Die Beweisidee der Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese
Der Fundamentalsatz wird nun der Grundidee nach wie folgt in zwei Teilen bewiesen (unter der Voraussetzung, dass 𝒜 widerspruchsfrei ist):
1. Teil (Gödel) | Es gibt ein Modell M1 von 𝒜 mit M1 ⊨ (CH). | |
2. Teil (Cohen) | Es gibt ein Modell M2 von 𝒜 mit M2 ⊨ non (CH). |
Mit Hilfe von (+) und der Korrektheit des Modellbegriffs folgt dann, dass (CH) weder beweisbar noch widerlegbar ist (im Rahmen der üblichen Mathematik):
Wir nehmen an, (CH) sei mathematisch beweisbar, und betrachten das Modell M2 von Cohen, in dem non (CH) gilt. Nach (+) ist (CH) beweisbar mit Hilfe von 𝒜. Nach Korrektheit haben wir also
M2 ⊨ (CH).
Andererseits gilt M2 ⊨ non (CH) nach Wahl von M2. Widerspruch, denn nach (I) kann in einem Modell niemals eine Aussage und ihr Gegenteil zugleich wahr sein.
Übung
Argumentieren Sie analog mit Hilfe von M1, dass die Kontinuumshypothese (CH) nicht widerlegbar ist.
Ein Unabhängigkeitsbeweis besteht also darin, zwei Modelle zu konstruieren, in denen jeweils 𝒜 gilt. In einem Modell soll zudem φ gelten, im anderen zudem non φ.
Für die erste Säule, den Beitrag von Gödel, startet man von einem großen Modell, und konstruiert innerhalb dieses Modells ein kleineres. Für die zweite Säule, den Beitrag von Cohen, erweitert man dagegen ein gegebenes Modell zu einem größeren Modell mit den gewünschten Eigenschaften. Die entsprechenden Beweistechniken heißen „innere Modelle“ und „forcing“ (Erzwingungsmethode). Die Methoden sind allgemein; mit ihrer Hilfe kann die Unabhängigkeit einer Vielzahl von Aussagen bewiesen werden, nicht nur die von (CH). Wir werden später ein weiteres Beispiel in der Suslin-Hypothese kennenlernen − benannt nach Mikhail Suslin (1894 − 1919).
Zum Schluss dieses Kapitels formulieren wir noch die natürliche Verallgemeinerung der Kontinuumshypothese.