Isomorphismen
Mit Hilfe von Bijektionen können wir ausdrücken, dass zwei mathematische Objekte strukturell gleich sind. Wir betrachten hierzu zwei Mengen A und B, auf denen jeweils eine zweistellige Relation R bzw. S definiert ist. Dann heißen (A, R) und (B, S) isomorph, falls es eine Bijektion F : A → B gibt, sodass für alle a, b ∈ A gilt:
a R b gdw F(a) S F(b). (Isomorphiebedingung für Relationen)
In diesem Fall heißt F ein Isomorphismus zwischen (A, R) und (B, S).
Eine anschauliche Vorstellung ist: Wir geben jedem a ∈ A den neuen Namen F(a). Die Isomorphiebedingung besagt dann gerade, dass die Struktur (A, R) durch diese Umbenennung in die Struktur (B, S) übergeht.
Zur Illustration betrachten wir noch einmal die oben angegebene partielle Ordnung auf der Menge A = { a, … , g }. Diese Ordnung ist isomorph zu der im Diagramm rechts unten gezeigten Inklusionsordnung, die auf einem Teilsystem B der Potenzmenge von A definiert ist. Ein Isomorphismus F : A → B ist definiert durch
F(a) = { a }, F(b) = { b }, F(c) = { a, c }, F(d) = { a, d },
F(e) = { a, b, e }, F(f) = { a, b, c, e, f }, F(g) = { a, b, d, e, g }.
Dieser Übergang von einem Element y zur Menge { x | x ≤ y } lässt sich für partielle Ordnungen immer durchführen. Er zeigt dann den ansprechenden Satz, dass jede partielle Ordnung ≤ auf einer Menge A isomorph zur Inklusionsordnung ⊆ auf einem Mengensystem B auf A ist. Die Inklusionsordnung ist in diesem Sinne universell, es gibt keine Beispiele für partielle Ordnungen, die strukturell nicht von der Form (B, ⊆) wären.
Isomorphismen für Operationen
Da die Mathematik Strukturen untersucht und nicht die Namen von Objekten, ist es nicht verwunderlich, dass der Isomorphiebegriff überall in der Mathematik auftaucht. Im Allgemeinen werden dabei zwei Mengen A und B nicht nur durch eine oder mehrere Relationen strukturiert, sondern auch durch Operationen. Ist auf A und B jeweils eine zweistellige Operation ∘A bzw. ∘B erklärt, so heißen (A, ∘A) und (B, ∘B) isomorph, wenn es eine Bijektion F : A → B gibt, sodass für alle a, b ∈ A gilt:
F(a ∘A b) = F(a) ∘B F(b). (Isomorphiebedingung für Funktionen)
Die Funktion F heißt dann wieder ein Isomorphismus zwischen A und B.
a′ = F(a), b′ = F(b), c′ = F(c)
Die Isomorphiebedingung F(a ∘A b) = F(a) ∘B F(b) besagt, dass folgende Vorgehensweisen das gleiche Ergebnis c′ liefern: (1) Wir verknüpfen a und b in A und schicken das Ergebnis c mit F nach B. (2) Wir schicken a und b mit F nach B und verknüpfen dort a′ und b′.
Schließlich gibt es auch noch eine einfache Isomorphiebedingung für Konstanten, d. h. besonders ausgezeichnete Elemente der Strukturen (wie zum Beispiel der 0 und der 1 in Zahlstrukturen). Sind auf A und B besondere Elemente cA und cB ausgezeichnet, so fordern wir
F(cA) = cB. (Isomorphiebedingung für Konstanten)
Ist auf A und B jeweils ein Satz von Relationen, Operationen und Konstanten erklärt, so werden die Isomorphiebedingungen als Paket gefordert. So sind zum Beispiel zwei Strukturen (A, R, ∘A, cA) und (B, S, ∘B, cB) isomorph, wenn es eine Bijektion F : A → B gibt, die alle drei genannten Isomorphiebedingungen erfüllt. Analoges gilt für mehrere Relationen, Operationen und Konstanten. Dabei dürfen die Relationen und Funktionen auch eine beliebige Stellenzahl haben.
Der Isomorphiebegriff für Strukturen spielt eine große Rolle für Charakterisierungen und axiomatische Beschreibungen. Die Frage „Was sind die natürlichen Zahlen?“ beantwortet ein Mathematiker gerne wie folgt: „Die natürlichen Zahlen sind eine Menge N mit den und jenen Eigenschaften.“ Die Eigenschaften formuliert er mit Hilfe von Funktionen, Relationen und Konstanten. Er zeigt dann auf Wunsch die beiden folgenden Sätze:
(1) | Es gibt eine Menge N mit den angegebenen Struktureigenschaften. (Existenzsatz) |
(2) | Je zwei Mengen N und M mit diesen Struktureigenschaften sind isomorph. (Eindeutigkeitssatz) |
Mehr kann und will die Mathematik in der Regel nicht über das „Wesen“ der natürlichen Zahlen aussagen, und das Gleiche gilt für die rationalen, reellen und komplexen Zahlen. Doch kann es sein, dass sich bei der Analyse eines Konstruktionsproblems zeigt, dass es eine oder mehrere besonders natürliche, schöne, elegante, ausgezeichnete, einfache Methoden gibt, das gewünschte Objekt zu gewinnen. Der Mathematiker spricht dann in seiner Begeisterung etwas vage von einer „kanonischen“ Konstruktion. Wir werden auf diese Dinge bei der Diskussion der natürlichen Zahlen im zweiten Abschnitt noch zurückkommen.