Klassenmodelle
Wir bezeichnen wie in der Mengenlehre Formeln auch als Klassen und verwenden die übliche Klassennotation { x | χ(x) }. Ist W = { x | χ(x) }, so sagen wir, dass die Klasse W durch χ gegeben ist. Wir schreiben auch x ι W für χ(x). Wir lesen x ι W auch als „x in W“. Die Klasse W nennen wir auch ein Klassenmodell. Ist W = { x | χ(x) }, und ist φ eine Formel der Sprache der Listentheorie, so sei φW wie üblich die Relativierung von φ nach W; φW entsteht also dadurch, dass alle Quantifizierungen ∀x ψ in φ durch ∀x. χ → ψ ersetzt werden. Wir schreiben für Aussagen φ suggestiv auch
W ⊨ φ anstelle von φW.
Gilt W ⊨ φ, so sagen wir, dass φ in W gilt. Analoges gilt für W ⊨ φ(x1, …, xn) für Listen x1, …, xn. Hier wird (oft stillschweigend) vorausgesetzt, dass xi ι W für alle 1 ≤ i ≤ n gilt.
Weiter betrachten wir Klassenmodelle, die durch eine Ortsfunktion F gegeben sind. Hier bedeutet F ⊨ φ, dass W ⊨ φ gilt mit W = { x | ∃α x = F(α) }.
Ist F eine Ortsfunktion, so schreiben wir x ι F für ∃α. x = F(α).
Wir studieren in diesem Abschnitt Klassenmodelle mit guten Reichhaltigkeitseigenschaften:
Definition (gute Klassen und Ortsfunktionen)
Eine Klasse W heißt gut, falls gilt:
(i) | Für alle Orte α gilt α ι W. |
(ii) | Für alle x ι W und alle α < x ist α(x) ι W. |
Eine Ortsfunktion F heißt gut, falls W = { x | ∃α x = F(α) } gut ist.
Die Abgeschlossenheit unter Anwendungen (ii) ist äquivalent zur Transitivität von W, d. h. zu: Für alle x ι W gilt x ⊆ι W.
Satz (Modelleigenschaften guter Klassen)
Sei W eine gute Klasse. Dann gelten in W die Axiome:
(Ext 1), (Ext 2), (Trans), (Min), (O), (Un), (Nf), (Sup), (T).
Beweis
Für alle z gilt:
(+) W ⊨ z ist Ort gdw z ist Ort.
Beweis von (+)
Es gelte zunächst „W ⊨ z ist ein Ort“ für ein z ι W.
Dann existieren x, y in W mit W ⊨ x ιz y.
Dann gilt aber x ιz y. Also ist z ein Ort.
Sei nun umgekehrt α ein Ort. Nach Voraussetzung gilt α ι W.
Aber auch 0 ι W und β ι W für β = α + 1.
Es gilt 0 ια β, also auch W ⊨ 0 ια β. Also W ⊨ α ist Ort.
Für alle x ι W und alle Orte α gilt weiter:
(++) W ⊨ α < x gdw α < x.
Beweis
Es gelte W ⊨ α < x. Dann existiert ein y ι W mit W ⊨ y ια x.
Dann aber y ια x, also α < x.
Sei umgekehrt α < x, und sei y = α(x).
Dann ist y ∈ W nach (ii) der Definition einer guten Klasse.
Wegen y ια x gilt auch W ⊨ y ια x, also W ⊨ α < x.
Das Eindeutigkeitsaxiom (Ext 2) gilt klarerweise in W.
Weiter gilt für alle x, y ι W:
(+++) W ⊨ x ⊴ y gdw x ⊴ y.
Beweis
W ⊨ x ⊴ y gdw W ⊨ ∀α < x x(α) = y(α) gdw(++)
∀α < x W ⊨ x(α) = y(α) gdw ∀α < x x(α) = y(α) gdw x ⊴ y.
Aus (+++) folgt, dass W ⊨ (Ext 1).
Das Transitivitätsaxiom (Trans) für Orte folgt aus (++).
Zum Beweis des Minimalitätsschemas sei φ(x) eine Formel (mit Parametern in W) derart, dass W ⊨ ∃α φ(α). Nach (Min) für die Formel φW(α) existiert dann ein kleinstes β mit φW(β). Dann gilt wegen (++):
W ⊨ φ(β) ∧ ∀α < β ¬ φ(α).
Also ist β φ-minimal aus der Sicht von W.
Das Ortsaxiom (O) folgt aus (+) und der Äquivalenz:
W ⊨ x ist Ordinalzahl gdw x ist Ordinalzahl.
Die Axiome (Un), (Nf), (Sup) sind klar, da W alle Orte enthält.
Es gilt ωW = ω, (κ+)W ≤ κ+ für alle κ und sup(x)W = sup(x) für alle x ι W.
