Die Koeffizientenformeln

 Gegeben sei eine 2π-periodische Funktion f :   . Wie müssen wir die Koeffizienten an und bn einstellen, damit

f (x)  =  a02  +  n ≥ 1 (an cos(nx)  +  bn sin(nx))

für möglichst viele und im Idealfall sogar alle reellen Zahlen gilt? Für die Taylor-Koeffizienten hatten wir gesehen, dass

an  =  f (n)(p)n!(Koeffizientenformel für die Taylor-Entwicklung)

Diese Formel ergibt sich durch gliedweises Differenzieren einer Potenzreihendarstellung

f (x)  =  n an(x − p)n,

da

f (n)(p)  =  n! an  +  0  +  0  +  0  +  …

Eine Formel für die Koeffizienten einer trigonometrischen Reihendarstellung erhalten wir, wie wir nun zeigen wollen, durch gliedweises Integrieren. Wir nehmen hierzu an, dass sich f als trigonometrische Reihe schreiben lässt:

f (x)  =  a02  +  n ≥ 1 (an cos(nx)  +  bn sin(nx))  für alle x  ∈  .

Nun zeigen wir mit Hilfe von Integration, dass die Koeffizienten an und bn eine bestimmte Form haben müssen. Entscheidend hierzu ist (Beweis als Übung):

Satz (Orthogonalität von cos(kx) und sin(kx))

Seien k,n  ∈   und a, b  ∈   mit b − a = 2π. Dann gilt:

(a)

bacos(0x) cos(0x) dx  =  2π,  basin(0x) sin(0x) dx  =  0,

(b)

bacos(nx) cos(nx) dx  =  basin(nx) sin(nx) dx  =  π,  falls n ≠ 0,

(c)

bacos(kx) cos(nx) dx  =  basin(kx) sin(nx) dx  =  0,  falls n ≠ k,

(d)

bacos(kx) sin(nx) dx  =  0.

 Die folgenden Diagramme illustrieren das Ergebnis mit a = −π und b = π.

hm1-AbbIDtrig_orth_0a

Das Integral von −π bis π berechnet sich zu π

hm1-AbbIDtrig_orth_1a

Das Integral ist (wie wir zeigen müssen) gleich 0

hm1-AbbIDtrig_orth_1b

Die Funktion ist ungerade und das Integral damit 0

Herleitung der Koeffizientenformeln

Mit Hilfe des Orthogonalitätssatzes können wir nun Formeln für die trigonometrischen Koeffizienten finden. Sei also f :    mit

(+)  f (x)  =  a02 + n ≥ 1 (ancos(nx) + bnsin(nx))  für alle x  ∈  .

Wir nehmen im Folgenden an, dass wir die auftretenden unendlichen Reihen gliedweise integrieren können (Summation und Integration werden vertauscht). Der Leser vergleiche dies mit der gliedweisen Differentiation einer Potenzreihe. Die gliedweise Integration einer Reihe ist unter der Voraussetzung der sog. gleichmäßigen Konvergenz gültig. Da es uns hier auf eine Motivation der Formeln ankommt, verzichten wir eine Diskussion dieser technischen Voraussetzung.

Sei also n ≥ 0 beliebig. Die Multiplikation mit cos(nx) auf beiden Seiten von (+) ergibt (mit Summation über k statt n):

f (x) cos(nx)  =  a02 cos(nx)  +  k ≥ 1 (ak cos(kx) cos(nx)  +  bk sin(kx)cos(nx))

für alle x  ∈  . Durch gliedweises Integrieren erhalten wir:

0f (x) cos(nx) dx  =  0a02 cos(nx) dx  + 

k ≥ 1(0ak cos(kx) cos(nx) dx  +  0bk sin(kx) cos(nx) dx)

Der Satz über die Orthogonalität von cos(kn) liefert

0f (x) cos(nx) dx  =  0a02 cos(0) dx  =  a0 π,  falls n = 0, 

0f (x) cos(nx) dx  =  0an cos(nx) cos(nx) dx  =  an π,  falls n > 0.

Damit gilt:

(1)  an  =  1π0f (x) cos(nx) dx  für alle n ≥ 0(Kosinus-Koeffizientenformel)

Analog ergibt sich

(2)  bn  =  1π0f (x) sin(nx) dx  für alle n ≥ 1(Sinus-Koeffizientenformel)

Wir haben gezeigt: Wenn sich eine Funktion f :    als trigonometrische Reihe (mit gliedweiser Integration) darstellen lässt, so lassen sich an und bn durch die Koeffizienten-Formeln (1) und (2) berechnen.