Linearkombinationen

 Wir beweisen nun auch noch das oben schon angekündigte Ergebnis über Linearkombinationen:

Satz (Linearkombinationen und größter gemeinsamer Teiler)

Sei d = ggT(a, b). Dann können wir mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus Zahlen n und m finden derart, dass d = n a  +  m b.

Beweis

Die Behauptungen sind leicht einzusehen, falls a = b gilt oder falls eine der beiden Zahlen gleich 0 ist. Weiter genügt es, die Aussage für den Fall a > b > 0 zu beweisen. Hierzu seien wieder a0 > a1 > a2 > … > ai* + 1 = d und q0, …, qi* die Zahlen, die der Algorithmus für a = a0 und b = a1 liefert.

Wir zeigen durch starke Induktion nach i:

(+)  ai ist eine Linearkombination von a und b  für alle  0 ≤ i ≤ i* + 1.

Induktionsschritt i

Sei also ai′ = ni′ a + mi′ b für alle i′ < i (Induktionsvoraussetzung).

Wegen a0 = a und a1 = b gilt die Behauptung für i = 0 und i = 1.

Sei also i ≥ 2. Dann gilt

ai  =  ai − 2  −  qi − 2 ai − 1  = 

ni − 2 a  +  mi − 2 b  −  qi − 2 (ni − 1 a  +  mi − 1 b)  = 

(ni − 2 − qi − 2 ni − 1) a  +  (mi − 2 − qi − 2 mi − 1) b.

Nach (+) ist insbesondere d = ai* + 1 eine Linearkombination von a und b.

 Nach dem Beweis von (+) können wir für a > b > 0 also d = ggT(a, b) wie folgt effektiv als Linearkombination von a und b darstellen: Wir berechnen zuerst die Zahlen ai und qi für 0 < i ≤ i* des Euklidischen Algorithmus für a und b. Nun definieren wir rekursiv:

n0  =  1,  m0  =  0,  n1  =  0,  m1 = 1,

ni  =  ni − 2 − qi − 2 ni − 1,  mi  =  mi − 2  −  qi − 2 mi − 1   für alle i mit 2 ≤ i ≤ i* + 1.

Dann gilt ai = ni a + mi b für alle i mit 0 ≤ i ≤ i* + 1, und damit ist

d  =  ni* + 1 a  +  mi* + 1 b.

 Die Darstellung des größten gemeinsamen Teilers ist keineswegs eindeutig. So ist etwa

1  =  1 · 3  −  1 · 2  =  3 · 3  −  4 · 2.

 Wir halten weiter fest:

Korollar (Identifizierung der Linearkombinationen von a und b)

Die Linearkombinationen von a und b sind genau die Zahlen der Form kd, wobei d = ggT(a, b).

Insbesondere gilt: Sind a, b nicht beide gleich Null, so ist d die kleinste positive Linearkombination von a und b.

Beweis

Sei d = n a + m b. Dann ist kd = (kn) a + (km) b. Also sind alle Zahlen der Form kd Linearkombinationen von a und b.

Ist umgekehrt c = n′ a + m′ b eine Linearkombination von a und b, so ist d nach (T7) ein Teiler von c. Also existiert ein k mit c = kd.

 Unsere Ergebnisse über Linearkombinationen lassen sich auch für einfache Beweise der Eigenschaften der ggT-Funktion nutzen. Wir betrachten noch einmal die wichtigen Eigenschaften:

(G6)  e|a  und  e|b  impliziert  e|ggT(a, b),
(G7)  ggT(ca, cb)  =  |c| ggT(a, b),

die wir bei unserer Analyse des Euklidischen Algorithmus und der Linearkombinationen nicht verwendet haben.

 Zum Beweis von (G6) sei d = ggT(a, b), und es sei

d  =  n a  +  m b.

Wegen e|a und e|b gilt dann e|d auch nach (T7).

 Zum Beweis von (G7) sei wieder d = ggT(a, b) und d′ = ggT(ca, cb), und ohne Einschränkung sei c ≥ 0. Wegen cd|ca und cd|cb gilt cd ≤ d′. Zum Beweis der anderen Ungleichung sei d = na + mb. Dann ist dc = nac + mbc eine Linearkombination von ac und bc, und wegen dc ≥ 0 also dc ≥ d′ nach dem Korollar.

 Eine direktere Möglichkeit, die Eigenschaft (G6) mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus zu beweisen, ist die folgende. Es seien wieder a0, …, ai* + 1 die Zahlen, die der Euklidische Algorithmus für a > b > 0 erzeugt. Dann gilt:

(+)  e|ai  für alle i mit 0 ≤ i ≤ i* + 1.

Damit gilt e|ai* + 1 (und ai* + 1 = d).

Wir können aber (+) leicht durch starke Induktion nach i zeigen:

Induktionsschritt i

Sei e ein Teiler von ai′ für alle 0 ≤ i′ < i (Induktionsvoraussetzung).

Wegen e|a, e|b, a = a0 und b = a1 gilt die Behauptung für i = 0 und i = 1.

Ist i ≥ 2, so gilt ai = ai − 2 − qi − 2 ai − 1, und damit gilt e|ai nach Induktionsvoraussetzung und (T7).

 Damit können wir nun gut gerüstet den wohl faszinierendsten Objekten der Zahlentheorie begegnen, nämlich den Primzahlen.