Die Potenzmenge

 Eine entscheidende Rolle bei der Untersuchung der Größe einer Menge wird die Potenzmengenoperation spielen:

Definition (Potenzmenge)

Sei M eine Menge. Dann ist die Potenzmenge von M, in Zeichen (M), die Menge aller Teilmengen von M:

(M)  =  { a | a ⊆ M }.

 Die Potenzmenge rückt seit Zermelo in den Mittelpunkt des Interesses. 1908 führt er den Begriff ein und schreibt 𝔘M für die Potenzmenge einer Menge, wobei das 𝔘 an „Untermengen“ erinnert. Der Name Potenzmenge bietet sich wegen des Zusammenhangs mit der arithmetischen Potenzoperation an (vgl. die Übung unten). Gerhard Hessenberg (1874 − 1925) spricht in seinem Lehrbuch von 1906 noch von der „Menge der Teilmengen“, ohne einen kompakten Begriff zu gebrauchen.

Beispiele

(∅) = { ∅ } ,

({ x }) = { ∅, { x } } ,

({ ∅, { ∅ } }) = { ∅, { ∅ } , { { ∅ } } , { ∅, { ∅ } } }.

 Für alle Mengen M gilt ∅  ∈  (M) und M  ∈  (M). Ist weiter a  ∈  (M), so ist auch M − a   ∈  (M). (M) ist darüber hinaus abgeschlossen unter Schnitten und Vereinigungen: Ist N ⊆ (M), so sind ⋂ N und ⋃ N Elemente von (M).

Übung

(i)

Man bestimme die Potenzmenge von { 1 } , { 1, 2 } , { 1, 2, 3 }, und zähle ihre Elemente.

(ii)

Wieviele Elemente hat ({ 1, … , n }) für n  ∈   ?

(iii)

Wieviele Teilmengen von { 1, …, n } mit genau k Elementen gibt es für n  ∈   und 0 ≤ k ≤ n ?

 Obwohl mit großer Vorsicht zu genießen, beenden wir dieses Kapitel mit einer Anekdote von Felix Bernstein (1878 − 1956), die uns überliefert, wie sich Cantor und Dedekind Mengen vorgestellt haben. Sie wird wahrscheinlich auch deswegen immer wieder erzählt, weil sie die großen Unterschiede zwischen den Charakteren Cantor und Dedekind mit wenigen Strichen nachzeichnet. Das Zitat findet sich in den „Gesammelten Werken“ von Richard Dedekind, und wurde dort von der Herausgeberin Emmy Noether innerhalb eines Kommentars eingefügt.

Georg Cantors Vorstellung von Mengen, berichtet von Felix Bernstein

 „F. Bernstein übermittelt noch die folgenden Bemerkungen:

‚ … Von besonderem Interesse dürfte folgende Episode sein: Dedekind äußerte, hinsichtlich des Begriffes der Menge: er stelle sich eine Menge vor wie einen geschlossenen Sack, der ganz bestimmte Dinge enthalte, die man aber nicht sähe, und von denen man nichts wisse, außer dass sie vorhanden und bestimmt seien. Einige Zeit später gab Cantor seine Vorstellung einer Menge zu erkennen: Er richtete seine kolossale Figur hoch auf, beschrieb mit erhobenem Arm eine großartige Geste und sagte mit einem ins Unbestimmte gerichteten Blick: ‚Eine Menge stelle ich mir vor wie einen Abgrund.‘‘“

(in: Dedekind 1930 − 1932, Gesammelte Werke, Bd. III, S. 449)