Zahlen auf einer Linie
Wir beginnen mit einer anschaulichen Überlegung. Auf einer beidseitig unendlichen Linie lässt sich ein Nullpunkt 0 und eine Einheit 1 markieren. Durch Vervielfachung der Strecke von 0 nach 1 erhalten wir die Punkte 2, 3, 4, … Durch Spiegelung dieser Punkte am Nullpunkt ergeben sich die Punkte −1, −2, −3, … Wir identifizieren Punkte mit Zahlen und setzen
ℤ = { …, −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, … }.
Nun halbieren wir die Strecke von 0 nach 1. Den Punkt 1/2 vervielfachen wir ganzzahlig (d. h. nach links und nach rechts), sodass wir die Punkte
…, −n/2, …, −3/2, − 2/2, −1/2, 0, 1/2, 2/2, 3/2, …, n/2, …
erhalten, die zum Teil mit alten Punkten zusammenfallen. Allgemein können wir den Punkt 1/m für alle natürlichen Zahlen m ≥ 2 bilden (indem wir die Strecke von 0 nach 1 in m gleichlange Teile teilen) und ganzzahlig vervielfachen. Dies liefert Punkte der Form
a/b mit a ∈ ℤ, b ∈ ℕ* (wobei wieder ℕ* = ℕ − { 0 }).
Erneut fallen Punkte zusammen. Es gilt
a/b = c/d genau dann, wenn ad = bc.
Mit den so konstruierten Punkten können wir rechnen:
ab + cd = adbd + bcbd = ad + bcbd,
ab · cd = a · c · 1b · 1d = a c · 1bd = acbd.
Weiter können wir die Punkte vergleichen. Es gilt
ab < cd genau dann, wenn ad < bc.
Die erzeugten Punkte nennen wir rationale Zahlen. Wir setzen
ℚ = { a/b | a ∈ ℤ, b ∈ ℕ* }.
Zusammen mit der Arithmetik und Ordnung ergibt sich der angeordnete Körper (ℚ, +, ·, 0, 1, <) der rationalen Zahlen. Wie für ℕ stellen sich zwei Fragen:
(1) | Wie können wir ℚ genau definieren?(Konstruktionsproblem) |
(2) | Wie lässt sich ℚ axiomatisch eindeutig (bis auf die Namen der Elemente) beschreiben?(Charakterisierungsproblem) |
Diesen Fragen wollen wir nun nachgehen.