Der Satz von Julius König und Ernst Zermelo
Den Satz von Cantor kann man nun etwas schrullig so notieren:
∑i ∈ A 1 < ∏i ∈ A 2 für alle Mengen A.
[Für A = ∅ ist die linke Seite 0, die rechte ist 1 wegen ∅ : ∅ → { 0, 1 } .]
Es gilt nun die allgemeinste denkbare Form dieses strikten Größenunterschiedes zwischen Summe und Produkt. Dies ist der Inhalt eines der stärksten Sätze der elementaren Kardinalzahlarithmetik. Der Beweis ist, wie kaum anders zu erwarten, ein Diagonalargument.
Satz (Satz von Julius König und Ernst Zermelo)
Sei I eine Menge, und seien 𝔞i, 𝔟i Kardinalzahlen für i ∈ I.
Weiter gelte 𝔞i < 𝔟i für alle i ∈ I. Dann gilt:
∑i ∈ I 𝔞i < ∏i ∈ I 𝔟i.
Beweis
Offenbar ∑i ∈ I 𝔞i ≤ ∏i ∈ I 𝔟i. Seien Ai, Bi Mengen mit |Ai| = 𝔞i, |Bi| = 𝔟i für alle i ∈ I. Sei weiter S = ⋃i ∈ I Ai × { i }, P = ⨉i ∈ I Bi. Sei F : S → P. Wir zeigen, dass F nicht surjektiv ist. Wir definieren g ∈ P wie folgt. Für i ∈ I sei:
g(i) = „ein b ∈ Bi mit b ∉ { F(y)(i) | y ∈ Ai × { i } }“.
Ein solches b existiert, denn es gilt:
|{ F(y)(i) | y ∈ Ai × { i } }| ≤ |{ F(y) | y ∈ Ai × { i } }| ≤ |Ai| < |Bi|,
und somit ist { F(y)(i) | y ∈ Ai × { i } } eine echte Teilmenge von Bi.
Offenbar ist g ∈ P. Aber g ∉ rng(F), denn
g(i) ≠ F(y)(i) für alle y ∈ Ai × { i }, i ∈ I,
also g ≠ F(y) für alle y ∈ S.
Zermelo (1908):
„33VI. Theorem. Sind zwei äquivalente Menge T und T′, deren Elemente M, N, R … bzw. M′, N′, R′, … unter sich elementenfremde Mengen sind, so aufeinander [bijektiv] abgebildet, dass jedes Element M von T von kleinerer Mächtigkeit ist als das entsprechende Element M′ von T′, so ist auch die Summe S = 𝔖T [ = ⋃ T ] aller Elemente von T von kleinerer Mächtigkeit als das Produkt P′ = 𝔓T′ [ = ⨉ T′ = ⨉i ∈ T′ i ] aller Elemente von T′…
Das vorstehende (Ende 1904 der Göttinger Mathematischen Gesellschaft von mir mitgeteilte) Theorem ist der allgemeinste bisher bekannte Satz über das Größer und Kleiner der Mächtigkeiten, aus dem alle übrigen sich ableiten lassen. Der Beweis beruht auf einer Verallgemeinerung des von Herrn J. König für einen speziellen Fall [für abzählbare Mengen T, T′] … angewandten Verfahrens.“
Der Index VI bedeutet hier, dass Auswahlakte in den Beweis des Satzes einfließen.
Als Korollar erhalten wir den Satz von Cantor über die Mächtigkeit der Potenzmenge. Allerdings ergibt sich kein neuer Beweis für 𝔞 < 2𝔞: Der Beweis des Satzes von König-Zermelo fällt im Fall 𝔞i = 1 und 𝔟i = 2 für alle i ∈ I mit dem originalen Beweis des Satzes von Cantor zusammen.