahlen ist die zweite Limesordinalzahl ω + ω = ω · 2. Diese Perlenkette besteht aus zwei Kopien der natürlichen Zahlen. Weiter geht es mit

ω + ω + 1,  …,  ω + ω + ω  =  ω · 3,  …,  …,  …,  ω · n,  …,  …,  …

Als Supremum erhalten wir ω + ω + ω + …  =  ω · ω  =  ω2. Dieser Typ ist noch recht anschaulich: Ordnen wir  ×  lexikographisch, so erhalten wir eine Wohlordnung des Typs ω2. Nach ω2 kommen

ω2 + 1,  ω2 + 2,  …,  …,  …,  ω2 + ω n + k,  …,  …,  …, 

mit beliebigen natürlichen Zahlen n und k. Die Fortführung dieses Zählens liefert die Potenzen ωn. Sie lassen sich erneut vereinigen:

ω3,  …,  …,  …,  ωn,  …,  …,  …,  ωω

Nun erhalten wir Türme von ω-Potenzen, die zu einer Ordinalzahl führen, die einen neuen Namen bekommt:

ωω,  …,  ωω),  …,  …,  …,  ε0

Von ε0 geht es weiter mit ε0 + 1 usw. usf.