Schließlich gilt das Axiom (T), denn für alle x ι W ist α = typ(x) ι W nach Voraussetzung, und zudem gilt W ⊨ α ≡ x nach (++), d. h. W ⊨ α = typ(x).
Korollar
Sei W eine gute Klasse.
Es gelte das Definierbarkeitsschema in W.
Dann ist W ein Modell von ALT − (KA), (SL).
Beweis
Nach oben gilt (T) und nach Voraussetzung gilt (Def) in W.
Folglich gilt (Ers) in W.
Wir betrachten nun Hierarchien für Klassenmodelle.
Definition (externe Hierarchie für W)
Sei W eine Klasse. Dann ist eine externe Hierarchie für W eine Ortsfunktion F derart, dass für alle x gilt: x ι W gdw es existiert ein α mit x = F(α).
Jedes über eine Ortsfunktion F definierte Klassenmodell W besitzt trivialerweise eine externe Hierarchie (nämlich F selbst).
Definition (Hierarchie in W)
Sei F eine Ortsfunktion, und sei F über die Formel φ(α, x) definiert.
F heißt Hierarchie in W, falls die Parameter von φ in W sind und W ⊨ „φ ist eine Hierarchie“ gilt.
Wir erhalten:
Satz
Sei W eine gute Klasse. Es gelte das Definierbarkeitsschema in W und es existiere eine Hierarchie F in W.
Dann ist W ein Modell von ALT.
Beweis
Die Existenz einer Hierarchie und (Ers) implizieren das kollektive Auswahlschema (unabhängig von der Gültigkeit von (SL) im Universum).
Es bleibt W ⊨ (SL) zu zeigen. Sei hierzu x ι W beliebig.
Sei α derart, dass für alle β gilt:
W ⊨ „Ist F(β) eine Siebung von x, so gilt: β < α oder es existiert ein γ < β mit F(γ) = F(β).“
Ein solches α existiert: Andernfalls existiert eine injektive Ortsliste G (im Universum) derart, dass G(α) eine Siebung von x ist für alle α. Dies widerspricht aber der Gültigkeit von (SL) im Universum.
In W gilt (Def), und damit existiert ein y ι W mit W ⊨ y = F|α. Es gilt dann:
W ⊨ Jede Siebung von x erscheint in y.
Dies genügt für W ⊨ (SL).
Konstruieren wir also eine alle Orte aufnehmende und unter Anwendung abgeschlossene Ortsfunktion F in hinreichend absoluter Weise, so müssen wir nur noch das Definierbarkeitsschema in F überprüfen, um zu wissen, dass das Klassenmodell F alle Axiome von ALT erfüllt. Die absolute Konstruktion sorgt dafür, dass die Formel der Definition von F eine Hierarchie in F ist.
Für derartige Vorhaben und für viele andere Zwecke ist das folgende Prinzip nützlich:
Satz (Reflexionsprinzip)
Sei H eine Ortsfunktion, und sei φ(x1, …, xn) eine Formel.
Dann existiert eine club-Klasse C von Orten derart, dass für alle α in C gilt:
(+) Für alle x1, …, xn ι H|α gilt:
H ⊨ φ(x1, …, xn) gdw H|α ⊨ φ(x1, …, xn). |
Eine Klasse C = { x | χ(x) } heißt eine club-Klasse von Orten, falls jedes x mit χ(x) ein Ort ist und weiter C abgeschlossen und unbeschränkt in den Orten ist, d. h.
(i) | ∀λ Limes. (∀α < λ ∃β. α < β < λ ∧ χ(β)) → χ(λ), |
(ii) | ∀α ∃β. α < β ∧ χ(β). |
Beweis
Wir zeigen die Behauptung durch Induktion über den Aufbau von φ.
φ atomar:
Wir setzen Cφ = { α | α ist Ort }.
φ = φ0 ∧ φ1:
Seien Cφ0 = { α | ψ0(α) } und Cφ1 = { α | ψ1(α) } wie in (+) für φ0 bzw. φ1.
Wir setzen Cφ = { α | ψ0(α) ∧ ψ1(α) }.
φ = ¬ φ0:
Sei Cφ0 = { α | ψ0(α) } wie in (+) für φ0.
Dann ist Cφ0 auch wie in (+) für φ.
φ = ∃x φ0:
Sei φ0 = φ0(x1, …, xn, x).
Sei Cφ0 = { α | ψ0(α) } wie in (+) für φ0. Weiter sei
χ(α) = ∀x1, …, xn ι H|α. ∃x φ0(x1, …, xn, x) → ∃x ι H|α φ0(x1, …, xn, x).
Es ist leicht zu sehen, dass D = { α | χ(α) } eine club-Klasse von Orten ist.
Dann ist Cφ = { α | ψ0(α) ∧ χ(α) } wie in (+) für φ.